Andreas Mölzer verteidigt in "Zur Zeit" "diese alten, weißen Männer".

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Die meisten Ethikverstöße musste der Presserat bei den Fellner-Medien feststellen, war Mittwoch in diesem Blatt zu lesen. Dazu passt, dass der Bundeskanzler Donnerstag in "Österreich" abgebildet war, wie er im traulich maskenlos geführten Gespräch mit besagtem Fellner die ethisch höchst riskante Prophezeiung ablieferte: "Im Sommer kehren wir zu einem normalen Leben zurück." Er hat den Österreichern schon einmal Licht am Ende des Tunnels verheißen, doch der Hoffnungsschimmer, dessen Verbreitung Geduld mit seinem Regierungsstil erzeugen soll, wird mit dem Getue um den Impfpass nicht strahlender. Unethisch.

Auch ohne solche Versprechen ist das Leben hart genug, nicht zuletzt für Junge. Warum das so ist, wurde Mittwoch schlüssig in der "Presse"-Kolumne von Karl-Peter Schwarz erklärt: Die Jungen von heute leiden zu wenig. Schwarz beruft sich auf den Artikel einer britischen Online-Journalistin, die sich fragte, warum die Generation der ab 1997 Geborenen "die Traurigsten, Einsamsten und psychisch Fragilsten" in einer Welt sind, in der es ihnen nach allen objektiven Maßstäben so gut gehe wie keiner Generation zuvor.

Multimillionär, Sklavenhalter

Ohne dass diese Prämissen auf ihre Richtigkeit hinterfragt werden, stützt sich die Journalistin auf einige abgestorbene Geistesgrößen. Die Menschen seien nicht für ein unbeschwertes Leben geschaffen, nicht die Not schade ihnen, sondern wie sie sich zu ihr verhielten. "Schwierigkeiten stärken den Geist, wie die Arbeit den Körper", lehrte schon Seneca. Der Mann war nach heutigen Begriffen Multimillionär, Sklavenhalter, der mit körperlicher Arbeit nicht in Berührung kam und dessen Geist nicht stark genug war, sich auszudenken, wie man endet, wenn man sich an einen Typen wie Nero bindet.

Sehr zum Beifall von Schwarz hält die Journalistin Leiden für eine "Voraussetzung des Wachstums, es nötigt zur Selbstreflexion, zur Veränderung und zur Transzendenz: Esgeht der Auferstehung voraus, es zieht uns hinab, bevor es uns als weisere, bewusstere Versionen unseres Selbst wiederbelebt. Es ist unvermeidlich, natürlich, sogar wünschenswert." Jungen, die vielleicht weniger mit der Auferstehung liebäugeln, gibt die Seelenklempnerin noch mit auf den Weg: "Während aber Leiden Sinn und Zweck hat, liefert uns endlose Glückseligkeit dem Unglück aus."

Den Alten geht's auch nicht gut

Der Gefahr endloser Glückseligkeit dürften Menschen, die mit Klimakatastrophe, prekärer Beschäftigung oder gar Arbeitslosigkeit, sozialer Ungerechtigkeit, aktuell mit einer Pandemie konfrontiert sind, locker ausweichen. "Zum ersten Mal in der Geschichte kommt ein beträchtlicher Teil unseres Elends nicht von einem Übermaß, sondern von einem Mangel an Leid", fordert die heitere Geschichtsphilosophin mehr Masochismus. Und der "Presse"-Kolumnist bringt es redaktionsgerecht auf den Punkt: Begann es damit, dass die Babyboomer die individuelle Verantwortung an den Sozialstaat delegierten und sich in seinem Labyrinth verirrten? Das wird es sein.

Aber den Alten geht ’s auch nicht gut, besonders nicht denen in der Lebensform alter weißer Mann. Dass wir diese alten, weißen Männer waren, die über Jahrtausende der Menschheitsgeschichte ihre Familien beschützt haben, für sie gearbeitet und gekämpft haben man wird uns keine Träne nachweinen, jammert Andreas Mölzer diese Woche im Magazin für alte weiße Männer "Zur Zeit". Dass wir, diese alten, weißen Männer, es waren, die den Frauen in den Mantel geholfen und die Tür aufgehalten haben. Danke, mein Held! Dass wir ihnen das Feuer für die Zigaretten gegeben, sie mit Geschenken und Schmuck überhäuft haben. Dass wir die Dreckarbeit gemacht haben, die Bäume gefällt, die Äcker gepflügt und die Kohlen geschaufelt haben.

Zwangs-Matriarchat und Samenbanken

Aber reicher Lohn wird die alten weißen Männer für all diese Strapazen entschädigen. Wie man mittels Zwangs-Matriarchat eine völlig gewaltfreie Gesellschaft herstellt, wie digitalisierte Samenbanken den einstigen Familienvater überflüssig machen und wie metrosexuelle Mischwesen sich dem schrankenlosen Hedonismus hingeben – wir alten, weißen Männer müssen all das – Gottlob – nicht mitmachen und nicht erleben.

Die Jungen, wenn sie nicht ihre individuelle Verantwortung an den Sozialstaat delegieren und sich in seinem Labyrinth verirren, können nach dem Leid ihrer Frühzeit das Leben zwischen digitalisierten Samenbanken und metrosexuellen Mischwesen, dem schrankenlosen Hedonismus hingegeben, in Saus und Braus, genießen. Sie müssen dann nur alte, weiße Männer sein. (Günter Traxler, 20.3.2021)