Die frühen gesetzlichen Regelungen zur Impfung zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren aus dem Geist des Absolutismus geboren: Der Landesvater bestimmte, was gut für seine Untertanen war. Erst das Entstehen der "physiokratischen" Politik des 18. Jahrhunderts lässt Herrscher ihr Staatsvolk als schützenswert erkennen; mit der Französischen Revolution wurde die Gesundheit zum Bürgerrecht. Statistiken erfassten die Gesundheit der Bevölkerung, Ärzte empfahlen Maßnahmen zur Verbesserung, Politiker trafen Entscheidungen nach Maßgabe des Nützlichen und für den Staat Notwendigen.

Propaganda und sanfter Druck waren in den frühen Jahren der Impfung in Mitteleuropa das Mittel der Wahl, wenn es um die Propagierung des Impfgedankens im Umgang mit den Pocken ging. Schon 1804 war in Wien die Verfassung eines Aufrufs "zur Aufmunterung für die Kuhpockenimpfung" in allen Landessprachen der Provinzen befohlen worden. Das Schreiben sollte von den Seelsorgern bei der Taufe den Eltern übergeben werden oder ihnen erklärt werden, wenn sie des Lesens unkundig waren. Aber auch Widerstand entwickelte sich schnell.

Pflichtverletzung gegen Kinder und Staat?

In vielen Teilen der Welt begannen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts große Impfkampagnen. Immer wiederkehrend sind zwei Motive: Der Vorwurf der staatlichen Instanzen, die Bevölkerung verhalte sich "fatalistisch", also dem Schicksal ergeben, und das Misstrauen der zu Impfenden gegen den Staat. Das gilt nicht nur für Europa: Die sesshaften Bauern des Niltales in Ägypten wehrten sich in den 1820er-Jahren gegen die Impfung durch die staatlichen Emissäre, denn man fürchtete, dass die Impfung nur ein Vorwand sei, um Kinder für eine spätere Einberufung als Soldaten zu markieren. Den europäischen Ärzten, die an den Kampagnen beteiligt waren, galten sie deshalb pauschal als unverbesserliche "Fatalisten", die sich dem Fortschritt verschließen würden.

Die Untertanen in den Habsburgischen Erblanden hatten sich, was die Impfung betraf, dem Staat gegenüber als ausdrücklich pflichtbewusst zu erweisen. Es sei eine "Pflichtverletzung der Eltern gegenüber ihren Kindern und dem Staat", ein so leichtes und kostenloses Vorbeugemittel zu versäumen, schrieb der Arzt und Medizinalfunktionär Joseph Pascal Ferro 1805 in einem Aufruf in der "Wiener Zeitung". Das Netz der Normungen des Impfwesens wurde ab den 1820er-Jahren immer dichter; immer neue Verordnungen regelten den Umgang mit der Vorsorge und berücksichtigten neue Erkenntnisse. Immer wieder gab es Rückschläge: So beobachteten Ärzte schon um 1820, dass der Impfschutz nach einigen Jahren nachlassen konnte. Die Diskussion über die Effektivität der Impfung wurde damit nochmals befeuert, doch schon um 1830 kann man für den deutschen Sprachraum feststellen, dass sich das Vertrauen in die Impfung zumindest im ärztlichen Establishment durchgesetzt hatte.

Karikatur von Geimpften, denen aufgrund der Kuhpockenimpfung Kühe aus dem Körper wachsen.
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Impfzwang oder Vernunft?

Sollte man die Menschen also zur Impfung verpflichten? Dagegen sträubte man sich vielerorts schon im 19. Jahrhundert, und es waren nicht nur Impfgegner, die dies ablehnten. Der einflussreiche preußische Arzt und Gesundheitspolitiker Christoph Wilhelm Hufeland (1762–1836) sprach von der Eigenverantwortung des Menschen und seiner Einsichtsfähigkeit, die zu einer allgemeinen Durchsetzung der Impfung führen sollten: "Geschieht das allgemein, so wird in wenigen Jahren die Blattern-Pest wenigstens in den kultivierten Teilen der Welt völlig ausgerottet sein." Hufelands Gedanke blieb ein frommer Wunsch; für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts schien die flächendeckende Einführung der Impfung – zumindest soweit es um das Gewinnen des Einzelnen für den Gedanken ging – überall gleich schwierig gewesen zu sein. Man könnte sagen: Sie war überall gleich unpopulär. Staaten, in denen eine starke Zentralgewalt Anordnungen treffen konnte, neigten dazu, die Impfung rasch umzusetzen, doch gerade im deutschen Sprachraum blieb das Vorgehen uneinheitlich: Bayern führte schon 1807 eine Impfpflicht ein, auch in Österreich wurde das Impfen 1836 verpflichtend, blieb es jedoch nur phasenweise. 1874 wurde im deutschen Kaiserreich eine Impfpflicht eingeführt; all diese Verpflichtungen beziehen sich auf die Pocken, die 70 Jahre nach Einführung der Kuhpockenimpfung immer noch nicht unter Kontrolle gebracht worden waren.

Längst überwunden?

Die Impfung wurde von den Menschen in Mitteleuropa bei Weitem nicht überall euphorisch angenommen. Selbst im Mutterland der Kuhpockenimpfung, in England, hatte sich die Impfung nicht widerstandslos durchsetzen können. Britische Impfgegner leisteten Mitte der 1850er-Jahre erbitterten Widerstand gegen die verpflichtende Einführung der Impfung. 1856 wurde die Frage der verpflichtenden Impfung mit Kuhpocken-Impfstoff im britischen Parlament diskutiert. In der Folge richtete das Haus selbst einige Fragen zur Sinnhaftigkeit der Kuhpockenimpfung an die gelehrte Welt der führenden europäischen Staaten. Im Jahr darauf gab es 1857 ein "Blaubuch" zur Frage der Pockenimpfung heraus, in dem die Argumente der Impfgegner mit statistischem Zahlenmaterial widerlegt wurden. Einige von der Gesellschaft der Ärzte in Wien eingereichte Zahlen bildeten dabei die breiteste Datengrundlage. Die Wiener Ärzte hielten die Sorgen der Impfgegner für längst überwunden: In England beschäftige man sich mit Vermutungen, die in Österreich "durch die bekannten Fortschritte unserer medizinischen, vorzüglich pathologischen Wissenschaft" längst überwunden seien. Auch das war, wie die Geschichte der Impfskepsis der letzten 150 Jahre zeigt, ein Trugschluss. (Marcel Chahrour, 24.3.2021)

Fortsetzung folgt.