Die Entwicklung von Impfstoffen wurde von vielen Staaten massiv unterstützt – zusätzlich zur Finanzierung der Basisforschung.

Foto: Imago / MiS

Nach der Pandemie wird die Welt nicht mehr dieselbe sein. Dieser Stehsatz zur Corona-Krise gilt aber auch und vor allem für jene Bereiche, die Impfungen und Therapeutika bereitstellen: Lebenswissenschaften und Pharmaforschung.

Vor dem Corona-Ausbruch wäre es niemals denkbar gewesen, dass ein Impfstoff in weniger als einem Jahr entwickelt und zugelassen werden könnte, wie es den deutschen Entwicklern von Biontech gelang. Der bisherige Entwicklungszeit-Rekord – eine Mumps-Impfung von Merck – lag bei etwa vier Jahren.

Bisher war die Vakzinforschung innerhalb der Pharmabranche zudem ein eher überschaubarer Bereich. Sie machte mit 33 Milliarden Dollar im Jahr 2019 nur etwa drei Prozent des globalen Pharmamarktes aus, geht aus einer Aufstellung der "Financial Times" hervor. Im Vergleich dazu wird mit Krebs-Medikamenten mehr als das Vierfache – 142 Milliarden Dollar – umgesetzt.

Massive Investitionen

Im Jahr 2020 wurden diese Verhältnisse aber auf den Kopf gestellt. Die Regierungen – allen voran der USA, der EU-Länder und Großbritanniens – investierten massiv in Covid-bezogene Entwicklungen – vor allem in Impfstoffe. Üblicherweise finanzieren Staaten die risikoreiche Grundlagenforschung, die klinische Forschung übernehmen dann private Unternehmen.

Eine Konstellation, die auch oft kritisiert wird: Denn damit ermöglicht die Allgemeinheit die Umsätze der Pharmabranche, ohne selbst davon monetär zu profitieren. Wissenschaftliche Errungenschaften wie die mRNA-Technik oder auch nur Gen-Sequenzierungen wären ohne staatlich finanzierte Hochschulforschung nicht denkbar.

Die Pharmabranche pickt sich in der Wirkstoffentwicklung die vielversprechendsten Kandidaten heraus und versucht sie meist über ein Jahrzehnt hinweg durch drei klinische Phasen Richtung Markt zu führen. Die Drop-out-Quote ist dennoch hoch: Neun von zehn schaffen es nicht auf den Markt.

Vier Pharmariesen

Die Covid-Impfstoffentwicklung bekam jedoch abseits dieser Konstellation noch einen weiteren öffentlichen Boost. Zusätzlich zum Einkauf der Dosen durch die Staaten bekam Biontech in Deutschland hunderte Millionen, Moderna in den USA sogar Milliarden an Geldern. Noch nie ist in diesem Bereich so schnell so viel Geld geflossen. Im Vergleich zu den wirtschaftlichen Schäden der Krise ist das dennoch nur ein Klacks.

Vor der Krise gab es vier Pharmariesen, die sich 90 Prozent des Impfstoffmarktes aufteilten: Glaxo Smith Kline (GSK), Merck, Pfizer und Sanofi. Pfizer konnte mit der Partnerschaft mit Entwickler Biontech auch in der Corona-Welt bestehen. Das Team Sanofi/GSK schafft es, wie kürzlich bekannt wurde, wohl erst 2022 zur Zulassung. Merck hat die Entwicklung gestoppt. Modernas mRNA-Impfstoff ist dagegen überhaupt erst das erste Produkt des Unternehmens.

Doch die Impfstoffe dieser großen Player sind nur die gut sichtbare Front im Kampf gegen Covid. Dahinter gibt es dutzende Vakzine in frühen Phasen, hundertfache Therapieentwicklungen, die Beschleunigung der Digital-Health-Anwendungslandschaft und tausende Zulieferer, die sich um Wirkstoffbestandteile, die Automatisierung der Produktion und andere Aspekte Gedanken machen. Eine Hundertschaft an Start-ups im Life-Science-Bereich gibt Aussicht auf neue Lösungen – und hat nun höhere Chancen auf Investitionen.

Wenig privates Risikokapital

In vielen dieser Forschungsbereiche sind auch österreichische Institute und Unternehmen aktiv. Zu den prominenten Vertretern gehört etwa das Wiener Unternehmen Apeiron, das vor kurzem die klinische Phase zwei eines Therapeutikums erfolgreich abgeschlossen hat. Polymun Scientific in Klosterneuburg liefert etwa spezielle Lipid-Nanopartikel, die mRNA der Impfstoffe in die Zellen transportieren, an Biontech/ Pfizer.

Eine eigene Plattform für Diagnostik und Impfstoffe peilt das Wiener Start-up Viravaxx gemeinsam mit der Medizinischen Universität Wien an. Am Standort des Pharmakonzerns Novartis in Tirol sollen zudem künftig die mRNA-Bausteine für den Impfstoff von Curevac hergestellt werden.

Gerade in Österreich, wo anders als in den USA wenig privates Risikokapital investiert wird, ist die Startphase neuer Entwicklungen, etwa im Bereich von Start-ups und im Technologietransfer, der aus der Grundlagenforschung herausführt, gut durch staatliche Fördergeber abgedeckt.

Beispielsweise ist das Austria Wirtschaftsservice (AWS) mit dem Programm aws Life Science Austria (LISA) in diesem Bereich tätig. "Mit aws LISA Life Science wurden seit 1999 mit mehr als 63 Millionen Euro mehr als hundert Unternehmen in ihrer Frühphase finanziert", resümiert AWS-Geschäftsfeldleiterin Marlis Baurecht.

Mühen der Ebene

Bei der Förderagentur FFG, die von Wirtschafts- und Klimaschutzministerium getragen wird und ebenfalls eine Reihe von Angeboten für junge Unternehmen und im Bereich des Technologietransfers zur Verfügung stellt, spricht man etwa von einem besonders "guten präklinischen Biotop" des Landes.

Woran es grundsätzlich mangelt, sind Gelder, die die Mühen der Ebene besser durchstehen lassen: die Jahre, nachdem ein erfolgreicher Forschungsstart geschafft ist, Kommerzialisierbarkeit oder das Interesse von Investoren aber dennoch noch nicht gegeben sind.

"Mit der Covid-Krise ist klar geworden, dass es kein Standardinstrument für klinische Studien gab und gibt. Hier sollte Österreich stärker aktiv werden", betont FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner in diesem Zusammenhang. Der Notfall der Corona-Pandemie brachte nun eine Sonderförderung.

Der 2020 aufgesetzte und mittlerweile beendete Corona-Emergency-Call der FFG zielte auf Projekte in verschiedenen Corona-bezogenen Bereichen ab. Die Reaktionen der heimischen Forschungslandschaft übertrafen die Erwartungen. Trotz kurzfristiger Anberaumung gab es knapp 150 Einreichungen. 53 Projekte wurden mit insgesamt 26 Millionen Euro gefördert, darunter auch die erwähnten Projekte von Apeiron oder Viravaxx. "Gerade die aktuellen Bedrohungen durch die Pandemie sowie der zu Beginn der Corona-Krise abgewickelte Emergency-Call, zeigen, dass durch Förderung von klinischen Studien ein wichtiger Beitrag geleistet werden kann, um den Transfer von Forschungsergebnissen in den medizinischen Alltag zu beschleunigen", resümiert Pseiner.

Versorgungssicherheit

Blickt man auf die Impfstoffe, zeigt die Krise auch, dass die Interessen privater und staatlicher Akteure nicht immer übereinstimmen. Um die Versorgungssicherheit sicherzustellen, überlegen viele Staaten den Aufbau eigener Produktionskapazitäten. Für Österreich ist etwa angedacht, im Zuge einer Impfstoffallianz die Zusammenarbeit bei Forschung und Produktion mit Dänemark und Israel zu vertiefen.

FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth sieht in diesem Zusammenhang auch den Bedarf an weiteren Investitionen: "Ein starkes länderübergreifendes Engagement wie mit Dänemark und Israel und eine Bündelung der Life-Science- Aktivitäten in medizinisch kritischen Bereichen mit zusätzlichen Mitteln in der Höhe von 40 bis 100 Millionen Euro jährlich wären sinnvoll."

Umrüstbare Anlagen

Nachhaltige Ansätze einer Sicherstellung der Impfstoffversorgung würden Anlagen vorsehen, die dank neuer Plattformtechnologien flexibel und schnell umrüstbar sind – was natürlich auch den Forschungsbedarf erheblich steigern würde. Um eine derartige Vision Realität werden zu lassen, müsste die Zusammenarbeit von Staat und privat gegebenenfalls in neuer Weise organisiert werden.

Gleichzeitig muss auch sichergestellt werden, dass Impfkampagnen im Globalen Süden in die Gänge kommen – es liegt im Wesen der Pandemie, dass sie auch tatsächlich global bekämpft werden muss, etwa um der Entstehung neuer Mutanten zu verhindern.

Wie die Impfstoffversorgung künftig tatsächlich aussehen wird, ist kaum absehbar. Klar ist, dass die Branche nachhaltig in Bewegung geraten ist. Covid-Mutationen sowie ein neues Bewusstsein um die ständige Gefahr von Zoonosen – also von Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden – tragen dazu bei.

Die Möglichkeiten der neuen mRNA-Plattformen weisen den Weg. Ein mögliches Ziel: eine jährliche Impfung, die die Vorsorge bei aktuellen Grippesträngen und Covid-Mutationen in einem Präparat vereint. (Alois Pumhösel, 28.3.2021)