Eines der 2019 beschlagnahmten Werke (Zyklus Alte Meister, 2013), umgeben von solchen aus der Bondage-Serie, die Arnulf Rainer posthum öffentlich ausgestellt wissen wollte.

Foto: Im Kinsky

Für einige Stunden waren im Palais Kinsky erstmals in Österreich einige jener Arbeiten aus einer Privatsammlung zu sehen, deren Echtheit Rainers Frau in Zweifel zieht.

Foto: Im Kinsky

Am Donnerstag stand ein weiteres Kapitel in der Causa rund um erotische Arbeiten Arnulf Rainers auf dem Programm. Ort des Geschehens: das Palais Kinsky an der Freyung, in dessen Prunkräumlichkeiten das gleichnamige Auktionshaus residiert. Dem Anlass gemäß zierten etwa 70 Werke des Künstlers die Wände, die er zwischen 2011 und 2014 in seinem Atelier in Teneriffa schuf. Ein auf wenige Stunden beschränktes Ausstellungsdebüt, das die Kulisse für eine Pressekonferenz und ein anschließendes Expertengespräch bot.

Brisant war das insofern, als es sich um Werke verschiedener Zyklen handelt, deren Echtheit Hannelore Ditz, Rainers Frau und Managerin, mehr oder weniger pauschal in Zweifel zieht. Genauer: nur jene, die sich nicht im Besitz des "Atelier Rainer" befinden, sondern einer Sammlerin gehören.

Auf den Tag genau vor 21 Monaten hätten hier im Juni 2019 zwei Mischtechniken von Arnulf Rainer versteigert werden sollen. Dazu kam es nicht, da es sich laut Ditz um Fälschungen handeln solle. Einer Anzeige folgte zuerst die Beschlagnahme der beiden Werke und schließlich Ermittlungen des Landeskriminalamts, das Ende 2020 seinen Abschlussbericht vorlegte. Im Zuge der Pressekonferenz gab man nun bekannt, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren mittlerweile eingestellt hat. Der Verdacht auf schweren Betrug sei damit vom Tisch, der Nachweis einer Fälschung gelang nicht, wie die Anwälte Herbert Eichenseder und Alfred Noll erläuterten.

"Hier ist die Hölle los"

Was Hannelore Ditz dazu sagt? Sie verweist auf Anfrage an ihren Rechtsanwalt. Alexander Pflaum will die Einstellung jedoch aufgrund eines anderen laufenden Verfahrens nicht kommentieren. Gemeint ist die bei Gericht anhängige Klage der Sammlerin Brigitte Löw-Radeschnig gegen Rainer und Ditz. Ende 2017 hatte Löw-Radeschnig ein Konvolut von Arbeiten von Rene Rietmayer erworben, der einst die Vorlagen für die Übermalungen geliefert hatte. Zur Abgeltung seines Urheberrechts sowie zur Kompensation diverser Kosten hatte der Künstler ihm 620 Arbeiten überlassen. Einige wenige verkaufte Rietmeyer an Galerien, rund 600 eben an Löw-Radeschnig.

Zur teilweisen Refinanzierung ihres Ankaufs trat sie 300 an den Galeristen Gerald Ziwna ab, der für 2019 eine Ausstellung plante, die Ditz verhinderte. Wie von ihr damals angekündigt, brachte sie den Fälschungsverdacht ins Spiel. Und dagegen setzt sich die Sammlerin aus mehreren Gründen zur Wehr: Ihrer mehrmaligen Bitte, die Arbeiten im Original zu begutachten, waren weder Rainer noch Ditz gefolgt, obwohl an der Provenienz keinerlei Zweifel bestehen. Die im Raum stehende Verdächtigung entwertet jedoch bis auf weiteres ihre Sammlung. Der Galerist Ziwna trat zwischenzeitlich vom Verkauf zurück.

Tatsächlich geht es um Zensur, ist Löw-Radeschnig überzeugt. Zwei Models, die für die erotisch bis pornografischen Fotovorlage posierten, seien Ditz schlicht und ergreifend ein Dorn im Auge. Zitiert wurde jetzt ein Telefonat, das Arnulf Rainer im Mai 2013 mit Karlyn führte, mit der er eine erotische Beziehung hatte: "Hier ist die Hölle los, Hannelore hat das irgendwie erfahren", sie spreche seit vier Tagen kein Wort mit ihm, es werde "nicht gekocht für mich", "ich bin auf Strafe gesetzt".

Aufgenommene Telefonate

Rainer hatte die regelmäßig stattfindenden Telefonate aufgenommen. Ob Ditz die Aufnahmen entdeckte, muss eine Mutmaßung bleiben. In eine ähnliche Kerbe schlug jetzt auch die holländische Kunsthistorikerin Sarah Gold, das andere Model. In der von Rudi Fuchs kuratierten Ausstellung Lustspiel – Georg Baselitz & Arnulf Rainer (2011/2012) sollten explizit Arbeiten der aktuellen Serie zu sehen sein. Allein, sie waren kurz davor verschwunden, wie sich Rainer beklagt habe.

Wie auch immer: Ein Künstler kann sich rückwirkend von Teilen seines Schaffens distanzieren, es jedoch nicht als Fälschung bezeichnen. "Wer ein Werk einmal geschaffen hat, bleibt der Urheber, egal, wie er dazu stehen mag", sagt Alfred Noll. Der Urheber habe sogar die Pflicht, zu den Tatsachen zu stehen. Das Urheberrecht ermöglicht Künstlern nicht, Unwahrheiten über das eigene künstlerische Werk zu erzählen. Rainer könnte folglich auf Unterlassung und Widerruf falscher Tatsachen geklagt werden, so Noll. (Olga Kronsteiner, 20.3.2021)