Bei dem Prozessfinanzierer Advofin meldeten sich in Österreich etwa 1.500 Spieler mit Verlusten von 35 Millionen Euro – was wohl nur die Spitze des Eisbergs darstellt.
Foto: APA/AFP/ERIC BARADAT

Ob Mr. Green oder Wunderino – in der TV-Werbung sind Anbieter von Online-Kasinos mit auffallenden Spots präsent. Denn auch die Glücksspielbranche hat sich in der Corona-Krise weitgehend ins Internet verlagert. Was die Anbieter, die ihren Sitz in Malta oder Gibraltar haben, nicht dazusagen: Ihr Angebot ist in Österreich und weiten Teilen Deutschlands ohne Lizenz nicht legal. Spieler können daher erlittene Verluste einklagen – wovon immer mehr Betroffene Gebrauch machen.

Angeboten wird dies etwa von dem Wiener Prozessfinanzierer Advofin, bei dem sich 1.500 Online-Glücksspieler gemeldet haben. Der Streitwert beträgt derzeit etwa 35 Millionen Euro, wobei der Zulauf ungebrochen ist. "Pro Woche kommen in Österreich 20 bis 30 weitere hinzu", sagt Geschäftsführer Gerhard Wüest. Seiner Ansicht nach ist dies nur die Spitze des Eisbergs, er geht davon aus, dass sich erst ein Bruchteil der tatsächlich Betroffenen bezüglich einer Klage gemeldet habe.

In der Schuldenspirale

Das legen auch die Daten nahe, die Christoph Lösch vorliegen. Er ist Geschäftsführer der Schuldnerberatung Steiermark mit einem speziellen Beratungsangebot für in finanzielle Nöte geratene Spieler – und davon gibt es reichlich. "Es ist eine Sucht", sagt Lösch, "und diese Leute haben ganz besondere Probleme, weil Geld das Suchtmittel ist." Er geht davon aus, dass etwa ein Prozent der Bevölkerung "pathologische Glücksspieler" sind. Diese geraten oft in eine Schuldenspirale, sodass deren Anteil an überschuldeten Privatpersonen etwa fünf Prozent beträgt.

"Diese Leute stehen unter ganz besonderem Druck", erklärt Lösch. Er berichtet von Betroffenen, die sich Geld ausborgen würden, um damit in der Hoffnung zu spielen, dann die Miete zahlen zu können. "Sie sind sehr geschickt und haben gute Strategien, wie sie irgendwie an Geld kommen können", erklärt der Schuldnerberater. Womit die finanziellen Probleme aber weiter zunehmen. "Es sind oft sehr, sehr hohe Schulden", sagt Lösch, "bei den Spitzenwerten kann es in die Hunderttausende gehen."

Gestiegene Spieleinsätze

Advofin-Chef Wüest berichtet, dass viele Betroffene in der Corona-Krise ihre Spieleinsätze sogar erhöht hätten, geschätzt um etwa 30 Prozent. Bisher seien mehr als zwei verspielte Millionen Euro der Spitzenwert unter seinen Mandanten. "Es hat keine Logik", sagt Wüest, "es ist eine Sucht."

Die rechtliche Lage ist für ihn klar: Die Online-Anbieter würden sich zwar hinter der EU-Dienstleistungsfreiheit verschanzen, die bisherige Judikatur sei aber zu anderen Erkenntnissen gekommen. Dem Europäischen Gerichtshof zufolge können nationale Glücksspielgesetze die Dienstleistungsfreiheit einschränken, wenn sie zum Spielerschutz beitragen – was laut dem Obersten Gerichtshof in Österreich gegeben ist. Die Folge ist ein Glücksspielmonopol, bei dem die Casinos Austria mit der Plattform Win2day über die einzige Online-Lizenz verfügen.

Blockieren von Anbietern

Etwa 40 Verfahren konnte Advofin bisher abschließen. Die Kasinobetreiber mussten insgesamt etwa 1,5 Millionen Euro an Spieler zurückzahlen. Zuletzt konnte Advofin auch das erste Urteil in Deutschland zugunsten eines Spielers erwirken, der 12.000 Euro an verlorenen Einsätzen erhalten soll. Dort ist in fast allen Bundesländern Online-Glücksspiel grundsätzlich nicht erlaubt, was die Anbieter bis zu einer Neuregelung im Sommer mit selbstauferlegten Spielerschutzregeln überdauern wollen – also bloß geringe Einsätze und nur alle fünf Sekunden ein neues Spiel. Dem Vernehmen nach sollen daraufhin viele Spieler zu Nicht-EU-Anbietern gewechselt haben. Dort seien aber auch erlittene Verluste kaum einzuklagen.

Diese Lücke soll in Österreich eine Novelle des Glücksspielgesetzes schließen. Darin ist etwa das Blocken der IP-Adressen lizenzloser Online-Anbieter vorgesehen. "Das halte ich für sehr effizient", sagt Konsumentenschützerin Gabriele Zgubic von der Arbeiterkammer. "Das wird dem Spielerschutz sehr helfen, weil sich das meiste ins Netz verlagert." (Alexander Hahn, 22.3.2021)