Vitamintabletten – weniger ist vielfach mehr

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Wien – Viele Österreicher schwören auf Vitamine und Mineralien als Brausetablette, Kapsel oder Zusatz in Säften, Cerealien oder Yoghurts. Sie wollen damit ihrer Gesundheit etwas Gutes tun.

Krebs, Herzkrankheiten, Gelenkerkrankungen, Demenz und noch mehr sollen die Substanzen verhindern, so werben die Hersteller. Studien zeigen schon lange, dass sie den meisten tatsächlich nichts nutzen. Manche schaden der Gesundheit eher noch.

Helfen Supplements gegen Corona?

Zumindest Hoffnungen, dass es Supplemente auch mit Corona aufnehmen könnten, hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährund e.V.: "Derzeit liegen keine Argumente vor, die eine Supplementation von Vitamin D bei Personen mit adäquatem Vitamin-D-Status mit dem Ziel der Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion oder der Verringerung des Schweregrades einer COVID-19-Erkrankung begründen können".

Und auch abseits von Corona sieht es eher mau aus. Schon 2019 hatten Forscher der Universität Boston 31.000 Amerikaner 6 Jahre lang beobachtet und stellten fest: wer Supplemente nahm hatte das gleich Sterberisiko wie die, die ihre Nährstoffe mit der Nahrung aufnahmen.

Wo Vitamin D nicht hilft

Im gleichen Jahr zeigten US-Forscher mit 83.000 Probanden, dass die Einnahme von Vitamin D nicht vor Herzinfarkt, Hirnschlag oder frühzeitigem Tod schützt. Auch Kapseln mit Fischölen wie Omega 3 reduziere das Risiko darauf nicht, schreibt die Forschervereinigung Cochrane.

"Das Problem mit Supplementen ist, dass sie zum einen bei Gesunden nicht notwendig sind und außerdem, wenn sie über längere Zeit überdosiert werden, Risiken bergen", sagt Ingrid Kiefer, Ernährungsfachfrau und Leiterin des Fachbereichs Risikokommunikation bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages).

Am Beispiel Betacarotin

Das kann schnell passieren. Denn was der Körper am Tag benötigt holt er sich normalerweise schon durch eine einigermaßen gesunde und abwechslungsreiche Ernährung.

Beispiel Betacarotin: ein gesunder Mensch braucht am Tag nicht mal ein Gramm davon, das liefert eine halbe Karotte. Betacarotin-Kapseln enthalten meist 5g und mehr. Beispiel Vitamin D: die empfohlene Tagesdosis von 20 Mikrogramm produziert der Körper bei einem 30 minütigen Spaziergang selbst. Supplemente liefern das dreifache und mehr.

Was Vitamin E kann

Beispiel Vitamin E: eine tägliche Kapsel mit 100 I.E. enthält 67mg Vitamin E, obwohl der Körper nur 12-14mg benötigt. Beispiel Kalzium: Supplemente enthalten oft 1,5g, obwohl der Bedarf nur bei maximal 1g liegt. Auch für die empfohlene Menge an Vitamin K reicht eine Portion Brokkoli, bei Selen eine einzige Paranuss und für Vitamin C eine Orange am Tag.

Während der Körper aber ein Überangebot wasserlöslicher Nährstoffe über den Urin wieder ausscheidet, speichert er fettlösliche. Regelmässig zu viel Vitamin A schwächte daher in Studien die Knochen und erhöhte das Risiko für Lungenkrebs bei Rauchern. Lange Zeit zu viel Vitamin D kann Gefässe verstopfen und die Nieren schädigen.

Zu viel Vitamin D

Die Bostoner Forscher fanden heraus, dass Leute eher Krebs bekamen, wenn sie täglich mehr als 10 Mikrogramm Vitamin D konsumierten. Viel Vitamin E steigert hingegen das Risiko für Prostatakrebs. Das vor allem gegen Osteoporose beworbene Kalzium steigert in zu hohen Dosen das Risiko für Nierensteine und Herzinfarkt bei älteren Frauen, zu viel Eisen oder Selen kann Diabetes begünstigen und das bei Erkältungen beliebte Zink die Knochen schwächen.

Kommt noch hinzu: eine hochdosierte Einnahme von Supplementen kann manche Medikamente in ihrer Wirkung beeinflussen und Laborwerte verfälschen.

Verzicht oft besser

Ernährungsfachfrau Kiefer rät daher: "Besser auf Supplemente verzichten, wenn nicht der Arzt einen Mangel diagnostiziert hat oder man zu einer Gruppe gehört, die nachgewiesenermaßen davon profitiert". Dazu gehören Schwangere oder Frauen, die schwanger werden wollen, Ältere, da sie manche Nähstoffe nicht mehr so gut aufnehmen, sowie Personen mit Allergien gegen bestimmte Lebensmittel oder auch Veganer.

Ihnen fehlt oft B12."Die meisten Menschen in Österreich sind mit Nährstoffen gut versorgt", sagt Kiefer. "Eine abwechslungsreiche Ernährung mit einem hohen Anteil an Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Fisch sowie hochwertigen Ölen und Nüssen versorgt den Körper mit allem Wichtigen aus der Nahrung". Studien zeigen, dass Menschen, die sich so ernähren, weniger an typischen Zivilisationskrankheiten leiden wie Herzinfarkt, Diabetes oder Demenz. (Andreas Grote, 23.3.2021)