Kurz nachdem die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) vergangenen Donnerstag verkündete, dass man einen Zusammenhang zwischen dem Covid-19-Impfstoff von Astra Zeneca und seltenen Thrombosen, wie sie in einigen EU-Staaten aufgetreten sind, nicht definitiv ausschließen könne, gelang Forschenden aus Deutschland und Österreich ein Durchbruch: Sie konnten ebendiesen Konnex erklären.

Am Freitag verkündete Andreas Greinacher, Leiter der Abteilung Transfusionsmedizin am Institut für Immunologie und Transfusionsmedizin an der Med-Uni Greifswald, dass sein Team in Zusammenarbeit mit dem deutschen Paul-Ehrlich-Institut und der Med-Uni Wien einen möglichen Mechanismus hinter den seltenen Gerinnungsstörungen gefunden habe.

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Den Gerinnungsstörung, die nach der Impfung aufgetreten sind, liege ein "vollkommen anderer Entstehungsmechanismus" zugrunde als herkömmlichen Venenthrombosen, sagt die Hämatologin Sabine Eichinger.
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Österreich als Ausgangspunkt der Untersuchung

Ausgangspunkt der Untersuchung war der Fall jener 49-jährige Pflegeassistentin, die zehn Tage nach der Impfung im AKH Wien an den seltenen Komplikation verstorben war. Die Wiener Hämatologin Sabine Eichinger diagnostizierte bei der Patientin Thrombosen in Kombination mit einer starken Verminderung der Blutplättchen und schickte eine Blutprobe nach Greifswald. Insgesamt wurden dort Proben von neun betroffenen Patientinnen und Patienten – darunter acht Frauen – ausgewertet.

"Wir haben bei den Patienten eine Aktivierung der Blutgerinnung im Rahmen einer Immunreaktion beobachtet", sagt Eichinger. Die Impfung verursache demnach die Bildung spezieller Antikörper, die die Blutplättchen aktivieren. Im Rahmen dieses Prozesses werden die Blutplättchen immer weniger. Anstatt zu Blutungsneigungen kam es in den untersuchten Fällen aber zu Thrombosen.

"Wir vermuten, dass die aktivierten Blutplättchen auch andere Komponenten der Blutgerinnung aktivieren, wodurch es zu Thrombosen kommt", sagt Eichinger. Die Ergebnisse der Untersuchung sind noch nicht von unabhängigen Experten geprüft, sie sollen aber bald als wissenschaftliche Publikation veröffentlicht werden.

Derzeit kein Beleg dafür, dass Frauen häufiger betroffen sind

Ob die seltenen Komplikationen bei Frauen häufiger auftreten, lasse sich aus den Ergebnissen der Untersuchung nicht ableiten, sagt Eichinger. Grund dafür könne auch eine statistische Verzerrung sein. Bisher wurde vor allem Lehr-und Bildungspersonal mit dem Wirkstoff geimpft. In diesen Bereichen arbeiten vor allem jüngere Frauen.

Wichtig ist: Den diagnostizierten Gerinnungsstörungen liege laut Eichinger ein "vollkommen anderer Entstehungsmechanismus" zugrunde, als das bei Venenthrombosen oder Lungenembolien, die nach Operationen oder im Zusammenhang mit Schwangerschaften und der Antibabypille auftreten können, der Fall sei.

Menschen, die bereits an einer Thrombose erkrankt seien oder die Pille nehmen würden, hätten deshalb auch kein erhöhtes Risiko in Bezug auf diese seltenen Komplikationen. Auch die EMA hatte nach ihrer neuerlichen Prüfung bestätigt, dass die Impfung nicht mit einem grundsätzlichen Thrombose-Risiko einhergeht. Eine groß angelegte Phase-3-Studie mit rund 32.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in den USA, Peru und Chile, deren Ergebnisse am Monat veröffentlich wurden, kam zum gleichen Resultat.

"Die EMA, die um diese Fälle sehr seltener, komplexer Krankheitsbilder weiß, hat bestätigt, dass der Nutzen der Impfung die Risiken einer Covid-19-Erkrankung bei weitem überwiegt", sagt Eichinger. Man werde nun weiter an der Aufklärung der Mechanismen arbeiten, um das Risiko für den Einzelnen besser einschätzen zu können.

Therapieoption mit Immunglobulinen

Für die seltenen Blutgerinnungsstörungen im Zusammenhang mit der Impfung wurden laut Eichinger bereits Therapieoptionen entwickelt. So ließen sich die Thrombosen mit gerinnungshemmenden Medikamenten behandeln. In schwerwiegenden Fällen könnten hochdosierte Immunglobuline verabreicht werden, die den durch die Impfung verursachten Immunprozess aufbrechen.