Elektrogeräte sollen bald besser reparierbar sein.

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Der Handyakku wird langsam schwächer, der Drucker druckt kryptische Muster, die Kaffeemaschine produziert nur mehr lauwarmes Gschloder, und die Küchenmaschine knetet den Brotteig nur noch unmotiviert. Wenn Geräte versagen, ist ihr Schicksal meistens besiegelt: Ab zum Mistplatz damit – denn eine Reparatur zahlt sich nur in den seltensten Fällen aus.

Das muss nicht so sein, findet eine immer größer werdende Gruppe an Langlebigkeits- und Reparaturaktivisten und will Hersteller stärker in die Pflicht nehmen. Auch in der Politik findet langsam ein Sinneswandel statt: US-Bundesstaaten, Länder wie Frankreich und auch die EU wollen Produzenten zur Langlebigkeit ihrer Produkte verpflichten. Ein erster Schritt ist geschafft: Seit 1. März gilt in der EU eine neue Ökodesignrichtline, die erste, die auch die Reparaturfähigkeit regelt.

Was bringt das neue Gesetz?

Seit Anfang März müssen Kühlschränke, Spülmaschinen, Waschmaschinen, Fernseher und einige weitere Geräte leichter und länger reparierbar sein, nämlich sieben (Kühlschränke) bis zehn Jahre (Waschmaschinen). Diese Reparaturen sollen mit normalem Werkzeug und in bestimmten Fällen auch durch den Benutzer selbst durchführbar sein. Informationen dazu sollen gemeinsam mit dem ebenfalls erneuerten EU-Energielabel in einer Online-Datenbank abrufbar sein. Das soll auch bei der Recherche nach Gebrauchtwaren helfen.

Hersteller müssen außerdem Ersatzteile sieben bis zehn Jahre nach Auslaufen der Produktlinie lagernd halten und innerhalb von 15 Werktagen liefern.

DER STANDARD

Finden das alle gut?

Kritik kommt naturgemäß von Teilen der Industrie. Während die mächtige Arbeitgeber-Lobby Businesseurope die Stoßrichtung begrüßt, befürchtet etwa der deutsche IT-Branchenverband Bitkom wegen der Lagerhaltungspflicht noch viel größere Müllberge – nur eben aus Ersatzteilen. Ein Argument, das Chloé Mikolajczak vom Right-to-Repair-Netzwerk Europa nicht gelten lässt: Die Entsorgung ganzer Geräte verursache mehr Müll, als durch nicht genutzte Ersatzteile jemals entstehen würde.

Das Repair-Netzwerk, in dem sich dutzende lokale Initiativen aus ganz Europa zusammengetan haben, sieht das Gesetz zwar als großen, wichtigen Schritt. Von einem universellen Recht auf Reparatur sei man laut Mikolajczak aber noch weit entfernt. Hersteller müssen ihre Anleitungen und bestimmte Ersatzteile nämlich laut Richtlinie nur "fachlich kompetenten Reparateuren" zur Verfügung stellen– ohne diesen Begriff weiter zu definieren. Würden Produzenten ihre Ersatzteile in der Folge nur an ihre eigenen Partner ausliefern, könnten Reparaturen am Ende teuer bleiben. Auch die Lieferfrist sei zu lang: "Leben Sie einmal drei Wochen ohne Kühlschrank!", sagt Mikolajczak.

Was ist mit Smartphones?

Besonders ressourcenintensive und kurzlebige Produkte wie Smartphones und Laptops sind durch die Richtlinie noch nicht erfasst – aber das soll noch kommen. Bis Ende des Jahres plant die EU weitere Vorschriften, die auch Handys und etwa Ladekabel umfassen. So könnte etwa ein Index besonders reparaturfreundliche Produkte kennzeichnen – Frankreich hat es bereits vorgemacht. Bis die Neuerungen beim Konsumenten ankommen, dauert es aber noch – wohl mindestens bis 2023, schätzt Mikolajczak.

Was bringt das der Umwelt?

Jedes Jahr produziert die EU um fünf Prozent Elektroschrott mehr als im Vorjahr – zum Leiden der Umwelt, denn recycelt wird nur etwa ein Drittel davon. Würden alle Waschmaschinen, Notebooks, Staubsauger und Smartphones auch nur ein Jahr länger genutzt werden als jetzt, könnte man vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen – gleich viel, wie wenn man zwei Millionen Autos von den Straßen nehmen würde. Das hat das Europäische Umweltbüro berechnet.

Es wäre eine Klimaschutzmaßnahme, die kaum jemanden schmerzen würde: Laut Eurobarometer würden 77 Prozent der Menschen in der EU ihre Dinge gerne reparieren anstatt sie wegzuwerfen und neu zu kaufen. Das gilt übrigens auch für Kleidung und Möbel, die noch keinen Regeln zur Langlebigkeit unterliegen.

Sind neue Geräte nicht sparsamer?

Ja, schon – aber nur geringfügig. Die höhere Energieeffizienz von neuen Produkten ist kein wirkliches Argument, da bereits die Herstellung, der Transport und die Entsorgung Ressourcen verbrauchen. Laut einer Studie des Europäischen Umweltbüros muss eine Waschmaschine zwischen 17 und 23 Jahre benutzt werden, um den vorgelagerten Ressourcenverbrauch reinzuwaschen.

Wer profitiert noch?

Ein kaputtes Handy bringt man eher zum Shop nebenan als nach China. Dass Reparieren die lokale Wirtschaft fördert, hat auch Österreich erkannt. Seit Jahresbeginn wird für Reparaturen von Fahrrädern, Lederwaren, Kleidung und Haushaltswäsche nur mehr zehn Prozent Mehrwertsteuer erhoben. Diese etwas beliebige Aufzählung ist auf eine EU-Richtlinie zurückzuführen, die Steuersenkung nur auf diese bestimmten, besonders arbeitsintensiven Reparaturen zulässt. In der Corona-Krise haben mehrere Bundesländer – analog zum Gastrogutschein– außerdem Reparaturbons eingeführt, um die lokale Wirtschaft zu stimulieren. (Philip Pramer, 24.3.2021)