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Premier Benjamin Netanjahu und seine Frau Sara bei der Wahl.

Foto: AP / Ronen Zvulin

Jerusalem – Bei der Parlamentswahl in Israel zeichnet sich nach einem starken Start in der Früh eine niedrigere Beteiligung ab. Wie das Zentrale Wahlkomitee mitteilte, lag sie am Dienstag zu Mittag bei 25,4 Prozent. Bei der Abstimmung vor einem Jahr war sie zu dem Zeitpunkt mehr als zwei Prozentpunkte höher gelegen.

Regierungschef Benjamin Netanjahu rief zur regen Teilnahme an der Abstimmung auf. Er strebt eine Wiederwahl an. Seine rechtskonservative Likud-Partei lag in den Umfragen trotz Verlusten vorn. Sein größter Widersacher, Oppositionsführer Yair Lapid von der Zukunftspartei, bezeichnete die Abstimmung als "Stunde der Wahrheit". Die niedrige Wahlbeteiligung könnte allerdings Überraschungen bringen.

Israel befindet sich seit mehr als zwei Jahren in einer politischen Dauerkrise. Nach zwei Wahlen 2019 war es Netanjahu nicht gelungen, eine Regierung zu bilden. Nach der Wahl 2020 hatten er und sein Likud unter dem Eindruck der Corona-Krise eine Koalition mit dem Mittebündnis Blau-Weiß gebildet, sie zerbrach jedoch im Dezember an einem Haushaltsstreit.

Erste Prognosen gegen 21 Uhr

Mit ersten Prognosen wird am Abend nach Schließung der Wahllokale gegen 21Uhr MEZ gerechnet, sie sind in Israel gewöhnlich ziemlich genau. Vorläufige Endergebnisse erwartet das Wahlkomitee jedoch nicht vor Freitag. Wegen der Corona-Krise gelten besondere Sicherheitsregeln, in Israel gibt es keine Briefwahl. So stimmten Infizierte in speziellen Wahllokalen ab.

Am Flughafen Ben Gurion konnten Einreisende wählen. Insgesamt waren rund 6,6 Millionen Menschen aufgerufen, die 120 Mitglieder der 24. Knesset in Jerusalem zu bestimmen. Die Wahlbeteiligung hatte im März 2020 71,5 Prozent betragen, höher als bei den zwei Wahlen davor.

Kampf um arabische Israelis

Netanjahu sagte bei seiner Stimmabgabe: "Dies ist ein Feiertag für Israel, ein Tag der Freude und des Lächelns." Der 71-Jährige kündigte am Wahltag erneut Direktflüge für Pilger von Israel nach Mekka an. Bereits im Wahlkampf hatte er versucht, arabische Israelis für sich zu gewinnen.

Ansonsten wollte er vor allem mit der rasanten Corona-Impfkampagne in Israel punkten. Viele Bürger zeigten sich jedoch unzufrieden mit seinem Krisenmanagement im Pandemieverlauf, obwohl die Zahlen der Kranken und der Krankenhauspatienten zuletzt deutlich zurückgegangen sind und rund 50 Prozent der Bevölkerung mittlerweile vollständig geimpft sind.

Die Infektionszahlen in Israel waren zwischenzeitlich teils deutlich über denen in Österreich gelegen, die Bürger mussten sich mit langen Lockdown-Phasen arrangieren. Netanjahu steht aber auch wegen eines gegen ihn laufenden Korruptionsprozesses unter Druck. Er ist seit 2009 durchgängig Ministerpräsident.

Schwierigkeiten für beide Lage

Den Umfragen nach könnte die Regierungsbildung auch dieses Mal schwierig werden. Netanjahu strebt die Bildung einer Koalition rechter und religiöser Parteien an. Es ist aber unklar, ob er dafür eine Mehrheit sichern kann. Auch für das Anti-Netanjahu-Lager dürfte es schwierig werden, auf die nötige Mehrheit von 61 Abgeordneten im Parlament zu kommen. Damit droht ein Patt, eine weitere Neuwahl im Sommer ist nicht auszuschließen.

Die Parteienlandschaft in Israel ist stark zersplittert und häufig sehr interessengeleitet. Auch wenn sie einem Lager entstammen, sind Parteien häufig nicht bündniskompatibel. Neben programmatischen Differenzen liegt dies auch an persönlichen Animositäten. Netanjahus Verhältnis zu anderen Hauptfiguren des rechten Lagers wie Naftali Bennett, Gideon Saar und Avigdor Lieberman gilt als sehr schlecht.

Eine besondere Rolle kommt dem Ergebnis der siedlerfreundlichen, rechten Yamina-Partei zu. Sie könnte Experten zufolge der Königsmacher sein. Der Yamina-Vorsitzende Bennett ist mit dem Ziel angetreten, Netanjahu abzulösen. Er hat allerdings auch nicht ausgeschlossen, in eine Koalition mit diesem einzutreten. (APA, red, 23.3.2021)