Seriöse Apps nennen die Grundlagen, auf denen ihre Empfehlungen basieren, auf ihrer Website. Sie geben dort auch an, ob die Wirksamkeit anhand von unabhängigen Untersuchungen getestet wurde.

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Wer abnehmen möchte, ist im digitalen Zeitalter nicht länger auf sich allein gestellt: Im Nu erstellen Diät-Apps einen persönlichen Abnehmplan, übernehmen das Kalorienzählen, liefern umfassende Lebensmitteldatenbanken und Ernährungstipps.

Viele lassen sich mit Sportuhren und Fitnessarmbändern verbinden, sodass auch die Trainingseinheiten dokumentiert werden und in die Kalorienbilanz eingehen.

Auf den ersten Blick mag das nach Spielerei aussehen, tatsächlich ruhen große Hoffnungen auf Abnehm-Apps: Die Zahl der Übergewichtigen nimmt weiter zu, 2016 waren weltweit rund zwei Milliarden Menschen übergewichtig oder adipös. Betroffene leiden oft an psychischen Beschwerden und haben zudem ein höheres Risiko für bestimmte Erkrankungen wie Rückenschmerzen, Diabetes und Herzkrankheiten, was mit enormen wirtschaftlichen Kosten verbunden ist.

Abnehm-Apps, so der Grundgedanke, sind alltagsnah, einfach zu nutzen und in "Echtzeit" greifbar, also auch beim Restaurantbesuch oder vorm Buffet. Das Angebot ist riesig: Allein bei Google Play finden sich 258 Abnehm-Apps, und etliche Krankenkassen bieten ihre eigenen mobilen Anwendungen an. Doch halten Diät-Apps auch was sie versprechen?

Apps nutzen vier Strategien

Mittlerweile existieren zahlreiche Studien zum Thema, und viele bescheinigen den digitalen Angeboten einen positiven Effekt. Ein Psychologenteam der Universität Konstanz etwa hat 2019 die Daten zu 30 unterschiedlichen Apps ausgewertet: "Die Ergebnisse unserer Studie haben gezeigt, dass Ernährungs-Apps hilfreich und wirksam sind, um zum einen das Ernährungsverhalten zu verbessern, aber auch um Körpergewicht zu reduzieren", sagt die Mitautorin Deborah Wahl.

Alle untersuchten Apps nutzen die gleichen vier Strategien: Sie helfen, konkrete Ziele zu setzen, sie erfassen das Verhalten und geben Feedback, sie vermitteln Wissen, und sie bieten soziale Unterstützung – Strategien, die auch in konventionellen Programmen verwendet werden.

Die Krankenschwester Michaela (Name von der Redaktion geändert) aus Freiburg hatte mit der digitalen Methode Erfolg: 2016 hat sie mithilfe einer App zehn Kilo abgenommen. "Eine Freundin empfahl mir FDDP. Durch das Ernährungstagebuch habe ich bewusster gegessen und mit der Zeit auch ein besseres Gefühl für Mengen entwickelt. Gehungert habe ich nicht einen Tag."

Allein das Protokollieren dessen, was man isst, kann ein Augenöffner sein: Eine Handvoll Gummibärchen hier und da oder das Glas Wein vorm Fernseher schlagen mit ordentlich Kalorien zu Buche. "Apps können bei der Beobachtung des eigenen Verhaltens helfen und dadurch Gewohnheiten aufdecken. Im Idealfall ändert man sein Essverhalten, was der Schlüssel zum Erfolg ist", erklärt der Ernährungsmediziner David Fäh von der Berner Fachhochschule.

Ob Nutzer ihr Gewicht halten, ist unklar

Trotzdem steht er den digitalen Helfern kritisch gegenüber: "Man sollte die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Es fehlen Langzeitstudien, die belegen, dass Nutzer ihr Gewicht mithilfe von Apps dauerhaft über mehrere Jahre reduzieren."

Wer abnehmen will, muss für eine negative Energiebilanz sorgen und hat dafür die zwei altbekannten Stellschrauben: Kalorienzufuhr einschränken und Kalorienbedarf erhöhen – Apps helfen das Ess- und Bewegungsverhalten zu visualisieren, und auch die sinkende Gewichtskurve kann motivierend sein. Die eigentliche Herausforderung kommt aber nach dem Abnehmen.

"Über alle Studien hinweg schaffen es nur wenige Menschen, ihr Wunschgewicht dauerhaft zu halten", sagt Fäh. Das liegt vor allem an unserem genetisch tief verankerten Überlebensprogramm, das den Menschen fett- und zuckerhaltige Kost lieben lässt.

Aus gutem Grund: Die längste Zeit unserer Stammesgeschichte war Nahrung ein knappes Gut. Einer kontinuierlichen Kalorienflut, wie in den Industrieländern heute, haben wir hingegen nicht viel entgegenzusetzen. "Viele sind bereit, Einschränkungen für einen begrenzten Zeitraum hinzunehmen, aber danach fallen sie in die gleichen Verhaltensmuster zurück, und das Gewicht steigt wie von einem Gummiband gezogen wieder an", so Fäh.

Psychologische Ursachen hinter Übergewicht erkennen

Viel braucht es dazu nicht: Täglich rund 500 Kilokalorien mehr als nötig, also eine Tafel Schokolade oder 150 Gramm Gummibärchen, sorgen nach einer Woche für ein Kilo mehr auf der Waage. Auch Michaela hat fünf von zehn Kilo wieder zugenommen: "Die App bringt einem das richtige Essverhalten zwar bei. Aber hier und da nascht man eben doch oder trinkt in geselliger Runde ein Glas Wein mehr, als gut wäre."

Das Projekt I-GENDO, eine Kooperationsstudie der Universität Bamberg und des Universitätsklinikums Bochum, verfolgt einen anderen Ansatz: Die gleichnamige App soll die Effektivität herkömmlicher Abnehmprogramme erhöhen, indem sich die Studienteilnehmer mit den psychologischen Ursachen ihres Übergewichts auseinandersetzen. "Manche Menschen essen, wenn sie traurig sind oder sich gestresst fühlen. Wir wollen herausfinden, ob Menschen ihr Essverhalten besser ändern können, wenn sie diese psychologischen Mechanismen kennen", erklärt die Psychologin Caroline van der Velde.

Die Wissenschafter interessiert außerdem, wie man Männer und Frauen am besten erreicht: "Die App bietet unterschiedliche, gendersensible Informationen an, also eher weibliche oder männlich orientierte Inhalte, und die Teilnehmer können daraus wählen." Mit Ergebnissen ist erst 2021 zu rechnen, aber das Angebot sei auf riesiges Interesse gestoßen.

Je einfacher die Regel, desto leichter kann sie eingehalten werden

Eines betonen alle Experten: Auch eine App ist kein Wundermittel. Es reicht nicht, sie auf das Handy zu laden, man muss sie aktiv nutzen. Wie lange sich die Motivation dazu aufrechterhalten lässt, ist noch unklar. Krankenkassen wie etwa Helsana setzen auf zusätzliche Anreize: Nutzer der "Helsana Coach App" bekommen im Rahmen des Bonusprogramms Punkte gutgeschrieben. Wer mit seinem Gewicht kämpft, hat sehr wahrscheinlich ein Leben lang damit zu tun und muss Langzeitstrategien entwickeln.

"Bewegung, Intervallfasten, Gewichtskontrolle – das kann individuell ganz unterschiedlich sein, aber je einfacher die Regel, desto einfacher das Einhalten", betont Fäh, der einen Schrittzähler nutzt, um auf ausreichend Bewegung zu achten, und einen Rat hat: "Bescheiden bleiben und sich realistische Ziele setzen, dann ist dauerhafter Erfolg wahrscheinlicher."

Wie erkenne ich seriöse Apps?

Die derzeitige Flut an Angeboten macht es Nutzern schwer, sich für eine App zu entscheiden. Grundsätzlich sollte eine App technisch gut funktionieren, und die Empfehlungen sollten wissenschaftlich fundiert sein. Bei seriösen kommerziellen sowie wissenschaftlichen Apps können Nutzerinnen und Nutzer auf der Homepage nachschlagen, auf welcher Grundlage die Empfehlungen basieren und ob die Wirksamkeit anhand von unabhängigen Untersuchungen getestet wurde.

Ziel definieren: Wobei soll die App mich unterstützen? Welche Funktionen (Verbindung mit Sportuhr, Social Media, Rezeptideen etc.) soll sie haben? Design: Viele Apps nutzen ähnliche Strategien, weswegen man eine App wählen sollte, die einen persönlich anspricht und motiviert. Kosten: Oft sind Apps in der Grundversion kostenlos. Die Bezahl-Versionen bieten zusätzliche Optionen, etwa mehr Rezepte oder Zugang zu einer virtuellen Gruppe.

Reine kostenlose Programme finanzieren sich häufig über Werbung oder Datenverkauf. Seriöse Apps erkennt man anhand folgender Merkmale:

- Im Impressum der App sind alle Kontaktdaten genannt.

- Medizinische Experten sind namentlich genannt.

- Medizinische Quellen sind mit Datum versehen.

- Der Anbieter legt offen, wie er die Daten nutzt. Nutzt er sie anonymisiert für Forschungszwecke, muss der Nutzer die Möglichkeit der Ablehnung haben.

- Der Anbieter klärt auf, wofür er die Berechtigungen verwendet.

- Der Anbieter weist darauf hin, dass eine Gesundheits-App den Arzt nicht ersetzen kann. (Juliette Irmer, 1.5.2021)