Eugene Quinn lebt als DJ und City-Guide in Wien. Bekannt geworden ist er mit Touren, die an die hässlichsten Orte der Stadt führen. Er selbst sagt, er habe wenig Bezug zu Ästhetik oder zum Nichtstun.

"Ich habe mich gefragt: ‚Was soll ich heute anziehen?‘ Die Wahl fiel auf diesen pinken Hoodie, den mein achtjähriger Sohn für mich ausgesucht hat. Supreme, Supreme! Die Sache ist nämlich die: Vor ein paar Jahren hat er mich einmal gefragt, warum die Erwachsenen immer die Kleidung für ihre Kinder aussuchen – aber nicht umgekehrt. Und so haben wir den Deal gemacht, dass er einmal im Monat aus meinem Schrank Anziehsachen für mich zusammenstellen darf. Ich freue mich jedenfalls über die knallige Farbe, denn Wien ist eh schon grau genug.

Eugene Quinn in seiner Wohnung im zweiten Bezirk. Das Outfit hat ihm sein Sohn ausgesucht.
Foto: Lisi Specht

Kinder sind schon etwas Gutes. Wenn man ohne Sohn in der U-Bahn steht und singt und tanzt, dann sagen die Leute: ‚Was für ein armer, komischer Mann!‘ Und wenn man das Gleiche mit einem jungen Sohn neben sich macht, dann sagen plötzlich alle: ‚Oh, was für ein cooler, großartiger Papa!‘ Und so zeigt sich: Es ist alles relativ im Leben. Was ist schön? Was ist hässlich? Was ist kitschig? Was ist guter Geschmack? Und wo dreht sich einem der Magen um? Alles relativ!

Auch hier in der Leopoldstadt ist alles relativ. Wir wohnen direkt am Karmelitermarkt, in einer Gegend, die als schön und begehrlich gilt, kulturell wohlhabend, jüdische Geschichte auf Schritt und Tritt, und genau vis-à-vis, wenn ich aus dem Fenster rausschaue, sehe ich eines der eigenartigsten Häuser Wiens, das sogenannte Haus der Zeit, in Pink und Lila und Hellblau, mit Glitzer und Gold und unzähligen Spermien, Föten und nackten Frauenkörpern an der Fassade. Schaut aus wie ein aus der Form geratenes Gründerzeithaus und wurde 1991 von einem Glücksspielkönig für sich und seine Familie komplett umgebaut. Heute dient das Haus als Hotel, spezialisiert auf Gay Travels. Beautiful? Ugly? Eine Frage des Standpunkts.

Eugene Quinn lebt seit 2013 in seiner Wohnung, die mittlerweile zur sechsköpfigen WG geworden ist.
Fotos: Lisi Specht

Und so kann sich auch jeder eine eigene Meinung darüber bilden, was schönes Wohnen ist. Ich habe, ehrlich gesagt, keinen besonderen Zugang zum Wohnen. Ich wohne hier seit 2013, seit einigen Jahren ist das nun eine sechsköpfige WG – mit drei Erwachsenen und drei Kindern. Chris, Jan, seine beiden Töchter Eli und Lisa, mein Sohn Josef und ich. Die ungewöhnliche WG-Konstellation hat sich im Laufe der Zeit ergeben, und ich finde sie richtig gut! Es geht uns ausgezeichnet miteinander.

Und so ist die Wohnung für mich weniger ein formaler, ästhetischer als vielmehr ein sozialer Raum, in dem wir kochen, essen, schlafen, lernen und spielen. Schlafen – nur so als Randbemerkung – habe ich übrigens am wenigsten gern. Reine Zeitverschwendung! Schad drum. Was könnte man alles tun währenddessen! Man könnte Spaziergänge durch Wien unternehmen! Bei Tag und bei Nacht, mit einem Fokus auf Geruch, Geschmack, Akustik, Haptik oder Geschmacklosigkeit, mal nackt, mal durch Lokale, mal in Hinblick auf die – wie ich finde – sehr weibliche, sehr feminine Seele dieser Stadt. Ach, es gibt so viele Dinge zu tun! Wozu also schlafen und nichts tun!

Eugene Quinns Lieblingsmöbel sind die Schilder, die er sich aus Nachtzügen nach Wladiwostok mitgenommen hat.
Fotos: Lisi Specht

Ich bin wirklich ein getriebener Mann. Ich habe kein Auto, ich lege die meisten Strecken zu Fuß zurück, einmal bin ich sogar zu Fuß zum Flughafen gegangen, um meine Frau abzuholen. Die langsamste und schnellste Geschwindigkeit treffen unmittelbar aufeinander, schon sehr lustig! Und wenn ich daran denke, ob ich ein Lieblingsmöbel habe, dann fallen mir eigentlich immer nur die Schilder ein, die ich aus diversen Nachtzügen mitgenommen habe, als ich vor vielen Jahren von London nach Wladiwostok gefahren bin.

Ich wünsche mir, dass die Corona-Zeit mit all ihren Lockdowns bald wieder vorbei ist, dass ich bald wieder Aufträge habe, dass ich bald wieder als DJ arbeiten und Menschen auf einer meiner Touren durch Wien führen darf. Zu Hause zu sitzen und die Stadt nicht nutzen können, das macht einen schon fertig. Ich will singen, tanzen und schreien. Nicht nur in der U-Bahn, gern auch wieder in einer Disco. Einfach nur abtanzen!" (Wojciech Czaja, 22.3.2021)