Schwimmende Solarparks, wie hier in Singapur, sind für viele Staaten die Hoffnung, Emissionen rasch senken zu können.

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Eines steht fest: Wollen Länder wie Österreich und viele andere in den nächsten Jahren die Energiewende schaffen, müssen sie neben der Wasser- und Windkraft vor allem die Solarenergie ausbauen. Es braucht Millionen zusätzliche Photovoltaik(PV)-Anlagen. Die Frage ist nur: Wo sollen die alle gebaut werden? Dachflächen gäbe es bei Österreichs 2,4 Millionen Gebäuden ja prinzipiell einige. Für die Energiewende reiche PV auf Dächern allein aber nicht, sind sich viele Experten und Expertinnen einig.

Auch deshalb arbeiten Entwickler bereits an Möglichkeiten, Solarenergie in weitaus mehr Standorte zu integrieren. Die Überdachung von Parkplätzen, Einkaufszentren, alten Industrieanlagen, Wiesen oder Äckern und vielleicht auch Straßen ist dabei nur die offensichtlichste Variante. Auch PV-Anlagen über der Landwirtschaft, als Teil von Fenstern und Glas oder schwimmend auf dem Meer oder auf Seen werden vor allem international erprobt. Wie sinnvoll sind diese Ideen? Und könnten sie auch in Österreich umgesetzt werden?

1. Das Offensichtliche: Häuser, Parkplätze, Fassaden und Wiesen nutzen

Das Argument ist simpel: Warum auf Grünflächen oder andere Experimente setzen, wenn schon genug Flächen auf Häusern, Industrieanlagen, Einkaufszentren oder Parkplätzen für PV-Anlagen zur Verfügung stehen? Tatsächlich müsste jedem auffallen, dass in Österreich die meisten Dächer noch relativ leer aussehen. Größere Flächen wie beispielsweise Parkplätze mit PV-Anlagen zu überdachen würde laut Experten neben der Stromproduktion zudem den Vorteil bieten, dass die Autos im Schatten stehen.

"Bebaute Flächen sind grundsätzlich genügend vorhanden. Solaranlagen dort zu installieren sollte die Präferenz sein, ist aber häufig mit mehr Kosten verbunden", sagt Andreas Bett, Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme (ISE). Vor allem bei PV-Fassaden gebe es noch viel Potenzial. Dafür müsste aber auch das Fördersystem verbessert werden. "Bei der Förderung nur den erzeugten Strom zu betrachten ist zu wenig", sagt Bett. Man müsse bei den Förderungen auch andere Nutzen berücksichtigen, die durch den Bau von PV-Anlagen entstünden, etwa die Einsparung von Material in Gebäuden.

Auch die Idee, Autobahnen mit PV-Anlagen zu überdachen, kursiert seit einiger Zeit. Das Ziel: Die PV-Anlage soll die Straße besser vor Hitze und Regen schützen und gleichzeitig Strom für E-Autos liefern. Noch befinden sich die Untersuchungen dazu aber in ihren Anfängen. Es ist unklar, wie viel die Anlagen kosten würden, wie langlebig sie wären und welche Risiken dadurch im Autoverkehr entstehen könnten. Auch Experimente, PV-Module direkt in die Straße zu integrieren, waren bisher nicht unbedingt von Erfolg gekrönt.

Solarstraßen hatten bisher mit vielen Problemen wie zu viel Lärm, hohe Kosten und zu wenig Energieproduktion zu kämpfen.
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Laut einer Studie von Hubert Fechner, Energieexperte vom Technikum Wien, kann die Überdachung von Parkplätzen und Industrieanlagen mit PV realistischerweise nur rund 2,8 TWh der benötigten 11 TWh an Strom aus Solaranlagen bis 2030 in Österreich beitragen. Insgesamt seien über Solaranlagen an Häusern und industriellen Anlagen sowie Parkplätzen mit den derzeitigen Rahmenbedingungen 5,3 TWh, rund die Hälfte des benötigten Stroms bis 2030, realisierbar.

Laut Fechner sollte möglichst auf die optimierte Ausnutzung der bereits verbauten Umwelt und die integrierte PV gesetzt werden. Denn dabei sei die Akzeptanz und nationale Wertschöpfung bedeutend höher. Wenn die Ziele damit nicht erreichbar sind, könnten auch Freiflächen "gesteuert ausgebaut werden". Es dürfe und solle aber jedenfalls keine Priorisierung von Freiflächenanlagen geben.

Das Thema Freiflächen ruft seit Jahren einige Kritiker auf den Plan: Sie befürchten einen weiteren Flächenverbrauch und eine "Verschandelung" der Landschaft. Befürworter entgegnen, dass die Anlagen nur einen kleinen Teil der Fläche in Anspruch nehmen würden, wieder leicht abgebaut werden könnten und gleichzeitig die Pflanzen- und Artenvielfalt erhielten. "Freiflächen darf man nicht verteufeln", sagt Bett. Sie seien oft kostengünstig und gut für die Biodiversität. Wie teuer die Freiflächenanlagen am Ende sind, hängt aber von einer Reihe von Faktoren ab.

Solaranlagen auf Wiesen wie hier beim Wasserwerk Andritz sollen künftig den Ausbau der PV vorantreiben.
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2. PV-Anlagen in der Landwirtschaft?

Eine Win-win-Situation für Landwirte, Umweltschützer und Energieerzeuger soll die sogenannte Agrophotovoltaik sein. Indem die Solarpaneele mindestens fünf Meter über dem Boden montiert werden, sollen darunter weiterhin der Traktor fahren, Tiere grasen und Pflanzen wachsen können. Pflanzen wie Kartoffeln, Salat oder Hopfen sollen unter den Paneelen sogar besser gedeihen als mit direkter Sonneneinstrahlung, Weizen oder Obst dagegen eher schlechter. Den Landwirten würden die Anlagen zudem Strom für ihre Geräte liefern.

Anstatt die PV-Anlagen waagrecht über die Felder zu spannen, könnten sie auch senkrecht aufgestellt werden, wodurch weiterhin Sonne auf die Felder scheinen würde und der Boden zwischen den Anlagen weiter genutzt werden könnte. Allerdings beschäftigen sich bisher nur Pilotprojekte mit der Agrophotovoltaik.

Bei der Salatproduktion im Gewächshaus könnten bald transparente Solarzellen eingesetzt werden.
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Großes Potenzial sehen einige Experten auch bei Gewächshäusern. Dort könnten transparente Solarzellen im Glas Strom erzeugen, ohne dabei den Pflanzen das Licht wegzunehmen. Wissenschafter und Wissenschafterinnen fanden gerade erst heraus, dass die Solarzellen dem Salat im Gewächshaus nicht schadeten. Der Grund: Die Solarzellen absorbieren nur gewissen Wellenlängen des Lichts, die die Pflanzen nicht für die Photosynthese benötigen.

Die Gewächshäuser könnten so künftig CO2-neutral werden, schreiben die Wissenschafter und Wissenschafterinnen und forschen bereits am Einsatz bei anderen Pflanzen. Zudem bestehe die Hoffnung, dass die Solarzellen eines Tages auch in Gebäudefenstern genutzt werden können.

3. Solar am Wasser

Schwimmende Paneele sind für einige Entwickler die große Hoffnung für die Zukunft. Am Meer sollen sie kaum jemanden stören und Platz für die Landwirtschaft freihalten. Laut einer Studie von Wissenschaftern der Universität Utrecht würden schwimmende Paneele durchschnittlich rund 13 Prozent mehr Strom erzeugen als jene am Land. Grund dafür seien die niedrigeren Temperaturen über dem Wasser und weniger Wolken. Das Wasser und der Wind würden dabei helfen, die Paneele zu kühlen, was wiederum die Stromproduktion erhöhe.

Das Unternehmen Swimsol will tropischen Inseln eine neue Stromquelle liefern.
Foto: Swimsol

Auch das österreichische Start-up Swimsol experimentiert mit schwimmenden Solaranlagen. Das Unternehmen will künftig vor allem tropische Inseln, die bisher noch stark von fossilen Energien abhängig sind, mit Solarstrom versorgen. Laut den Entwicklern seien die Paneele resistent gegen Salzwasser und sollen bis zu 30 Jahre lang halten – vorausgesetzt, sie werden nicht von tropischen Stürmen vernichtet oder von Vögeln als Nistplatz verwendet. Auch dürfen die Paneele keine Korallenriffe überdecken, da diesen sonst das nötige Licht fehlen würde.

Schwimmende Solaranlagen kommen aber nicht nur auf dem Meer, sondern auch auf Seen zum Einsatz, was sie möglicherweise auch für Österreich interessant machen könnte. Während es in Deutschland und Österreich noch erst wenige Pilotprojekte gibt, werden in den Niederlanden bereits einige Großprojekte Realität. Auf einem Baggersee bei Zwolle wurde beispielsweise eine zehn Hektar große Anlage mit 14,5 MW installiert, die 4.000 Haushalte mit Strom versorgen soll. Einigen Experten zufolge könnten so künftig vielleicht geflutete Braunkohletagebaugebiete in schwimmende Photovoltaikparks verwandelt werden.

Auch in Großbritannien, den Philippinen und China wurden bereits schwimmende Anlagen gebaut. Und in der Schweiz entsteht gerade die erste schwimmende Solaranlage auf einem Stausee in den Alpen.

Was ist der beste Standort?

Dass Dächer von Häusern bei weitem nicht die einzige Variante darstellen, hat man seitens der Wissenschaft bereits des Öfteren aufgezeigt. Zu niedrig, falsch ausgerichtet oder zu klein für die Nutzung von PV könnten die Dachflächen in einigen Fällen sein. Ansätze, Anlagen in die Landschaft zu integrieren und dadurch neben der Stromerzeugung gleich mehrere Vorteile für Natur und Wirtschaft zu schaffen, scheinen für viele vielversprechend.

Der Solarpark La Colle des Mees in Frankreich erstreckt sich über 200 Hektar.
Foto: APA/AFP/GERARD JULIEN

"Wir müssen Solartechnik überall unterbringen", sagt Bett. Die Technologie sei sehr flexibel einsetzbar, gleichzeitig würden die Solarzellen immer kostengünstiger. "Wir sollten beim Bau aber auch nicht auf die Schönheit und Kreativität verzichten. Die notwendigen Technologien stehen bereit."

Schon jetzt bieten sich mit PV-Dachziegeln etwa neue gestalterische Möglichkeiten. Unternehmen wie Tesla wollen die PV-Anlage zum neuen Designobjekt machen. Und Solaranlagen wie La Colle des Mees in Südfrankreich haben durch Form und Lage bereits einige Künstler und Fotografen begeistert.

Wer weiß, vielleicht fallen uns die Solaranlagen, verbaut in Fenster und Glas, eines Tages nicht einmal mehr auf. Bis es so weit ist, werden Solaranlagen unsere Landschaft aber wohl noch deutlich stärker prägen, als sie es heute tun. "Wir brauchen eine gesellschaftliche Offenheit, dass wir dafür auch Platz benötigen", sagt Bett. "Man kann nicht einfach nur dagegen sein." (Jakob Pallinger, 22.4.2021)