Einsilbige Antworten, gefolgt von gelangweiltem Augenrollen: Wenn Eltern fragen, wie es in der Schule war, reagieren Kinder meist genau so. Das Kind ist genervt, Papa oder Mama unzufrieden, das Gespräch ist gelaufen. Aber was ist an der Frage so falsch? Über die gängigsten Kommunikationsfehler hat der STANDARD mit vier Experten und einem Volksschüler gesprochen. Wir wollten von ihnen wissen, wie es Erwachsenen gelingen kann, wirklich mit einem Kind ins Gespräch zu kommen. Zwei Kinderpsychologinnen, ein Sozialpädagoge, ein Psychiater und ein Achtjähriger gaben Auskunft.


"Kinder nicht als Nebensache behandeln"

"Es beginnt schon damit, dass Erwachsene Kinder oft nicht ernst nehmen, ihnen nicht richtig zuhören. Die Kinder imitieren uns, und irgendwann hören sie auch nicht mehr zu. Ein erster Schritt ist also, aufmerksam zu sein und Gespräche mit Kindern nicht als Nebensache zu behandeln. Da gibt es dieses eingängige Bild: Ein Elternteil hetzt mit dem Wäschekorb durch die Wohnung, schaltet den Ofen ein, räumt den Geschirrspüler aus, und das Kind läuft ihm hinterher und fragt unaufhörlich und immer wieder: 'Wann bekomm ich endlich mein Eis?' Dann läutet auch noch das Telefon, und er oder sie sagt: 'Jetzt wart einmal kurz!' Und das Kind rebelliert.

In dieser Situation würde es vielleicht helfen, sich kurz die Zeit zu nehmen, ruhig zu erklären: 'Schau mal, ich hab jetzt im Haushalt noch ein bisschen was zu tun, und dann koch ich uns ein gutes Mittagessen, und nachher können wir über Eis reden.' Somit wird das Kind in seinem Anliegen ernst genommen und muss eventuell nicht mittels anderer, negativer Mittel versuchen, die Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen.

Christine Greinöcker rät, Kindern gut zuzuhören – sonst hören sie irgendwann auch nicht mehr zu.
Foto: Christina Baireder

Das heißt aber nicht, dass Eltern alles stehen und liegen lassen müssen, wenn Kinder etwas wollen. Es ist auch wichtig, dass sie einmal sagen: 'Jetzt kann ich gerade nicht, ich muss kurz telefonieren.' Oder auch: 'Ich möchte jetzt kurz mit einer Freundin/einem Freund telefonieren.' Aber danach muss das, was sie in Aussicht gestellt haben, auch wirklich eingelöst werden. Sonst haben Kinder das Gefühl, dass alles andere wichtiger ist als sie. Ein halbherziges 'Ich bin eh gleich da' bringt wenig. 'Gleich' bedeutet für Kinder in drei Sekunden, und wenn es dann nicht passiert, haben sie das Gefühl, Papa und Mama halten ihre Versprechungen nicht ein.

Wichtig ist auch, echtes Interesse am Kind zu zeigen. Es also nicht einfach bei der Frage 'Wie war es in der Schule?' zu belassen, sondern auch hinsichtlich anderer Themen nachzufragen. Sich zu erkundigen, was das Kind heute genau gemacht hat, womit es sich beschäftigt hat oder was es sonst noch vorhat. Wenn es in der Schule gerade nicht so gut läuft, möchte das Kind vielleicht auch gar nicht andauernd über die Schule reden. Durch das ständige Fragen wird das Thema immer größer und größer. Ein Kind, das sich in der Schule leichttut, hat vielleicht weniger Probleme mit der Frage. Hier ist Sensibilität gefragt. Um ins Gespräch zu kommen, könnte man den Spieß aber auch mal umdrehen, und die Eltern erzählen von sich aus, wie der Tag bei ihnen bisher so abgelaufen ist – und was sie noch für Ideen für den Rest des Tages haben."

Christine Greinöcker ist klinische Psychologin und arbeitet seit zehn Jahren mit Kindern und Jugendlichen. Sie hat eine Praxis in Hartkirchen, Oberösterreich. Sie ist selbst in einer großen Familie aufgewachsen und Mutter von drei Kindern.


"Fühlen sich Kinder verstanden, sprechen sie"

"Der entscheidende Kniff für die Kommunikation mit Kindern – und das gilt für Erwachsene ebenso – besteht darin, sie am gerade eben vorherrschenden Gefühl abzuholen. Also erst einmal das Gefühl ansprechen und klären, dann kann es um inhaltliche Fragen wie Schule oder Ähnliches gehen. Wenn die Kinder sich so verstanden fühlen, werden sie über kurz oder lang auch von selbst zu sprechen beginnen, wenn es etwas Wichtiges gibt.

Erst nachdem es um Gefühle gegangen ist, sollte es um Schule gehen, rät Hans-Otto Thomashoff.
Foto: Andrea Diemand

Es ist darauf zu achten, die echten Gefühle des Kindes zu erkennen und die eigene Wahrnehmung mit ihnen abzuklären. Eine Möglichkeit ist, seine Vermutungen zu teilen und zum Beispiel zu sagen: 'Ich habe das Gefühl, du bist gerade sehr erschöpft, liege ich da richtig?' Das ist besser, als ihnen ein Gefühl zuzuschreiben, das sie in Wirklichkeit gar nicht haben. Denn dann läuft das Gespräch mitunter so ab:

'Du bist ja ganz schön wütend.'

'Nein, bin ich nicht.'

'Doch!'

Und das geht dann so lange, bis auch der Gutmütigste wütend wird.

Damit es gelingt, Kinder bei ihren Gefühlen abzuholen, ist es hilfreich, sich als Erwachsener auch mit seinen eigenen Gefühlen auszukennen. Sonst sind Zuschreibungen an der Tagesordnung."

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018). Er liefert im STANDARD-Familienrat eine Expertensicht zu Erziehungsfragen.


"Ewiges Rumgenörgel nervt Kinder"

"Bei Kindern ist es wichtig, eindeutig zu kommunizieren. Wenn ein lächelnder Papa sagt: 'Jetzt bin ich aber richtig böse auf dich', kommt das bei ihnen nicht an. Das Gesagte muss mit der Körpersprache übereinstimmen, sonst sind sie verwirrt. Außerdem sollten Eltern rechtzeitig ansprechen, wenn sie etwas ärgert, und nicht erst dann, wenn sich die Wut schon lange angestaut hat. Wenn das Zimmer schon komplett im Chaos versinkt, ist es zu spät. Lieber früher etwas klar ansprechen, als zu platzen, und dann tut es einem leid.

Wenn man etwas anspricht, sollte man das Kind nicht nur kritisieren und darauf rumhacken, was es in letzter Zeit alles so falsch gemacht hat. Dieses ewige Rumgenörgel nervt Kinder. Mein Tipp an Eltern ist: Sagen Sie, was Ihnen wichtig ist, und und bieten Sie ihm Unterstützung an. Fragen Sie, was es braucht, um sein Zimmer besser sauber halten zu können. Und sprechen Sie vor allem die Dinge mit Wertschätzung an, die Ihrem Kind gelingen.

Frank Gaschlers Tipp, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen: öfter von sich selbst erzählen.
Foto: ho

Um mit Kindern ins Gespräch zu kommen, kann man öfter von sich selbst erzählen. Damit schafft man eine Kultur des Interesses aneinander. Das Problem an der Frage 'Wie war es in der Schule?': Die Kinder wissen, dass, wenn sie ehrlich antworten, vielleicht gleich eine Zurechtweisung folgt. Kinder müssen in der Schule viel leisten, sie kommen heim, und ihnen raucht der Kopf. Wenn sie dann diese Frage hören, haben sie das Gefühl, wieder abliefern zu müssen und wieder bewertet zu werden.

Das Problem an der Frage ist auch, dass sie nicht gerade zum ausführlichen Antworten einlädt. Was würden Sie denn sagen, wenn ihr Partner Sie fragt, wie es in der Arbeit war? Stattdessen könnte man zum Beispiel fragen: 'Wie war es heute mit deinen Freundinnen?' Besonders nett sind auch positive Fragen wie: 'Was ist denn heute besonders gut gelaufen?' Oder einfach ein 'Wie geht es dir? Willkommen! Schön, dass du da bist!'. Die ausführlichen Gespräche über den Tag können dann ja ein Gute-Nacht-Ritual sein."

Frank Gaschler ist Sozialpädagoge und Mediator. Gemeinsam mit seiner Frau Gundi Gaschler hat er ein Buch über gewaltfreie Kommunikation geschrieben: "Ich will verstehen, was du wirklich brauchst" (Kösel-Verlag). Er hat zwei erwachsene Töchter.


"Kinder wünschen sich Erklärungen"

"Erwachsene argumentieren oft rational, wenn sie mit Kindern sprechen. Kinder sind öfter mal auf einer emotionalen Ebene unterwegs. Sie haben ein Problem, sind wütend oder traurig und wollen, dass das gesehen wird. Kein Wunder, dass es da zu Missverständnissen kommt. Was helfen könnte, ist, wenn Eltern die Gefühle der Kinder anerkennen und sagen: 'Du bist traurig, und das ist in Ordnung so.' Das ist häufig besser, als gleich mit Lösungsvorschlägen zu kommen. Da sein und zuhören alleine ist schon eine ganz große Unterstützung. Kinder merken, wenn man echtes Interesse zeigt.

Da sein und zuhören ist die beste Kommunikationsbasis, sagt Jasmin Mandler.
Foto:Markus Morawetz

Wenn es darum geht, Entscheidungen zu kommunizieren, wünschen sich Kinder Erklärungen. Das ist ganz verständlich – wir Erwachsenen wollen ja auch verstehen, warum etwas notwendig ist. Versteht man, warum etwas getan werden soll, tut es sich auch leichter. Wir können uns jedoch viele Erklärungen selbst holen – Kinder sind von den Erklärungen Erwachsener abhängig. Die sind aber manchmal sehr komplex und schwer zu verstehen. Was helfen kann: sich vorher gut zu überlegen, was man sagen möchte, und dann eine klare Botschaft zu formulieren.

Auch die Frage 'Wie war es in der Schule?' ist sehr allgemein. Es empfiehlt sich, konkreter zu fragen: 'Was hast du heute gelernt? Was hat dich überrascht?' Ich kann mir auch vorstellen, dass es für Kinder eine große Anstrengung ist, ihren gesamten Schultag, an dem sie so viel erlebt haben, in ein paar knackigen Sätzen zusammenzufassen. Manche Kinder freuen sich auch einfach nur, wenn der Schultag vorbei ist und sie nicht mehr viel davon berichten müssen."

Jasmin Mandler ist klinische Psychologin im Pädagogisch-Psychologischen Zentrum (Päpsy) in Wien.


"Wenn Eltern zu erwachsig reden, verstehe ich sie nicht"

"Wenn meine Eltern zu 'erwachsig' reden, kann ich sie manchmal nicht verstehen. Dann muss ich nachfragen. Sonst bin ich immer happy, wenn sie alles erklären. Also zum Beispiel, wieso ich meinen Freund heute nicht treffen kann.

Die Frage 'Wie war es in der Schule?' finde ich nervig. Weil jedes mal gehe ich bei der Tür rein und sag 'Hallo, Mama', und eine Sekunde später fragt sie: 'Wie war's in der Schule?' Ich hab da gerade mal meine Schultasche abgelegt. Meistens antworte ich dann nur 'gut'. Ohne Erklärung."

Elias' Mama: "Elias, wenn ich dich frage, wie es in der Schule war, und du sagst 'gut', was ist dann die nächste Frage, die ich stelle?"

"'Was hast du heute gelernt?', fragst du dann. Und dann antworte ich meistens, was mir so in Erinnerung geblieben ist. Zum Beispiel heute habe ich Geigenunterricht gehabt. Wenn wir fertig sind, über die Schule zu reden, frage ich meine Mama, wie ihr Tag war. Und sie sagt dann meistens 'stressig'."

Elias ist acht Jahre alt und Schüler in Wien.