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Wer wie viel von welchem Impfstoff bekommt, bleibt ein Streitthema in der EU.

Foto: Reuters / Dado Ruvic

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Dienstag im EU-Hauptausschuss des Nationalrats sein Vorgehen auf EU-Ebene in Sachen Verteilung von Impfstoffen verteidigt. Konkret betonte der Kanzler, dass Ziel der EU-Kommission sei es gewesen, allen Bürgern bis zum Sommer eine Impfung anzubieten. Eine "stärker werdende Kluft" innerhalb der EU könne nicht gut sein, so Kurz. Er sei aber optimistisch, dass es beim Gipfel zu einer Lösung kommen werde.

Berlin sieht keinen Konflikt

Danach sieht es aktuell aber noch nicht unbedingt aus: Auch Deutschland ist gegen die von Kurz und anderen Ländern geforderte Neuverteilung von Corona-Impfstoffen in der Europäischen Union. "Ich kann mich über diese Diskussion nur wundern", sagte Europa-Staatssekretär Michael Roth (SPD) am Dienstag vor Beratungen mit seinen EU-Kollegen. Er sei überrascht darüber, dass der Eindruck mangelnder Solidarität entstanden sei. "Wir haben hier ein sehr transparentes Verfahren", fuhr Roth fort.

Einige Staaten, darunter Österreich, hätten die ihnen nach Bevölkerungsgröße zustehenden Impfstoffkontingente nicht ausgeschöpft. Diese Mengen seien anderen EU-Ländern angeboten worden. "Daraus einen Konflikt zu konstruieren, der der Heilung bedarf, sehe ich überhaupt nicht", sagte Roth. "Ich sehe derzeit keine Veranlassung, an diesem transparenten und sehr fairen Verfahren etwas zu verändern."

Korrekturen abgelehnt

Kurz hatte gemeinsam mit fünf osteuropäischen Ländern darauf gedrungen, die Aufteilung der Impfstoffe neu zu justieren. "So wie es ist, so soll es nicht bleiben", hatte er Mitte März gesagt. Auf seiner Seite hatte er Bulgarien, Kroatien, Lettland, Slowenien und Tschechien. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte daraufhin vorgeschlagen, nun für das zweite Quartal zusätzlich vorgesehene zehn Millionen Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer für einen Ausgleich zu nutzen.

Roth lehnte derartige Korrekturen ab. Österreich und die anderen Länder hätten wie alle EU-Staaten die Möglichkeit gehabt, Impfstoffmengen gemäß ihrer Bevölkerungszahl zu bestellen, hätten es aber nicht getan, sagte er. Daraufhin seien bei den übrigen Mengen andere EU-Länder zum Zuge gekommen.

"Fairness und Solidarität"

Auch Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) pochte am Dienstag bei der Neuverteilung von Corona-Impfstoffen in der Europäischen Union auf "Fairness und Solidarität". Auf die Frage, ob die im Raum stehende Vetodrohung Österreichs noch aufrecht sei, antwortet Edtstadler am Dienstag vor einem virtuellen Treffen mit EU-Amtskollegen: "Das ist nicht unser Ziel." Die Verhandlungen seien am Laufen, man hoffe auf eine "gute Lösung".

"Es geht tatsächlich um eine faire Verteilung der Impfdosen über ganz Europa", sagte Edtstadler zu Journalisten. Die Krise könne man nur "gemeinsam überstehen", und dafür brauche es Solidarität und Chancengleichheit. Wenn in der EU bis zum Sommer 70 Prozent durchgeimpft sein sollten, hätte es wenig Sinn, wenn ein Land mehr und ein anderes Land weniger Impfungen aufweise.

Malus für Österreich

Angesprochen auf die 400.000 Dosen, die Österreich aus dem vorgezogenen Biontech/Pfizer-Kontingent nach Angaben von Bundeskanzler Kurz erhalten soll, erklärte Edtstadler: "Wir wollen eine faire Verteilung, und wir wollen einen Ausgleich schaffen, was immer das in Dosen dann ganz konkret heißt, aber natürlich freuen wir uns über jede Dose für Österreich." Ginge es nach dem Bevölkerungsschlüssel, würden Österreich nur 200.000 zustehen.

Allerdings ist derzeit laut einem Bericht der "Financial Times" ein ganz anderer Vorschlag im Gespräch. Demnach soll ein Dritten der nun zu verteilenden zehn Millionen Dosen, die Pfizer/Biontech früher liefern kann, an jene Staaten gehen, als deren Anwalt sich Kurz in den vergangenen Tagen dargestellt hatte: Lettland, Estland, Bulgarien und Kroatien, die tatsächlich bisher weniger Impfdosen bekommen haben, als ihnen nach dem EU-Verteilungsschlüssel zustehen würde.

Österreich, das bisher nicht weniger bekommen hat, als sein Bevölkerungsanteil an der EU ausmacht, würde dann hingegen nur zwei Prozent der restlichen 6,6 Millionen erhalten: etwa 133.000 Dosen. Dagegen richtet sich die nunmehrige Wiener Vetodrohung. "Kurz wird keine einzige Spritze erhalten", wird in dem FT-Text ein EU-Vertreter zitiert, der anmerkt, der Kanzler habe sich in Brüssel mit seinem Vorstoß keine Freunde gemacht.

Zurückhaltung bei Exportverboten

In Hinblick auf Forderungen nach umfassenden Exportverboten für in der EU produzierte Impfstoffe zeigte sich Roth vorsichtig. Bei Impfstoffen gehe es um komplizierte Lieferketten, bei denen Europa auch Bestandteile aus Drittstaaten beziehe, sagte er. "Insofern gibt es bei uns auch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber generellen Exportverboten."

Bei möglichen Exportverboten liegt die EU vor allem im Streit mit Großbritannien. Sie fühlt sich bei Impfstofflieferungen durch den britisch-schwedischen Hersteller Astra Zeneca benachteiligt, der auch in der EU produziert. Von der Leyen hatte deshalb Astra Zeneca mit einem Exportverbot gedroht, sollte der Pharmakonzern nicht zuerst seine vertraglichen Lieferpflichten gegenüber der EU erfüllen. Die Union hat bisher rund 40 Millionen Impfdosen exportiert, Großbritannien bisher keine. Dass man selbst ein Exportverbot verhängt habe, weist London aber zurück. Es gehe lediglich darum, "die eigene Bevölkerung zuerst zu impfen". (red, Reuters, 23.3.2021)