Seit Donald Trump das Weiße Haus verlassen hat, haben QAnon-Anhänger es nicht sonderlich leicht mit ihrer Weltanschauung. So hatten sie bis zuletzt gehofft, dass die Wahlniederlage des Ex-Präsidenten bloß eine Scharade war und der republikanische Kandidat nach kurzer Zeit wieder zurück ins Weiße Haus ziehen würde. Dann sollte er auch gegen den im Verschwörungsmythos propagierten Kult der Kabale hart durchreifen, bei dem es sich um Kinderblut-trinkende Satanisten handeln soll. So wild lauten zumindest die Erzählungen, die auf Plattformen wie Telegram verbreitet werden.

Bekanntermaßen ging der Plan nicht auf, und somit finden nun neue Bewegungen Zulauf durch desillusionierte QAnon-Anhänger – allen voran eine Gruppe namens Sabmyk Network, deren Wurzeln auf den deutschen Künstler Sebastian Bieniek und die in Deutschland lebende Künstlerin Ameli Achaemenes zurückgehen sollen. Bei letzterer ist jedoch nicht klar identifizierbar, ob es sich um eine reale Person oder eine Kunstfigur handelt.

Mit Qanon-Themen auf Mitgliederfang

Laut Berichten von The Guardian und Newsweek ist auch das Sabmyk Network – ähnlich wie QAnon – ein Fundus an verschiedenen Verschwörungserzählungen, der mythologische Elemente mit dem Glauben an eine messianische Figur vereint. Unter den von QAnon übergelaufenen Anhängern finden sich auch hier Coronamasken-Speptiker, Impfgegner und der Glauben, dass die US-Wahl 2020 manipuliert worden sei.

Seit der "Erwachung" der Bewegung – als Datum dafür wird der 21. Dezember 2020 genannt – wurden laut Artikel des Guardian 136 Kanäle auf diversen Netzwerken ins Leben gerufen, die sich in englischer, deutscher, italienischer, japanischer und koreanischer Sprache über verschiedene soziale Netzwerke verbreiten.

Zwar haben Unternehmen wie Facebook laut einem Bericht von Newsweek bereits begonnen, die verschiedenen Gruppen und Seiten zu blockieren. Wie auch bei QAnon und anderen Bewegungen dieser Art weichen die Initiatoren aber auf andere Kanäle, etwa auf Telegram, aus.

Prinzessin Ameli Achaemenes und das Shawunawaz

Ergänzend zum gefährlichen Material der Coronaskeptiker und Impfgegner setzt auch das Sabmyk Network auf mythologische Elemente, wie die britische Watchdog-NGO Hope Not Hate in einem Blogbeitrag darlegt. Im Zentrum der Erzählungen steht dabei die iranischstämmige, in Berlin lebende Prinzessin Ameli Achaemenes.

Auf ihrer eigenen Website bezeichnet sich Achaemenes als "Künstlerin, Feministin und Friedensaktivistin". Phantasievoll wird es dann unter dem Menüpunkt "Abstammung": Dort steht geschrieben, dass sie von einem persischen Königshaus abstamme, welches wiederum seine Wurzeln auf den Halbgott Perseus zurückführe.

Unter dem Menüpunkt "Shawunawaz" wiederum wird der für Verschwörungsmythen gerne herbeigezogene Investor und Milliardär George Soros ins Spiel gebracht. Dieser soll im Jahr 1992 eine große Geldmenge für eine Nacht mit ihr geboten und ihr außerdem das "Shawunawaz" angeboten haben: Ein mystisches Schwert, das zu Achaemenes Vorfahren gehört haben soll. Mit dem auch als "Schwert der Schwerter" betitelten Objekt wird auch eine Verbindung zum flammenden Schwert des Erzengel Michael bei der Vertreibung Evas uns Adams aus dem Paradies gezogen.

Abschließend heißt es dazu: "Da Ameli Achaemenes allerdings eine erklärte Pazifistin ist, hat sie (nach eigenen Angaben) das wertvolle Schwert zerstört, indem sie es in kleine Stückchen schneiden ließ, die sie in Kapseln verpackt an ihre Gemälde befestigt, und so über die ganze Welt zerstreut, auf das es nie wieder zusammengesetzt und nie wieder Blut damit vergossen werden kann." Wie praktisch: Die Gemälde werden unter anderem über den Twitter-Account der Künstlerin beworben.

Auch vermeintliche Zeichnungen des angeblichen Schwertes durch berühmte Künstler wie Pablo Picasso werden durch diesen und andere Accounts verbreitet – bei allen handelt es sich laut Hope Not Hate jedoch um Fälschungen.

Auch äußert die NGO die Vermutung, dass es sich bei Achaemenes um eine fiktive Persönlichkeit handeln könnte. Denn außer dem Bild einer komplett verschleierten Frau seien keine Aufnahmen durch Dritte von Achaemenes auffindbar.

Sebastian Bieniek und der Messias namens Sabmyk

Ende 2020, also zum Zeitpunkt der "Erwachung", wurde die Erzählung rund um die Prinzessin und das Schwert und jene eines Erlösers namens Sabmyk erweitert, welcher zum Herrscher über die Herde berufen werden soll.

Auf Telegram seien manche dieser Postings über 200.000 Mal angesehen worden, heißt es von Hope not Hate. Zudem heißt es, dass die Postings nun zunehmend militaristisch werden: Manche der Accounts bezeichnen sich als einen der "zwölf Generäle unter Sabmyk" und rufen zu Angriffen auf politische Entscheider auf.

Einem Bericht des Guardian zufolge soll Hope not Hate wiederum den Drahtzieher hinter Sabmyk ausfindig gemacht haben: Die Spur führe zum deutschen Künstler Sebastian Bieniek, heißt es. Dieser habe schon zuvor die Entwicklung auf sozialen Medien manipuliert. Im Jahr 2011 hatte er mit "Real Fake" auch ein Buch zu eben diesem Thema veröffentlicht.

Die NGO will Bieniek über eine im Netzwerk verbreite Verschwörungserzählung identifiziert haben. Demnach heißt es in einem Posting, dass der angebliche Messias über "17 V-förmige Narben" identifiziert werden könne, die er aus einer "prophetischen Zeremonie im Alter von 24 Jahren" davon getragen habe. In einer mittlerweile gelöschten Passage auf Bienieks Website verwies dieser darauf, dass er 1999, im Alter von 24 Jahren, an 16 aufeinanderfolgenden Tagen V-förmige Wunden in seinen Arm geschnitten habe.

Bieniek hatte schon zuvor zahlreiche falsche Identitäten erstellt, der ihn beschreibende Wikpedia-Eintrag ist mehrmals gelöscht worden. Ist die Prinzessin also eine weitere dieser falschen Identitäten? Und handelt es sich hier gar nicht um eine Verschwörung, sondern um ein Kunstprojekt? Hope not Hate möchte am Montag einen detaillierten Bericht zu diesem Thema vorlegen. Sebastian Bieniek hat sich zu dieser Causa noch nicht öffentlich geäußert, wurde vom STANDARD jedoch für ein Interview angefragt. (Stefan Mey, 21.3.2021)

Hinweis im Sinne der Transparenz: Dieser Artikel wurde nachträglich adaptiert, da sich Sebastian Bieniek inzwischen öffentlich als Urheber des Kunstprojekts bekannt hat und Wert auf die Feststellung legt, keine ideologische Überschneidung mit QAnon zu haben.

Update, 28.3.2024: Auf Wunsch von Sebastian Bieniek wurden seine Bilder aus dem Artikel entfernt.