Am weitesten mit dem Immunisieren ist man trotz des endemischen Impfstoffmangels in Vorarlberg und Tirol.

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Wien – Manche Kennzahl aus der heimischen Corona-Impfaktion wirkt beeindruckend. Alle 2,8 Sekunden werde im Schnitt eine Person gegen den Erreger immunisiert, ist der Homepage des Gesundheitsministeriums zu entnehmen.

Nicht dabei steht, wie diese Person zu ihrer Spritze kam. Das nämlich liegt nicht im Einflussbereich des Ministeriums, also des Bundes – sondern es ist Sache der Länder. Neun Bundesländer, neun verschiedene Covid-19-Impf-Logistiken, das verneunfacht die Möglichkeiten, besonders schnell und gerecht oder auch besonders schleppend und fehleranfällig zu impfen.

Patientenanwalt Bachinger: "Mehr Zentralisierung"

Der niederösterreichische Patientenanwalt Gerald Bachinger findet das nicht ideal. "Ich hätte zu mehr Zentralisierung geraten. Nicht jedes Bundesland muss das Rad neu erfinden", sagt er.

Das sei schon richtig, meint Katharina T. Paul, Impfpolitikexpertin und Mitglied des STANDARD-Corona-Fachrats. Nur: "Das Impfsystem in Österreich ist föderal aufgestellt. Das zu ändern ist ein schwieriger Prozess, das geht nicht schnell." Bei der größten in Österreich je durchgeführten Impfaktion habe man auf diese eingespielten Strukturen gesetzt.

Über 90-Jährige impfen

Doch wie steht es mit den Impffortschritten vor Ort? Wie ist die Stimmungslage in den Bundesländern? Von einem Fehlereingeständnis gingen vergangenen Freitag etliche der rund 680.000 Menschen aus, die sich in Wien für eine Corona-Impfung angemeldet haben. Teilte ihnen doch das Impfservice Wien in einer Mail mit, dass "kommende Woche" – also jetzt – eine Impfoffensive für die über 90-Jährigen stattfinde.

Viele fragten sich, ob man in Wien mit dem Schutz hochaltriger Personen immer noch nicht durch sei. Ein Sprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ wiegelte ab: Beim Impffortschritt sei man in Wien im Plan. Vielmehr drücke die Mail aus, wie "unvorhersehbar" die Vakzinelieferungen derzeit seien.

Vakzinemangel – und Extralieferung

Statt der versprochenen 20.000 Dosen des Astra-Zeneca-Impfstoffs seien aus dem Bundesbeschaffungssystem für Wien vergangene Woche nur 3.700 Dosen abrufbar gewesen. "Dafür gab es eine Extralieferung von Biontech/Pfizer, die wir für die Geburtsjahrgänge vor 1931 verwendet haben." Diese Hochaltrigen seien schwer zu erreichen.

Die Mail, so der Sprecher, sei die erste einer Serie, mit der man die Impfwilligen künftig über die Fortschritte der Aktion informieren wolle. Impfpolitikexpertin Paul findet das im Prinzip gut. Noch besser wäre es, jedem Impfwilligen auf diesem Weg "einen Zeitrahmen zu nennen, in dem er oder sie mit der Injektion rechnen kann". Das würde sehr zur allgemeinen Beruhigung beitragen. Derzeit "sei das schlicht unmöglich", antwortet der Hacker-Sprecher.

Oberösterreich: Leiden am Erlass des Bundes

Impfstoffknappheit beklagt man auch in anderen Bundesländern. Um Terminverzögerungen zu erklären, weist man zudem auf den neuesten Ministeriumserlass hin, der die Immunisierung von über 65-Jährigen priorisiert. So etwa im Burgenland, wo man mit bereits 12,6 Prozent mindestens einmal Geimpfter österreichweit nicht schlecht dasteht.

Immunisiert wurden dabei nicht nur die Alten, sondern auch Spitalspersonal und niedergelassene Ärzte und zuletzt auch die Pädagogen und die Pädagoginnen. Der Ministeriumserlass habe solche regionalen Spielräume nun verengt, heißt es im Büro von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ).

Kärnten: Vielschichtige Anmeldemöglichkeiten

In Kärnten sind die Anmeldemodalitäten vielschichtig. Eine Schiene läuft über die Pflegeheime, die Personengruppe der über 80-Jährigen kann sich über die Gemeinde vormerken lassen. Seit Mitte Jänner steht auch ein Vormerkblatt zur Verfügung, in das auch nähere Angaben – Hochrisiko, Lehrpersonal etc. – eingetragen werden können. Die Krankenhäuser und Exekutivorganisationen organisieren auf einer eigenen Ebene.

Die niedergelassen Ärzte stehen aber nicht allein den über 80-Jährigen zur Verfügung, es kann sich jeder und jede beim Hausarzt anmelden. Die Mediziner haben sich aber vertraglich verpflichtet, streng nach der Prioritätenliste zu impfen.

Bis Sommer durchgeimpft

An sich laufe der Impfvorgang bisher ohne gröbere Probleme, bis auf die Lieferverzögerungen bei Astra Zeneca, sagt Landessprecher Gerd Kurath. Läuft alles nach Plan, sollen in Kärnten bis Sommer alle, die geimpft werden wollen, drankommen.

Erste positive Effekte seien bereits zu beobachten. In den Pflegeheimen sei die Sterblichkeit zurückgegangen , die Verläufe seien zudem wesentlich milder als noch im Herbst. 91.000 Kärntnerinnen und Kärntner sind bereits geimpft, 29.000 bereits das zweite Mal

Steiermark: Bis April alle 65-Jährigen immunisiert

In der benachbarten Steiermark haben sich bisher 375.000 Personen auf der Landes-Anmeldeplattform registriert. 115.000 von ihnen sind bereits geimpft, allerdings sind hier alle Geimpften in den Alters- und Pflegeheimen, Exekutivorganisationen, Krankenhäusern etc. inkludiert. Diese Woche sollten die "zweiten Stiche" für die über 85-Jährigen abgeschlossen sein, sagt Martin Gsellmann von der Landeskommunikation. Bis April sollen – nach Plan – alle über 65-Jährigen drankommen.

Neben der Anmeldeplattform des Landes sind auch die Hausärzte in die Organisation eingebunden. Auch hier kann man sich, wie in Kärnten, registrieren lassen. Geimpft wird beim Arzt, sobald ein Termin mitgeteilt wird, oder nach Wunsch auch in einer Impfstraße.

Oberösterreich: Feuerwehr muss warten

In Oberösterreich kam es zuletzt zu Verschiebungen im Impfkalender. Konkret wurde der für 29. März geplante Start der Impfung von Feuerwehrleuten verschoben. Warten muss jetzt auch noch das Reha-Personal und es können nur Teile des Personals im Bildungsbereich immunisiert werden, teilt das Land auf Anfrage mit.

Adaptiert werden musste der Impfplan aufgrund der per Ministeriumserlass verordneten Priorisierung der Über-65-Jährigen. Gebremst werde der Impffortschritt zusätzlich auch durch reduzierte Liefermengen des Impfstoffs von Astra Zeneca.

Impfangebot für den Bildungsbereich

In den letzten drei Märzwochen sollte Oberösterreich mehr als 60.000 Dosen erhalten, tatsächlich stehen lediglich 30.600 Impfdosen zur Verfügung, so das Land. Dafür erhalte Oberösterreich zusätzlich 9.000 Dosen der Hersteller Moderna und Biontech/Pfizer.

Mit den zugesagten Mengen von Astra Zeneca solle zumindest einem ersten Teil der 14.200 Mitarbeiter im Bildungsbereich ein Impfangebot gemacht werden, kündigt Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP) an. In Abstimmung mit der Bildungsdirektion starte man mit den Impfungen in den Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen sowie in den Volks- und Sonderschulen. Durch den Erlass des Gesundheitsministeriums sind hingegen die Freiwilligen Feuerwehren in Phase 3 und daher weit in das zweite Quartal gerückt worden.

Salzburg könnte das Vier- bis Fünffache verimpfen

In Salzburg könnte man weitaus mehr impfen. "Es wird immer alles verimpft, was an Impfstoff zur Verfügung steht", sagt der Sprecher des Landes. "Wir sind von der Kapazität her so vorbereitet, dass wir das Vier- bis Fünffache verimpfen könnten."

Derzeit kämen pro Woche rund 11.000 Impfdosen. Eine fixe Zielsetzung, wann wer geimpft sein sollte, hat sich das Land erst gar nicht auferlegt, weil die Lieferungen zu volatil seien. "Wir gehen von Stufe zu Stufe im Impfplan vor", sagt der Landessprecher.

Ältere und Hochrisikopersone

Insgesamt haben bisher knapp 50.000 Salzburger ihre erste Teilimpfung bekommen, 19.000 bereits die zweite Dosis. Unter den über 80-Jährigen sind in Salzburg bisher 92 Prozent immunisiert. Bei den über 65-Jährigen werden derzeit die Hochrisikopersonen und Menschen mit Priorität 1 geimpft.

Als schneller Impfstoff vorhanden war, hat das Land die Hochinzidenzgemeinden vorgezogen, und in Bad Hofgastein, Radstadt und Unken konnten sich alle über 65 Jahre impfen lassen.

Sonderimpfung für Lehrerinnen und -lehrer

In der Karwoche gibt es nun auch eine Sonderaktion für die Lehrer. Bei einigen Pädagogen sorgte hier eine bürokratische Hürde für Unmut. Denn alle Lehrer, die sich bereits für eine Impfung online vorgemerkt hatten, mussten bei 1450 anrufen und telefonisch Bescheid geben, dass sie Pädagogen sind. Danach werden sie einer Impfstraße zugewiesen.

Bei der Online-Plattform gab es die Kategorie Pädagoge zuvor nicht als Auswahl. Weil man damals noch nicht gewusst habe, dass es eine Sonderimpfaktion geben wird, heißt es vom Land.

Tirol und Vorarlberg an der Spitze

In Tirol und Vorarlberg kann man sich online zum Impfen anmelden. Wer keinen Internetzugang und keine E-Mail-Adresse hat, wird gebeten, sich an Angehörige oder enge Vertraute zu wenden, damit diese ihnen dabei helfen. Notfalls ist auch eine telefonische Anmeldung in beiden Ländern möglich.

Gemessen an der Zahl der Einwohner liegen Tirol und Vorarlberg österreichweit an der Spitze, was den Impffortschritt anbelangt. Im Ländle hatten bis zum Montag 51.988 Personen die erste Teilimpfung erhalten, das entspricht 15,66 Prozent der Impfberechtigten.

Impfaktion in Schwaz

In Tirol waren es laut Dashboard bis Montag 121.974 Personen oder 16,1 Prozent der Bevölkerung mit Hauptwohnsitz. Die zweite Impfung und damit den vollen Schutz haben bisher 17.976 Vorarlberginnen und Vorarlberger erhalten, in Tirol 26.907 Personen.

In Tirol hat man vor allem von der Impfaktion im Bezirk Schwaz profitiert, wo mit Hilfe der EU 100.000 Dosen des Pfizer-Impfstoffes bereitgestellt werden konnten, wodurch knapp 50.000 Personen mit Start 11. März geimpft werden konnten. (Steffen Arora, Irene Brickner, Walter Müller, Markus Rohrhofer, Stefanie Ruep, 23.3.2021)