Zwischen 30.000 und 40.000 Österreicher erkranken jedes Jahr. Vor allem ab dem 50. Lebensjahr steige das Risiko für Gürtelrose sprungartig an, beobachten Mediziner.

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Am Ende verband Friedrich Nietzsche und Richard Wagner nur noch wenig. Eines aber hatten der Philosoph und der Komponist schon als Kind sehr wahrscheinlich gemeinsam: Windpocken. Zwar ist zu dieser Erkrankung der beiden nirgendwo konkret etwas nachzulesen. Aber hier hilft die Infektiologie: Wagner und Nietzsche litten, so ist es überliefert, als Erwachsene unter einer Gürtelrose. Und diese bekommt nur, wer als Kind die Windpocken hatte.

Gemeinsamer Auslöser dieser beiden Infektionskrankheiten ist das Varicella-Zoster-Virus. Mehr als 95 Prozent der Kinder, in hiesigen Breitengraden sogar nahezu alle, kommen in ihren ersten Lebensjahren mit diesem Virus in Kontakt, und die Windpocken brechen aus. Nach der Erkrankung zieht sich das Virus in Rückenmarks-nahe Nervenknotenpunkte zurück und wird durch das Immunsystem unter Kontrolle gehalten. Bei gesunden Menschen in der Regel über Jahrzehnte.

Juckende Bläschen

Etwa ab dem 50. Lebensjahr verliert das Immunsystem aber zunehmend an Abwehrkraft. Auch Menschen mit schweren Grunderkrankungen, Autoimmunkrankheiten wie Rheuma sowie Patienten, die eine immunsuppressive Therapie erhalten, haben unabhängig von ihrem Alter ein geschwächtes Immunsystem. Dann kann sich das Virus reaktivieren und erneut zu einer Infektion führen, diesmal zur Gürtelrose: ein zwei bis vier Wochen anhaltender schmerzhafter, juckender Ausschlag mit Bläschen, der sich typischerweise nur auf einer Körperseite zeigt.

"Zwischen 30.000 und 40.000 Österreicher erkranken jedes Jahr daran", sagt der Hautarzt Robert Müllegger vom Landesklinikum Wiener Neustadt. Vor allem ab dem 50. Lebensjahr steige das Risiko für Gürtelrose sprungartig an. Schwerwiegender aber ist: mit dem Alter oder bei geschwächtem Immunsystem steigt auch das Risiko für Komplikationen. "Nach dem 60. Lebensjahr zeigt sich bei nahezu jedem zweiten an Gürtelrose Erkrankten eine Komplikation", sagt Müllegger.

Die häufigste sind die gefürchteten Nervenschmerzen, Post-Zoster-Neuralgien genannt. Sie treten nach Abheilen der Hautbläschen auf. In der Altersgruppe ab 50 Jahren plagen die Schmerzen immerhin jeden vierten, ab dem 80. Lebensjahr schon jeden dritten an Gürtelrose Erkrankten. Die Schmerzen sind sehr intensiv und halten meist noch Wochen bis mehrere Monate nach dem Abheilen der Infektion an.

Schwerwiegende Folgen

Als weitere Komplikation kann sich die Gürtelrose am Auge, inneren Organen, im Gehirn, am peripheren Nervensystem oder in den Blutgefäßen manifestieren. "Das ist nicht nur unangenehm und kann bis hin zu Lähmungen führen, sondern erhöht laut neuerer Studien auch das Risiko für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt", sagt Müllegger. Allgemein seien Komplikationen bei einer Gürtelrose grundsätzlich schwer zu behandeln, manche bildeten sich nie ganz zurück.

Kommt es zu einer Gürtelrose, dann kann zwar die Gabe von Virustatika das Risiko von Komplikationen um 50 Prozent reduzieren und die Beschwerden lindern. "Dafür muss aber das Medikament frühzeitig gegeben werden, und trotzdem bleibt gerade bei Älteren das Risiko für die gefürchteten schwerwiegenden Nachwirkungen trotzdem noch hoch", sagt Müllegger.

Fachpersonen sowie der österreichische Impfplan raten daher Personen ab dem 50. Lebensjahr zur Impfung. Personen, deren Immunsystem durch Medikamente oder Erkrankung geschwächt ist, sollten sich nach der Empfehlung schon früher impfen lassen, da auch ihr Risiko erhöht ist. Die Impfung regt das Immunsystem erneut an, den Erreger in Schach zu halten. Auch für Personen, die bereits eine Gürtelrose durchgemacht haben, macht eine Impfung einige Jahre danach Sinn, da die Erkrankung jederzeit erneut auftreten kann.

Impfen, impfen, impfen!

Beste Wirkung zeigt der erst 2018 in der EU zugelassene Impfstoff Shingrix des US-Pharmaunternehmens Glaxo Smith Kline. Er wird in zwei Impfdosen im Abstand von zwei bis sechs Monaten verabreicht. Shingrix verhinderte in allen untersuchten Altersgruppen zu rund 90 Prozent das Auftreten einer Gürtelrose. Kam es doch dazu, dann reduzierte die Impfung auch das Risiko für ein Auftreten der schmerzhaften Post-Zoster-Neuralgien um 90 Prozent.

Shingrix schützt mindestens fünf Jahre. Impfexperten gehen davon aus, dass danach sehr wahrscheinlich noch einmal nachgeimpft werden könne – Langzeitdaten stehen aber noch aus. Da es sich bei Shingrix um einen Totimpfstoff handelt, kann es auch Personen mit geschwächtem Immunsystem sowie während einer bereits laufenden immununterdrückenden Therapie gegeben werden.

Allerdings ist Shingrix derzeit weltweit nur schwer erhältlich. Die gute Wirkung und die daraufhin in der Folge hohe Nachfrage hat den Hersteller überrascht. Nur in Einzelfällen lassen sich Impfdosen aus dem Ausland importieren. "Bis auch in Österreich ausreichende Mengen dieses Impfstoffs verfügbar sind, könnten noch zwölf Monate vergehen", schätzt Müllegger. Für Personen mit einem erhöhten Risiko für Gürtelrose, also mit einem Alter deutlich über 60 Jahren oder einem geschwächten Immunsystem, sei diese Wartezeit sehr lang.

Impfstoff schwer erhältlich

Eine zwischenzeitliche Alternative sei daher der gut etablierte ursprüngliche Impfstoff Zostavax von MSD Merck Sharp & Dohme. Zostavax ist in der EU schon seit 2013 zugelassen. Er muss nur einmal verabreicht werden und schützt für etwa acht bis zehn Jahre vor einer Gürtelrose. Seine Schutzwirkung beträgt allerdings nur 50 Prozent, das Risiko für Post-Zoster-Neuralgien wird um 70 Prozent gesenkt. "Auch wenn die Schutzwirkung geringer ist, sollten die gefährdeten Personengruppen mit ihrem Arzt über eine Impfung mit Zostavax beraten, da unbekannt ist, wann Shingrix verfügbar sein wird," rät Müllegger. Zudem spräche nichts gegen ein Nachimpfen mit Shingrix zu einem späteren Zeitpunkt.

Da Zostavax allerdings ein Lebendimpfstoff ist, können sich Personen mit geschwächtem Immunsystem nicht damit impfen lassen. Wer eine immununterdrückende Therapie erhalten soll, muss sich davor impfen lassen. Impfstoffe gegen Gürtelrose werden derzeit nicht von der Krankenkasse bezahlt, die rund 200 Euro (Zostavax) bzw. 300 Euro (zwei Spritzen Shingrix) sind privat zu leisten. (Andreas Grote, 28.03.2021)