Zu Frühlingsbeginn erfolgt für Bernhard Kramer der Startschuss in die neue Saison.
Foto: Christian Fischer

Frühlingserwachen in Zöfing nahe Tulln in Niederösterreich. In der Luxusgärtnerei Kramer und Kramer erwartet man trotz Corona einen guten Geschäftsgang – schließlich ist auch die betuchte Kundschaft gut durch die Krise gekommen. In einem verglasten Zimmer im ersten Stock mit Blick auf das Areal spricht Firmenchef Bernhard Kramer über Klimawandel, Omas Apfelbäume und die Freude am Haptischen. Zugeknöpft gibt er sich nur hinsichtlich der Politik. Warum? "Das sind meine Kunden", sagt Kramer. "Fast jeder Einzelne."

STANDARD: Das vergangene Jahr war für viele ein sehr schwieriges. Wie war es für Sie?

Kramer: Unsere Branche hatte die letzten zehn Jahre schon einen Riesenaufwind, und die Corona-Krise hat das wie ein Turbo beschleunigt. Das Thema Nachhaltigkeit und alles in diese Richtung wurde forciert. Wir hatten ein sehr gutes Jahr und werden auch heuer ein sehr gutes Jahr haben.

STANDARD: Haben Sie Corona-Hilfen benötigt?

Kramer: Nein, wir haben weder Kurzarbeit noch Hilfsgelder beantragt.

STANDARD: Ihr Gartenbauunternehmen hat sich dem Luxussegment verschrieben. Wie definieren Sie die Zielgruppe?

Kramer: Unsere Kunden machen etwa das oberste Prozent der Bevölkerung aus, wenn überhaupt. Wir reden nicht von zehn Prozent, sondern von einem Prozent.

STANDARD: Was erwartet dieses Prozent von Ihnen?

Kramer: Wenn Kunden zu uns kommen, machen wir den Gartenbereich oder den Dachgartenbereich. Unser Radius ist Österreich, Deutschland, Schweiz. Wir sehen da auch noch mehr Gebiete wie zum Beispiel Kroatien, wo anspruchsvolle Kunden ihre Zweithäuser oder Privathäuser bauen. Wir arbeiten mit österreichischen Architekten, wenn die Häuser im Ausland sind, verwirklichen wir es gemeinsam. Für uns macht es keinen Unterschied, ob das Haus in Kitzbühel gebaut wird oder am Zürichsee.

STANDARD: Wieso war Corona ein Turbo für Sie?

Kramer: Unser klarer Mitbewerb ist die Tourismusbranche, weil die Kunden im Luxussegment vier- bis fünfmal im Jahr auf Urlaub fahren und das nun nicht können. Das ist kein Budgetthema, sondern ein Zeitthema.

STANDARD: Sie haben von Ihren Eltern eine Baumschule geerbt. Wie haben Sie diese zu dem heutigen Luxusbetrieb entwickelt?

Kramer: Ich habe in sehr jungen Jahren ein Parallelunternehmen gegründet, den Garten- und Landschaftsbau. Das Unternehmen von meinen Eltern habe ich erst vor ein paar Jahren übernommen. Wir haben uns früh in den Architekturbereich bewegt, als in der Branche noch nicht ganz klar war, wie sich das weiterentwickelt. Das ist meiner Leidenschaft für Architekturentwicklung geschuldet. Ich war nie ein wirklicher Gärtner.

STANDARD: Sie sind bei der Planung eines Hauses von Anfang an dabei?

Kramer: Das wünschen wir, es ist aber nicht immer so. Das bedeutet, die Kunden kennenzulernen und die Höhen und Tiefen mitzumachen. Manchmal verschwinden auch Budgets, und Projekte sterben. Es kann viel passieren – auch im Luxusbereich geht oft das Geld aus.

STANDARD: Welche Trends sehen Sie in der Bepflanzung von Luxusgärten?

Kramer: Es gibt zum Beispiel eine große Nachfrage nach uralten Obstbäumen, die mehr als 30 Jahre alt sind. Der Gedanke der Menschen ist, dass die Äpfel der Oma am besten waren, was natürlich falsch ist. Das ist ein emotionales Thema, denn die Bäume waren oft weder schön noch gesund. Der Trend geht weg vom künstlichen, geschniegelten hin zum extravaganten, natürlichen.

STANDARD: Wie wirkt sich für Sie der Klimawandel aus? Die Vegetationsperioden werden ja länger.

Kramer: Wir beobachten das eigentlich seit 70 Jahren, wir haben genaue Aufzeichnungen. Das ist unsere eigene Wahrheit, die bestätigt den Klimawandel zu 100 Prozent. Der Klimawandel spielt für uns im Alltag eine Riesenrolle, teilweise eine positive, teilweise eine negative. Gerade im Großraum Wien hat sich das Klima extrem verändert. Es wachsen jetzt Bäume, von denen vor zehn Jahren noch undenkbar war, dass sie in Österreich wachsen.

STANDARD: Zum Beispiel?

Kramer: Die Immergrüne Magnolie. Vor zehn Jahren undenkbar, jetzt wird sie als Ersatzpflanzungen in Wien vom Magistrat vorgeschrieben. Es wachsen noch keine Olivenbäume in Wien. Aber wenn es so weit ist, dann haben wie ein Riesenproblem.

STANDARD: Wien ist besonders betroffen. Was macht die Stadt gegen den Klimawandel?

Kramer: Es werden zigtausend Bäume jedes Jahr gepflanzt, weil durch die Klimaerwärmung die üblichen Bäume wie Rosskastanien dies Hitze und Trockenheit nicht mehr aushalten. Deshalb werden in Wien langfristig alle Bäume ausgetauscht.

STANDARD: Welche werden stattdessen sonst noch kommen?

Kramer: Es gibt spezielle Klimabäume, vom Feldahorn bis zum Lederhülsenbaum. Ein Großteil dieser Bäume kommt von uns als Lieferant im Hintergrund. Wien investiert extrem viel in diese Sache, und das hat eine Vorbildwirkung in ganz Europa.

Nicht einmal eine Baumschule kann CO2-negativ produzieren, sagt Bernhard Kramer.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Ist die Erderwärmung noch zu stoppen, vielleicht sogar dank der Corona-Pandemie?

Kramer: Die Natur gibt immer auf alles eine Antwort. Vielleicht ist das auch diesmal so. Aber ich denke, es wird ganz schwer, es zu schaffen. Alles wird durchindustrialisiert, sogar in unserer Branche die Pflanzenproduktion. Eigentlich müsste eine Baumschule CO2-negativ sein, das schafft man aber nicht bei den Transportwegen. Es wird alles kreuz und quer durch Europa geführt.

STANDARD: Ein Baum muss dann lange stehen, bis er CO2-negativ wird.

Kramer: Ja, weil jeder Baum schon durch fünf Hände gegangen ist, bevor er beim Kunden ankommt.

STANDARD: Wie sieht Ihre Vision für die nächsten fünf Jahre aus? Wollen Sie mit dem Unternehmen ökonomisches Wachstum?

Kramer: Wachstum ist eine Notwendigkeit, aber nicht unser oberstes Ziel. Wir streben nicht den kommerziellen Schablonenerfolg an. Das würde in diesem Segment nicht funktionieren.

STANDARD: Belastet es manchmal, für 100 Mitarbeiter verantwortlich zu sein?

Kramer: Die Verantwortung für die Mitarbeiter und deren Familien ist bei unserer Unternehmensgröße noch voll präsent. Auch deshalb ist für mich der Sprung nach oben nicht realistisch. Dann muss man eine mittlere Ebene einführen und kennt seine Mitarbeiter nicht mehr. Das will ich nicht und kann ich nicht. Ich bin sicher kein Konzernleiter.

STANDARD: Spielt Digitalisierung für Sie auch eine Rolle?

Kramer: In der Planung gibt es moderne Tools, aber das ist eine Nebenerscheinung. Unsere Kunden haben eine Freude damit, aus dieser digitalisierten Welt herauszukommen. Es ist das Haptische, das den Leuten so Spaß macht. Es ist die Pflanze, das Echte.

STANDARD: Vor Weihnachten haben Sie bei Meinl am Graben in Wien Adventkränze verkauft. Kooperieren Sie noch immer?

Kramer: Das läuft noch ein bisschen. Wegen Corona sind sie an uns herangetreten, weil das Café stillgelegt wurde. Das ist keine große Sache, eher im Bereich der Gefälligkeit.

STANDARD: Bringt aber Zugang zur Zielgruppe.

Kramer: Ja, natürlich. Eine nette Sache, aber nicht überzubewerten.

STANDARD: Viele Leute lassen im Garten die Seele baumeln. Wo schalten Sie ab?

Kramer: Ich reise permanent, es ist Teil meines Jobs. Ich suche sehr spezielle Bäume auf der Welt und bewege mich weit. Man geht 20 oder 30 Kilometer am Tag durch irgendwelche Felder und sucht Bäume oder sonst irgendetwas aus. In den zugehörigen Städten findet man dann die Wirklichkeit wieder – wie die Leute so ticken und das Essen dazu. Aber das ist auf Reisen und nicht im eigenen Garten.

STANDARD: Also das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.

Kramer: Ja, schon ein bisschen. Aber es ist von den Jahreszeiten umgekehrt. Ich bin meistens dort, wenn das Wetter schlecht ist.

STANDARD: Die Corona-Krise ist eine medizinische, wirtschaftliche und gesellschaftliche. Lassen Sie sich impfen?

Kramer: Ja. Es gibt so viele tragische Fälle, auch unter jungen Menschen. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. (Alexander Hahn, 21.3.2021)