Die Handballer können nicht Vorbild sein. 2015 stand die Mannschaft aus Katar als Gastgeber im Finale der Weltmeisterschaft und zog gegen Olympiasieger Frankreich nur knapp den Kürzeren. Vergleichbares von seinen Fußballern für die Heim-WM Ende 2022 zu fordern fällt nicht einmal Tamim bin Hamad Al Thani ein. Dabei ist das erst 40-jährige Staatsoberhaupt des Emirats am persischen Golf daran gewöhnt, dass unter Einsatz erheblicher Mittel fast alles möglich ist.

Abdelkarim Hassan (Mitte), 2019 wegen eines Hattricks gegen Jemen von seinen Kollegen gefeiert, ist einer der profiliertesten Spieler von Katar.
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Während aber der katarische Handball sehr davon profitiert hat, dass die Internationale Handballföderation (IHF) Verbandswechsel von gestandenen Nationalspielern unter Einhaltung einer dreijährigen Wartefrist zulässt, hat der Weltfußballverband Fifa dem großen Geld zumindest diese Schleuse noch nicht geöffnet.

Also müssen die al-Anabbi, die Weinroten, wie das Fußballteam aus Katar geheißen wird, Schlagkraft durch Nachwuchspflege und Übung erlangen. Dabei sind Vereine in aller Herren Länder und Trainer gegen gute Bezahlung gerne behilflich. Im Vorfeld der WM geht die europäische Fußballunion Uefa insofern zur Hand, als Katar außer Konkurrenz an der europäischen WM-Qualifikation teilnehmen darf – in Gruppe A mit Europameister Portugal und unter der Verpflichtung, alle Spiele in Europa auszutragen.

Der Sport stehe schließlich für "Freundschaft und positive Energie", sagte Uefa-Präsident Aleksander Čeferin anlässlich eines Besuchs in Doha kurz vor Weihnachten. Außerdem könne Katar viel von den "Besten" lernen.

Debrecen statt Wien

Das ein wenig seltsam anmutende Unterfangen bekommt wegen der Pandemie allerdings fast absurde Züge. Am 24. und 27. März hätte Katar auf Vermittlung einer österreichischen Agentur in der Generali Arena der Wiener Austria gegen Luxemburg und Aserbaidschan spielen sollen. Da allerdings die Luxemburger danach zum Match nach Irland fliegen, Einreisende aus Österreich auf der Insel aber in Quarantäne müssen, wurden beide für Wien geplanten Partien nach Debrecen, also in den Osten Ungarns, verlegt, das in etwa die doppelte Inzidenz Österreichs aufweist.

Die organisatorischen Probleme des unter dem Logo "QatarInEurope" subsumierten Unterfangens fechten Coach Félix Sánchez Bas nicht an. Der heute 45-jährige Katalane wechselte 2006 aus La Masia, der Nachwuchsakademie des später von Qatar Airways großzügig gesponserten FC Barcelona, in die Aspire Academy. Im hochmodernen Zentrum der Talentsichtung und -entwicklung in der Doha Sports City peilt Katars sportlicher Nachwuchs Weltniveau an.

Sánchez Bas’ Schützlinge gewannen erst 2014 die asiatische U19-Meisterschaft in Myanmar und fünf Jahre später gar den Asien Cup der Erwachsenen in den Emiraten durch ein 3:1 im Finale gegen Japan. Im selben Jahr nahmen die Weinroten an der Copa América in Brasilien teil und trotzten in der Gruppenphase Paraguay ein 2:2 ab.

Für Sánchez Bas sind die Spiele in Europa "wichtig, um weiter zu wachsen". Schließlich verhindert die Pandemie eine neuerliche Teilnahme an der Copa América im Sommer. Eine Wildcard für den mittelamerikanischen Gold Cup im Sommer ist dagegen noch gültig.

Weiter Missbrauch

Der Auftritt des Nationalteams auf internationalem Parkett soll auch ein wenig von der Kritik an der Menschenrechtssituation in Katar ablenken, die umso heftiger wird, je näher die WM rückt. Erst am Montag forderte Amnesty International neuerlich Druck seitens der Fifa, um die Bedingungen für ausländische Arbeiter im Golfstaat zu verbessern. Amnesty konzediert, dass Katar, zum Teil als Reaktion auf verstärkte Kontrollen nach dem Zuschlag für die WM vor nunmehr zehn Jahren, eine Reihe positiver Reformen durchgeführt habe, "aber zu oft werden diese nicht richtig umgesetzt. Tausende von Arbeitsmigranten werden weiterhin ausgebeutet und missbraucht." (Sigi Lützow, 23.3.2021)