William Shatner in seiner Lebensrolle als Captain James T. Kirk auf dem Chefsessel der Enterprise. Heute wird er 90 Jahre alt.

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Man kann es sich gar nicht mehr vorstellen. Doch terrestrisches Fernsehen war einmal richtig wichtig. So sehr, dass über eine Million Briefe bei der US-Sendeanstalt NBC eingingen, um den Fortbestand der Serie Star Trek (zu Deutsch: Raumschiff Enterprise) zu sichern, die nach zwei Staffeln hätte abgesetzt werden sollen. Eine Million Einsprüche zwangen NBC jedoch in die Knie.

Schließlich wurden zwischen 1966 und 1969 ganze 79 Folgen gedreht, die einen bis heute anhaltenden Kult begründeten. Im Zentrum dieser Geschichten aus den unendlichen Weiten des Weltalls stand Captain James T. Kirk als Kommandant des Raumschiffs Enterprise. Sein Darsteller wurde ein Star: William Shatner, der heute seinen 90. Geburtstag feiert.

Geboren am 22. März 1931 in Montreal in Kanada, kam er schon als Kind mit Schauspielerei in Kontakt und stand später in Shakespeare-Inszenierungen auf der Bühne. Mit Mitte 20 ging er nach New York; seine erste Hauptrolle im Kino gab ihm Regisseur Roger Corman. Der drehte 1962 das Südstaatendrama The Intruder, in dem Shatner, ein wenig übersteuert, den rassistischen Agitator Adam Cramer gab.

Fünf Jahre durchs All

Doch Shatners Jahr sollte 1966 werden. Damals übernahm er nach einer Pilotfolge die Rolle des James "Jim" Tiberius Kirk in der nach Gene Roddenberrys Vorlage gedrehten Serie Star Trek. Mit dem Optimismus und Pioniergeist eines All-American-Boys führte er eine internationale Crew im Jahr 2200 auf der USS Enterprise fünf Jahre lang auf Forschungsreise durchs Weltall.

Während auf Erden der Kalte Krieg und der heiße in Vietnam herrschten, versahen auf der Enterprise Russen, Asiaten und Schwarze ganz selbstverständlich miteinander Dienst. Mit Spock war sogar ein Außerirdischer an Bord, der fasziniert dagegenhielt, wenn Kirk zu sehr auf sein Bauchgefühl hörte.

Anders als das Drehbuch es oft vorsah, waren Shatner und Leonard Nimoy (Spock) im richtigen Leben richtige Freunde.
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Shatners Verkörperung als kumpelhafter Chef eines utopischen Mikrouniversums der überwundenen Vorurteile entsprach dem Zeitgeist – wiewohl lange Haare im All nicht en vogue waren. Dafür körperbetonte Uniformen. Was heute wirkt wie eine Pyjamaparty von Erwachsenen, begeisterte damals die Welt, die Idee des Beamens als CO2-neutrale Reisemethode war so far out wie die Destinationen der Enterprise.

Ein verwegener Kuss

Als Kirk küsste Shatner 1968 die schwarze Schauspielerin Nichelle Nichols, die auf der Enterprise Lieutenant Uhura verkörperte, und sorgte für einen Skandal. Derlei Gesten stießen Rassisten selbst noch aus fernen Galaxien sauer auf.

William Shatner heute.
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Kirk und die Crew wurden Stars der Popkultur. Trotz diverser Querelen unter den Darstellern begründeten sie den bis heute anhaltenden Star Trek-Kult, der sich in weiterführenden Serien und Blockbusterfilmen, Büchern, Games und vielen anderen Facetten der Verwertungsindustrie niederschlägt.

Shatners Wesen wirkte in vielem deckungsgleich mit Kirk: ein aufgeklärter, ironiefähiger Typ, der trotz des Erfolgs Anfang der 1970er in einem Pick-up gehaust haben soll und sich bei den ersten Star Trek -Conventions Anfang der 1970er vor tausenden Nerds als Star auf Augenhöhe erwies.

Von Pulp zu Henry Rollins

1968 veröffentlichte er das Album The Transformed Man, auf dem er spacige Songs mit Sprechgesang begleitete. Seine Deutung von Lucy In The Sky With Diamonds wurde als schlechteste Interpretation dieses Beatles-Liedes eingestuft – man möchte nicht widersprechen. 2004 parlierte er sich auf dem Album Has Been durch Songs wie Common People von Pulp oder duettierte sich mit Punkrocker Henry Rollins, mit dem er befreundet ist. Und im Vorjahr, mit rüstigen 89, veröffentlichte er ein Blues-Album.

Dauerwelle im All

Im Zuge des Welterfolgs von Star Wars (1977) erschien 1979 der erste Star Trek-Kino Film, in sechs davon war Shatner zu sehen – zusehends stattlicher werdend und bisweilen dauergewellt, was auf Kosten der schnittigen Eleganz des Originals ging. In den 1980ern gab er die Hauptrolle in der Polizeiserie T. J. Hooker, in den 1990ern durchschritt er Niederungen wie Loaded Weapon 1, in den Nullerjahren glänzte er in der Anwaltsserie Boston Legal.

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Der Dominanz seines Über-Ichs vermochte er sich in vielen Rollen nicht zu entziehen, nicht wenige Auftritte kokettieren mit seiner Prominenz als Captain Kirk.

Viermal war er verheiratet und dreimal geschieden, seine dritte Frau, Nerine Shatner, ertrank alkoholkrank 1999 im Pool, 2020 ließ er sich von Elizabeth Anderson Martin scheiden.

Sorge um die Erde

Shatner gilt als unterhaltsamer Philanthrop. Er lebt in Kalifornien und besitzt eine Ranch in Kentucky. Er züchtet Pferde und engagiert sich seit Jahrzehnten für Tier- und Klimaschutz. Beim letztgenannten Thema befürchtet er, dass die Menschheit das reale Jahr 2200 nicht in jenem Zustand erleben wird, in dem Kirk und seine Mannschaft so hoffnungsfroh ins Ungewisse aufbrachen. Es gelte alles zu tun, um den Klimawandel aufzuhalten, sagt Shatner in vielen Interviews. Wir restlichen Erdlinge sollten auf den Captain hören. (Karl Fluch, 22.3.2021)