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Foto: imago / blickwinkel

Die Klimakrise ist längst Mainstream. Eine andere, mindestens genauso große Krise verdient mehr Aufmerksamkeit: Die Vielfalt der Natur nimmt stark ab. Ob Fische, Vögel oder Insekten, viele Studien zeigen, dass die Natur unter Beschuss ist. Der Verlust an Lebensraum, intensive Landwirtschaft und extremeres Wetter durch den Klimawandel sind die Ursachen. Nun steht der Frühling an, Privilegierte mit Balkon, Terrasse oder Garten können im Kleinen gegensteuern. Ich will das probieren und meinen Balkon heuer so gestalten, dass er nicht nur für mich schön und lecker ist, sondern auch für Insekten. Das geht – und kann tatsächlich helfen.

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Eine Sandbiene auf Hornklee. Der lässt sich auch auf dem Balkon pflanzen und ist Futter für 70 Insektenarten.
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Klar ist: Um die Biodiversität im Großen zu schützen, braucht es die Politik, die der Natur wieder Platz gibt, die Landwirtschaft ökologisiert und Regenwälder und Ozeane schützt. Im Kleinen können aber auch Balkone wie meiner helfen, "als Trittsteinbiotop", sagt Paula Polak, die ein Ingenieurbüro für naturnahe Landschaftsplanung leitet. "Wenn quer über die Stadt überall Grünflächen sind, können sich Insekten kreuz und quer verbreiten und vermehren." Das sei wichtig für die genetische Vielfalt. Kleine Wildbienen würden nur 200 Meter weit fliegen, Hummeln drei Kilometer. "Darum brauchen sie grüne Innenhöfe, Balkone, Dachterrassen, um auf dem Weg Futter zu haben. Dann kommen sie weiter."

Expertinnen und Experten raten: Heimische Wildpflanzen sind für den Balkon am besten. Sie sind robust und werden von Insekten als Nahrung erkannt. An exotischen Pflanzen fliegen sie oft vorbei, obwohl sie Pollen und Nektar bieten. Wer Insekten helfen möchte, nimmt verschiedenste Pflanzen, die teilweise schon jetzt und teilweise bis in den späten Herbst blühen und damit Futter bieten. Außerdem: Nicht nur bei Käse oder Milch auf Bio setzen, sondern auch bei Pflanzen. Denn auch die Produktion der Pflanzen kann der Umwelt oft schon schaden.

Und: Finger weg von hochgezüchteten Pflanzen, die schön aussehen, aber für Insekten eine Mogelpackung sind. "Gefüllte" Pflanzen wie manche Rosen locken mit ihren dichten Blüten Insekten an, bieten ihnen dann aber weder Nektar noch Pollen. Wer sie dennoch pflanzen möchte, kann daneben etwa Wildrosen setzen, um das auszugleichen. Der wichtigste Tipp: Bei einem guten Gärtner bekommt man all das eher als beim Baumarkt, er bietet auch mehr Hilfe bei der Auswahl.

Düngen, Sonne und Wind

Denn das ist genauso wichtig: Wie viel Sonne bekommt mein Balkon? Welche Pflanzen eignen sich für den Standort? Meiner ist südwestlich ausgerichtet und bekommt viel Sonne und Wind ab. Deshalb sollte ich viel gießen und Pflanzen aus der Kategorie "sonnig-trocken" kaufen, sagt Polak. Katja Batakovic von Natur im Garten rät, keine Blumenerde mit Torf zu kaufen. Denn die Moore, aus denen der Torf kommt, sind wichtige Biotope für Tiere.

"Und Tipp Nummer eins: je größer das Gefäß, desto besser", so Batakovic. Sie empfiehlt, die Erde mit Blähton zu mischen, das lockere auf. Organische Flüssigdüngung, etwa Präparate aus Traubentrester, also Rückständen aus der Traubensaftproduktion, sei ratsam. "Da werden die Schalen, die zurückbleiben, zu Flüssigdünger gemacht."

Elisabeth Gruchmann von Grünstattgrau, einer Plattform für Bauwerksbegrünung, hält auch Insektenhotels für sinnvoll. Sie könnten vielen Insekten, etwa Wildbienen, einen Nistplatz liefern. Wildbienen leben allein, also ohne Volk. "Viele Hotels, die im Baumarkt erhältlich sind, sind nicht gut. Wenn sie nicht ordentlich verarbeitet sind, können sie kontraproduktiv sein."

Der Balkon als Beitrag zur Biodiversität: gar nicht so schwer.
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Nun ein Best-of der konkreten Tipps von drei Naturexpertinnen für meinen Balkon.

Oregano wächst und blüht bis November nach. Wer ihn also abschneidet und für die Pizza oder zum Würzen von Ofengemüse verwendet, liefert immer wieder neue Blüten. Bei mir war Schnittlauch voriges Jahr schwierig. "Der trocknet nicht gerne aus", sagt Polak. Eine Alternative für den Balkon sei Berglauch, den man auch essen könne. Petersilie sei heikel. "Alle Mittelmeerkräuter, die wir gerne essen, sind auch toll für Insekten", sagt Batakovic. Etwa Rosmarin, Koriander, Basilikum. Ein wunderbarer Magnet für Insekten sei Salbei.

Alle Beerensträucher sind super, Himbeeren, Brombeeren, Ribiseln gehen auch auf dem Balkon. Sie haben viele Blüten, "zuerst laben sich Insekten daran und danach ich mich", sagt Batakovic. Wenn die Früchte schon klein und verrunzelt sind, "dran lassen! Das essen die Vögel gerne." Für Vögel sind auch Pfaffenhütchen oder Schneeball interessant. Für Schmetterlinge bietet sich Thymian an, Ysop, die Heide-Nelke und Sonnenröschen.

Borretsch ist sehr attraktiv für Bienen, sagt Elisabeth Gruchmann. "Er produziert sehr schnell sehr viel Nektar." Im März, wenn die ersten Mauerbienen herumfliegen, könne man sie mit Traubenhyazinthen unterstützen, "das sind Frühblüher". In Wien gebe es 400 bis 500 Wildbienenarten, die bräuchten von Frühjahr bis Spätherbst Pollen und Nektar.

Die Arzneiprimel ist ebenso ein Frühblüher. Die Kartäusernelke ist wichtig für Schmetterlinge. Der Hornklee ist bei 70 heimischen Insekten beliebt, sagt Paula Polak. Manche Pflanzen sind nur für wenige, sehr spezialisierte Wildbienen interessant. Mit dem Hornklee macht man es vielen recht. Wenn der Standort extrem trocken ist, bieten sich Hauswurzen, Mauerpfeffer, Habichtskräuter an. Wenn es etwas Schatten gibt, sind Kriechgünsel und Gundelrebe gut, "die kann man auch essen", so Polak.

Mein kleines Projekt

Wann loslegen? Mit winterharten Pflanzen könne man schon jetzt anfangen, sagt Batakovic. "Mit Jungpflanzen und Gemüse, wie Paprika, Zucchini oder Gurken, erst Mitte Mai." Ich werde jedenfalls kommende Woche mit dieser Liste zum Biogärtner fahren. Für ein Insektenhotel eignet sich mein Standort leider nicht. Gruchmann ruft zum Balkongärtnern auf: "Es macht einen Unterschied, ob es einen oder zehn grüne Balkone gibt. Jede Begrünung zählt für die Biodiversität der Stadt, hilft gegen die Überhitzung und ist für das eigene Wohlbefinden super."

Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, melden Sie sich für den Newsletter an. Ich schreibe Ihnen, wenn im Rahmen der Serie ein neuer erscheint. (Andreas Sator, 28.3.2021)