Die SMS Novara umrundete vom k. k.-Hafen Triest aus einmal die Erde. Von den Forschungsergebnissen dieser Expedition zehrt die Wissenschaft noch heute.

Die Kartografie war eine österreichische Domäne. Sicher war man sich freilich nicht bei allem: In Patagonien, der Südspitze Südamerikas, vermutete man Riesen, im Meer allerhand Ungeheuer.

Österreichische Akademie der Wissenschaften

Thematisch schießt die Schallaburg mit ihrer jährlichen kulturhistorischen Großausstellung natürlich den Vogel ab – und es ist ein Paradiesvogel in diesem Fall: Sehnsucht Ferne – Aufbruch in neue Welten ist die Schau betitelt, für die den Kuratoren Marcel Chahrour, Roman Dachsberger und Gerhard Proksch die Corona-bedingte Zwangspause vom Reisefieber ironischerweise gerade recht kam. Man kann sich aktuell gut einfühlen in jene Zeit, als Fernweh für die allermeisten einzig durch den Gang in höfische Wunderkammern und die daraus im 19. Jahrhundert entstandenen Museen gestillt werden konnte.

Es sind denn auch weniger die großen, heroisch verklärten Entdeckungsfahrten Christoph Kolumbus’ oder Ferdinand Magellans zur Zeit der heraufdämmernden Aufklärung, die im Mittelpunkt der Ausstellung stehen, sondern das 19. Jahrhundert. Mit seiner ungeheuren Dynamisierung auf allen Ebenen des Lebens potenzierten sich auch die Gründe zu reisen.

Vom Himmelfahrer zum Seefahrer

Natürlich stand der militärisch-machtpolitische Expansionsdrang der Europäer, sich von der Vertikalen in die Horizontale zu begeben und gewissermaßen "vom Himmelfahrer zum Seefahrer" (Peter Sloterdijk) zu mutieren, weiter im Zentrum – es ist schließlich das Jahrhundert des organisierten und rassistisch legitimierten Kolonialismus; aber da sind auch erste Anflüge hedonistischen Reisens, da ist die christliche Mission und die systematische Erforschung von Natur und außereuropäischen Kulturen.

Beispielgebend für Letzteres steht der Name Alexander von Humboldt. Zu sehen ist als Leihgabe der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eines seiner Tagebücher, in denen der Universalgelehrte tausende Pflanzen und Tiere vor allem aus Südamerika erfasste, sammelte und nach Maßgabe europäischer Wissenschaften erforschte.

Österreichische Humboldts

Spannend und erhellend ist, dass sich die Ausstellungsmacher aber nicht mit den sattsam bekannten Allgemeinplätzen zufriedengeben, sondern bemüht sind, an österreichische Entsprechungen der großen Namen zu erinnern: An die Wiener Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer etwa, die als erste europäische Frau gegen alle patriarchalen Widerstände das Innere der Insel Borneo durchquerte und auf Empfehlung ihres Unterstützers Humboldt in Berlin zu höheren Ehren kam als in der Heimat. Oder an den Naturforscher Johann Natterer, der 18 Jahre in Brasilien forschte und mit seiner Sammlung den Grundstock für das spätere Naturhistorische Museum legte. Überhaupt kann die Ausstellung als Gründungserzählung so mancher heutiger Bundesmuseen verstanden werden, allen voran des völkerkundlichen Weltmuseums, aus dem viele Stücke zu sehen sind.

Die Akademie der Wissenschaften hat Landkarten beigesteuert – die Kartografie war eine österreichische Domäne –, aus dem Globenmuseum der Nationalbibliothek stammen bedeutende Weltkugeln, natürlich gibt es auch die obligatorischen Navigationsgerätschaften zu beäugen. Und wir werden daran erinnert, dass Paradeiser, Mais und Erdapfel erst um 1500 aus Südamerika zu uns gelangten, dass die erste Impfung 1720 im Osmanischen Reich stattfand oder der Pyjama 1900 aus Indien importiert wurde.

K. k.-Weltumsegelung

Viel Raum wird der österreichischen Weltumsegelung der SMS Novara in den Jahren 1857 bis 1859 gegeben. Mit dem eigentlichen Ziel ausgelaufen, Überseehandel anzukurbeln und der k. k. Kriegsmarine zu mehr Seetüchtigkeit zu verhelfen, waren es letztlich doch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die von der Expedition blieben. Ein anderes Wagnis – die Nordpolexpedition von Julius Payer und Carl Weyprecht (1872) – lässt sich in einem eigens erstellten Escape-Room spielerisch nacherleben.

Damit hat es sich aber mit der Seefahrerromantik. Denn zwei Drittel der Ausstellung werden tatsächlich den kritischen Fragen gewidmet, die das Thema aufwirft: kolonialem Völkermord, Plünderung, Rassismus, Artensterben oder Massentourismus. Und natürlich die museumspolitischen Debatten: Wie umgehen mit Objekten, an denen Blut klebt? Sollen sterbliche Überreste wie etwa Mumien gezeigt werden, oder gilt auch für alte Ägypter ein Recht auf Totenruhe?

Fragen ohne Antworten

Das alles ist wichtig und gut. An einigen Stellen der Schau übertreibt man es aber damit, Fragen demonstrativ offen zu stellen, anstatt Antworten anzubieten, setzt zu viel Wissen voraus oder schafft es schlicht nicht, die Themen anschaulich auf den Boden zu bringen. Da während der Pandemie keine Führungen möglich sind, sollte vielleicht gleich jedem Besucher ein Audioguide in die Hand gedrückt werden. Etwas zu nüchtern ist zudem das Ausstellungsdesign geraten. Ein paar luzide Momente mehr hätten Pandemiegeplagte besser abgeholt.

Der gut gelungene Ausstellungskatalog zeigt hingegen, dass Kulturgeschichte wohl oft einfacher zu beschreiben als auszustellen ist. Was für tolle Aspekte gibt es da zu entdecken, wenn man sich erst einmal auf das Kleingedruckte eingelassen hat. Für die Ausstellung aber gilt: Kompass nicht vergessen! (Stefan Weiss, 23.3.2021)