Vergangenen Freitag schien es, als sei die schwere Vertrauenskrise in der türkis-grünen Koalition wegen der Versäumnisse beim Impfstoffeinkauf überstanden. Kanzler Sebastian Kurz, der diese eine Woche davor selbst ausgelöst hatte, legte für den grünen Gesundheitsminister seine Hand ins Feuer: Rudolf Anschober sei von Beamten seines Ressorts nicht ausreichend informiert worden, erklärte Kurz, und er glaube ihm das auch.

Rudolf Anschober hat sich zum Problemminister geredet. Zweifel kommen auf, ob das Gesundheitsministerium die Krise professionell managen kann.
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Ein Spitzenbeamter im Gesundheitsressort wurde degradiert. Der Kanzler will beim EU-Gipfel nun dafür kämpfen, dass Österreichs Fehler bei der Beschaffung von den EU-Partnern amikal und fair korrigiert werden. Die Affäre sollte ausgesessen werden. Man hat genug zu tun, weil das Land gerade voll von der dritten Infektionswelle getroffen wird.

Der Vergessenmachensversuch überlebte keine 24 Stunden. Am Samstag gab der Gesundheitsminister dem Mittagsjournal des ORF ein Interview. Einige Aussagen Anschobers dabei waren so gestrickt, dass nicht bloß Zweifel an bisherigen Darstellungen der Regierungsspitze gefährlich angefeuert wurden.

Kein Zufall

Es stellen sich dazu ganz grundsätzlich ernsthafte Fragen, ob das Gesundheitsministerium als solches überhaupt in der Lage ist, die Corona-Krise professionell zu managen. Die vielen juristisch verpatzten Verordnungen bisher, die totale Fehleinschätzung der zweiten Infektionswelle im November 2020 waren auf dieser Baustelle wohl kein Zufall.

Politisch brisant: Man fragt sich, ob gar die Amtsfähigkeit Anschobers gewährleistet ist, wenn sich bestätigt, dass Beamte ihren Chef beim wichtigsten und brisantesten Beschaffungsakt der Republik seit dem Ankauf der Abfangjäger Eurofighter vor zwanzig Jahren bewusst derart "blöd sterben" haben lassen. Wie geht das überhaupt?

Eines ist klar: Mit dem Gesundheitszustand des Ministers, seinem Schwächeanfall vor zwei Wochen, hat das null zu tun. Anschober hat offen geklärt, dass er körperlich voll einsatzfähig ist, in persönlich sympathischer Weise, die ihm zu eigen ist. Sein Handicap ist funktional.

Aufklärungsbedarf

Anschober will bis zur Rückkehr aus dem Krankenstand nicht mitgekriegt haben, dass es in Brüssel solchen Sekundärhandel für Impfstoff überhaupt gibt. Für einen Minister ein schwerwiegendes Eingeständnis. Es zeigt, dass nicht er seine Beamten führt, sondern diese ihn beim Regieren vorführen. Fatal dazu passt sein zweites "Geständnis", wonach die Kaufverträge für Impfstoff im Ministerium in Wien zwar aufliegen, aber leider "geheim" seien, von seiner Generalsekretärin unterschrieben.

Man glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Die EU-Kommission hat mit den Pharmakonzernen 2020 nur "Vorverträge" unterzeichnet. Aber den echten Kaufvertrag mit den Firmen, den macht, unterschreibt (und zahlt) die Republik Österreich. Niemand, schon gar nicht die EU, kann Beamten verbieten, ihre Minister (und den Regierungschef) über Beschaffungsverträge zu informieren. Eine solche "Geheimhaltungspflicht" wäre absurd, egal ob es sich um angekaufte Waffen, Notebooks oder Impfstoff handelt.

Anschober hat nun verstärkt Aufklärungsbedarf. Er hat sich zum Problemminister geredet. Das Parlament muss den Vollzug der Regierung prüfen, das Gesundheitsministerium gehört auf den Kopf gestellt. Dazu sind die Fachausschüsse wie der Rechnungshofausschuss da. Transparenz ist oberstes Gebot, nur so ist Vertrauen zurückzugewinnen. (Thomas Mayer, 21.3.2021)