Für die Neos in Oberösterreich ist die Ausgangslage für die nahende Landtagswahl nach dem internen Desaster denkbar schlecht.

Rechte: APA/BARBARA GINDL

Linz – Eigentlich sollte für Lorenz Potocnik, Fraktionschef der Linzer Neos, heute – Samstag – mit der Kür zum Spitzenkandidaten für die heurige Gemeinderatswahl im Kunstmuseum Lentos die pinke Stunde schlagen. Doch am späten Freitagabend überschlugen sich dann die Ereignisse: Nach einer mehrstündigen Sitzung des Bundesvorstandes in Wien verkündete Neos-Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik in einem internen Schreiben, dass Lorenz Potocnik aus der Partei ausgeschlossen wird. Ebenfalls gehen muss die Linzer Gemeinderätin Elisabeth Leitner-Rauchdobler.

Finanzielle Unregelmäßigkeiten

Der Grund für den Rauswurf von Potocnik ist durchaus heikel: Ein STANDARD-Bericht förderte nämlich grobe Ungereimtheiten auf finanzieller Ebene zu Tage. Ein Vergleich der vorliegenden Kontoauszüge der letzten fünf Jahre mit der dazugehörigen Transparenzdatenbank der Linzer Neos zeigt offenbarte Diskrepanzen zwischen Bank- und Transparenzkonto hinsichtlich der Ausgaben in einer Höhe von mehreren tausend Euro. 2019 wurde überhaupt drei Monate lang vergessen, die Transparenzdatenbank zu füllen.

Sanktus vom Rechnungsprüfer

Laut Unterlagen der vergangenen fünf Jahre wurde offensichtlich nur ein Jahr vollständig und richtig abgerechnet. Was aber einer offiziellen Freigabe durch einen Rechnungsprüfer nicht im Wege stand: Zweimal prüfte dieser in den fünf Jahren das finanzielle Gebaren der Linzer Neos, mit folgendem Ergebnis: "Ich bestätige, dass die Gelder der GR-Fraktion in den Jahren 2017, 2018, 2019 für den Zweck der Mitwirkung an der politischen Willensbildung verwendet worden sind. Darüber hinaus sind die Daten auf der Transparenzdatenbank von Neos einsehbar, womit unserem Statut Rechnung getragen wird."

Büro-Zuschüsse

Gestolpert ist man bei der Prüfung übrigens auch über Zahlungen, die durchaus einer näheren Erklärung bedürfen würden. So findet sich am 4. Oktober 2018 folgende Kontobewegung: AREV/TFL bezüglich Miete Tabakfabrik Linz (Jänner bis Juli 2018, 2.214,91 Euro und 48,71 Euro Betriebskosten) mit dem Verwendungszweck "obj nr 1501 Lorenz Potocnik". Bei dem Objekt handelt es sich um das private Büro des pinken Fraktionsobmanns. Die Linzer Neos-Fraktion verfügt übrigens seit Anfang 2016 über ein eigenes Fraktionsbüro im Rathaus.

Auffallend auch die Nähe zu einschlägigen Medien. So finden sich mehrere Überweisungen an das Stadtmagazin "Linza": 28. Februar 2020 – 1.247,40 Euro/Linza "Redaktionelle Werbung" Regiopole Linz OÖ. Im "Linza" selbst erscheint dann ein nicht als Werbung gekennzeichneter redaktioneller Beitrag rund um Lorenz Potocnik unter dem Titel "Gemeindegrenzen überwinden". Ebenso am 28. Juli 2020: 1.247,40 Euro mit Verwendungszweck "Linza 22, Saubermacher" – es erscheint ein Interview mit Potocnik.

Geld für Bürgerinitiativen

Ein gewisses Naheverhältnis pflegte man in den vergangenen Jahren auch zu diversen Bürgerinitiativen. Mehrmals wurden diese mit Geld vom Fraktionskonto bedacht. So gingen etwa 3.500 Euro an Renate Ortner von der Bürgerinitiative "Linzer Grüngürtel". Ortner kandiert jetzt übrigens für die Linzer Neos. Weiters gingen etwa 3.000 Euro an "Kein Transit Linz" und mehrfach Zahlungen an "Rettet den Pichlinger See". Was Potocnik übrigens einmal in einer Anfrage des LASK klar bestritt: "Finanzielle Zuwendungen gibt es vonseiten der Fraktion keine." Auch vonseiten der Bürgerinitiativen hüllte man sich gerne in Schweigen: Eine Nachfrage einer Journalistin anlässlich einer Pressekonferenz mit Vertretern der Bürgerinitiativen im Februar, ob man Geld der Linzer Neos erhalten habe, wurde klar verneint.

Schaden für die Partei

Eine eiligst einberufene Taskforce beschäftigte sich nun gut eine Woche mit den massiven Vorwürfen – und kam offensichtlich zu einem eindeutigen Schluss. "Einzelne im Bericht der Taskforce aufgezeigte Sachverhalte sind geeignet, das Ansehen der Partei zu schädigen", heißt in dem internen Schreiben, in dem der Rauswurf Potocniks begründet wird.

Leitner-Rauchdobler war bereits von einer Kandidatur bei der Vorwahl für die Gemeinderatswahlen ausgeschlossen worden, nachdem sie eine Klage wegen Rufschädigung gegen Fraktionskollegin Olga Lackner anstrebte. Nun folgte der finale Rauswurf, "weil sie Informationen über vermeintliche oder echte finanzielle Verfehlungen im Rahmen der Linzer Gemeinderatsfraktion nicht umgehend und im Detail an den Vorstand weitergeleitet hat, was eine raschere interne Aufklärung ermöglicht hätte". (Markus Rohrhofer; 20. 03. 2021)