Auf Akzeptanz getestet: Bei der Produktentwicklung wird nichts dem Zufall überlassen.

Foto: ORF/Langbein & Paul

Wien – Die Hühnernuggets sind ein "zweischneidiges Schwert", sagt der Molekularbiologe Fritz Treiber von der Uni Graz: Einerseits werden die Reste von Hühnerfilets im Sinne der Nachhaltigkeit verwendet und weiterverarbeitet, andererseits befindet sich in einem Hühnernugget ungefähr ein Drittel Wasser, das gebunden wird. Wasser statt Fleisch also. Die Masse wird gestreckt, püriert und in die typische Nuggetform gegossen. Das ist alles nicht illegal, aber alles andere als transparent. Aus diesem Grund heftet sich die Dokumentation "Gefälschtes Essen – Die Tricks der Nahrungsmittelindustrie" auf die Fersen der Konzerne und zeigt, mit welchen Methoden Konsumenten bewusst in die Irre geführt werden sollen – zu sehen am Montag um 20.15 Uhr in ORF 3.

Um ihr Volumen oder ihre Masse zu erhöhen, werden Produkte mit Luft aufgeblasen, mit Pflanzenfasern gestreckt oder mit Wasser schwerer gemacht, wie das etwa beim Billigschinken im Großhandel oder in der Gastronomie der Fall ist. Er weist oft einen zu hohen Wassergehalt auf. Und die österreichischen Supermärkte sind voll mit Produkten, die österreichische Fähnchen tragen oder mit ähnlichen Symbolen spielen, aber oft relativ wenig mit Österreich zu tun haben.

Probleme mit Kennzeichnung

Die Ökologin Lisa Kernegger hat es sich mit der Organisation Foodwatch Österreich zur Aufgabe gemacht, den Lebensmittelherstellern und Politikern, die die Rahmenbedingungen in Gesetze gießen, auf die Finger zu sehen. Sie kritisiert, dass etwa bei den Hühnernuggets von Iglo nicht ersichtlich sei, woher das Fleisch kommt. "Es steht nicht auf der Verpackung, weil es das auch nicht muss." Laut Iglo wird derzeit in Spanien, normalerweise aber in England produziert. Der Grund für die Verlagerung ins Ausland sei, dass es in Österreich nicht genügend Hühnerrohware gebe.

Einen "großen Nachholbedarf" bei der Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln ortet auch Ernährungswissenschafterin Heidi Porstner: "Es gibt nur wenige Lebensmittel, bei denen wir erfahren, wo die Rohstoffe ursprünglich herkommen." Wenn, dann betreffe das nur frisches Fleisch, aber sobald das Fleisch etwa für die Nuggetsproduktion verwendet wird, "haben wir keine Chance zu erfahren, woher es kommt", so Porstner, die ebenfalls für Foodwatch Österreich arbeitet. Die Nichtregierungsorganisation wurde 2002 in Deutschland gegründet, seit Herbst 2020 ist sie auch in Österreich aktiv.

Hefeextrakt gilt nicht als Geschmacksverstärker

Ein anderes Beispiel ist der Himbeersaft der Marke Happy Day von Rauch, der nur zu 7,5 Prozent aus Himbeermark besteht. Der Rest? Wasser oder Apfelsaft. Laut dem Lebensmittelgesetz dürfen die Hersteller die Konsumenten nicht in die Irre führen. Viele Verpackungsdesigns hätten aber kein anderes Ziel, wenn sie suggerieren, dass das Produkt aus frischem Obst gemacht werde oder frei von Konservierungsstoffen sei, moniert Ernährungswissenschafterin Porstner. Und Kernegger ergänzt, dass das Label "Ohne Zusatzstoffe" oder "Ohne Geschmacksverstärker", das viele Verpackungen ziert, eine Konsumententäuschung sei, denn stattdessen werde Hefeextrakt zugesetzt: "Das hat auch eine geschmacksverstärkende Wirkung, wird aber nicht als Zusatzstoff deklariert."

Um die Produkte an die Frau und an den Mann zu bringen, gibt es Lebensmittelfotografinnen wie Petra Schmidt. Sie erklärt die goldene Regel des Verpackungsmarketings: "Du solltest am Teller, auch am Foto, immer alle Grundfarben haben." Gelb, Rot und Grün erzeugen im Unterbewusstsein Kauflust. Bestimmte Glanzpunkte auf dem Produkt sollen den fehlenden Geruch kompensieren. Beim Foto von einer Pizza sei es beispielsweise wichtig, dass der geschmolzene Käse gut in Szene gesetzt wird.

Light-Produkte

In Österreich sind 3,7 Millionen Menschen über 15 Jahren übergewichtig. 17 Prozent von ihnen gelten als krankhaft adipös, heißt es in der Doku. Eine Rolle dabei spielen laut Experten auch die Light-Produkte. Sie müssen um 30 Prozent weniger Fett oder Zucker beinhalten, um so gekennzeichnet werden zu dürfen. Um das zu kompensieren, werden andere Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker zugesetzt, die einen ähnlichen Effekt haben, kritisiert Birgit Beck vom Verein für Konsumenteninformation. Sie würden Verbraucher in falscher Sicherheit wiegen.

Molekularbiologe Fritz Treiber von der Uni Graz demonstriert, wie das Volumen eines typischen Diskontereises aufgeblasen wird: "Luft ist billig, Luft ist gratis", sagt er. Der kalte Stickstoff, der zum Einsatz kommt, beschleunigt dabei den Herstellungsprozess. Gesetzlich sei das in Ordnung, denn: Die Produzenten könnten entweder Volumen oder Gramm angeben. Von solchen Methoden hält Eismacher Joachim Kitzwögerer nichts. Er rechnet vor, dass er aus einem Liter Grundmasse 1,3 bis 1,4 Liter Eis machen könne, während die Industrie auf sieben Liter komme: "Einfach weil es so aufgeblasen wird. Das ist der große Unterschied." (omark, 22.3.2021)