Vorarlberg ist derzeit das einzige Bundesland, in dem die Gastronomie geöffnet hat. Weitere regionale Unterscheidungen gelten als wahrscheinlich.

Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Wien – Es hat mittlerweile Tradition: Montag ist Verkündungstag. Die diesmalige Entscheidung: Österreich bleibt weitgehend beim Status quo. Für die meisten Teile Österreichs gibt es weder Verschärfungen noch Lockerungen, verkündete Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Erst wenn ein Bezirk die Sieben-Tage-Inzidenz von 400 erreicht, sollen dort weitere Maßnahmen gesetzt werden, heißt es. Mit Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, wo die Corona-Lage gerade am angespanntesten ist, will das Gesundheitsministerium in einem "Ostgipfel" diese Woche über weitere Maßnahmen beraten.

In jenen Bundesländern, wo es besser aussieht, seien erst nach Ostern Öffnungsschritte denkbar. In Zukunft soll für die Bewertung der Lage nicht nur der Inzidenzwert herangezogen werden, sondern auch die Auslastung auf den Intensivstationen und die Durchimpfungsquote der über 50-Jährigen. Vorarlberg bleibt weiter weitgehend offen.

Breite Front gegen Lockerungen

Wissenschafterinnen und Wissenschafter sowie die Bundesregierung ließen schon zuvor an möglichen Lockerungen zu Ostern zweifeln. So plädierte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) angesichts der zum Teil sehr hohen Inzidenz im Vorfeld der Verhandlungen für eine regionale "Notbremse".

Auch Expertinnen und Experten sprachen sich an diesem Montag für Restriktionen und gegen Lockerungen aus. Sie plädierten für eine grundsätzliche Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken in Innenräumen, für eine weitere Testoffensive sowie in Bezug auf die Ostregion für eine Homeoffice-Verpflichtung, soweit diese umsetzbar sei, wie die APA meldete. Diese Vorschläge seien offenbar von allen Fachleuten getragen worden, andere nur von einzelnen Experten: Dazu zählt Distance-Learning nach den Osterferien. Keine Einigkeit gibt es unter den Expertinnen und Experten in Bezug auf eine mögliche erneute Schließung des Handels.

Lockerungen sollen laut Expertinnen und Experten jedenfalls nur bei einer Inzidenz von unter 200 angedacht werden. Dieser Wert wird außer in Vorarlberg noch in Kärnten und der Steiermark erzielt – allerdings nur knapp. Als Vertreter der Expertenreihe stand bei der Pressekonferenz am Montag Oswald Wagner von der Medizinischen Universität Wien an der Seite der Politiker. Er entschuldigte sich dafür, dass man der Politik keine Öffnungsschritte empfohlen hatte: "Seien Sie uns nicht böse", sagte er, "aber wir konnten nicht anders."

Tests nicht schuld an steigenden Zahlen

Die epidemiologische Lage ist in den einzelnen Bundesländern höchst unterschiedlich. Auch bei den Inzidenzen: Österreichweit liegt der Sieben-Tage-Schnitt bei 236 Fällen, am höchsten ist die Zahl mit 314 in Wien, am niedrigsten in Vorarlberg mit 62 Fällen. Die Steiermark und Kärnten liegen mit jeweils 184 Fällen im Sieben-Tage-Schnitt im Mittelfeld. Und die Fallzahlen steigen: österreichweit zwar nicht so schnell wie noch im Herbst, doch sie gehen konstant nach oben. Wie es in Unterlagen aus dem Covid-Prognose-Konsortium heißt, seien nicht die vermehrten Testungen dafür verantwortlich.

Auch in einem Papier der Corona-Kommission wurde zuletzt Vorarbeit für eine mögliche weitere Regionalisierung geleistet: So präsentierte Chief Medical Officer Katharina Reich der Kommission vergangene Woche eine sogenannte "Toolbox". Diese erinnert ein wenig an die Corona-Ampel, teilt das Land aber nicht in Bezirke, sondern in drei unterschiedlich gefährliche Regionen. Die Einstufung orientiert sich an der Sieben-Tage-Inzidenz sowie an ergänzenden Kriterien.

Demnach werden drei Klassifizierungen in Bezug auf die Bundesländer und zwei Stufen für behördliche Maßnahmen definiert. Die Möglichkeiten der Lockerungen sind an das Erreichen bestimmter Inzidenzen gebunden. Für die Osterfeiertage wurde von den Expertinnen und Experten der Kommission vorgeschlagen, für den Zeitraum von Karfreitag bis einschließlich Ostermontag Besuche mit Testungen zuzulassen – analog zur Weihnachtsregelung. Doch, so kündigte Anschober an, Lockerungen soll es zu Ostern nicht geben, da sei keine Sonderregelung geplant.

Ausbreitung der Mutationen variiert

Auch die Mutationen breiten sich in den Bundesländern unterschiedlich aus: Mit den Ausnahmen Vorarlberg und Tirol ist ansonsten schon im ganzen Land ein Großteil der Infektionen einer der drei momentan unter Beobachtung stehenden Mutationsvarianten zuzuordnen. Im Osten des Landes liegt der Anteil der britischen Virusmutation laut Anschober schon zwischen 80 und 95 Prozent aller Fälle.

Die Ampelkommission warnt außerdem davor, dass bald einzelne Bundesländer an die Auslastungsgrenze ihrer Intensivbetten stoßen könnten. Sie empfiehlt daher, dass ein Gremium der Intensivkoordinatoren und -koordinatorinnen eingesetzt wird, damit diese sich austauschen können, auch in Bezug auf die Verlagerung von Patienten und Patientinnen in andere Bundesländer – in Wien gibt es bereits einen derartigen Koordinationsposten, in anderen Bundesländern noch nicht.

Mathematiker mit düsterer Prognose

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hatte im Hinblick auf die Intensivbelagszahlen schon am Wochenende Öffnungsschritte abgelehnt. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger pochte hingegen auf einen raschen Ausbau der Tests. Ein solcher soll stattfinden: Künftig sollen, so kündigten Kurz und Anschober an, auch in den Teststraßen vermehrt sogenannte Nasenbohrtests zum Einsatz kommen – um noch mehr Leute zum Testen zu motivieren.

Der Mathematiker Erich Neuwirth hatte zudem am Montag damit aufhorchen lassen, dass die Neuinfektionen am Ostersonntag auf 5.000 Fälle pro Tag hinaufklettern könnten. Das halte der Experte in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" zumindest für "realistisch". Sollten die Intensivkapazitäten bei so hohen Zahlen nicht mehr ausreichen, "werden die Todeszahlen dramatisch ansteigen", fürchtet der Mathematiker. "Wir sind bei den Todesfällen noch nicht dort, wo wir im November schon waren." Neuwirth schränkt im STANDARD-Gespräch aber ein, dass es sich dabei nur um eine grobe Abschätzung handle. Dies sei keine Prognose und auch nur dann wahrscheinlich, wenn sich die Situation nicht gravierend ändert. (Oona Kroisleitner, Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 22.3.2021)