Angesichts stark steigender Corona-Zahlen spielt die Auslastung von Intensivbetten eine große Rolle. In Wien sind fast 52 Prozent der Intensivbetten mit an Covid Erkrankten belegt. Experten gehen davon aus, dass sich die Lage weiter zuspitzen wird.

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Am Montag sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für Wien, Niederösterreich und das Burgenland von einer "angespannten Situation". Die Bundeshauptstadt verzeichnete indes sogar einen neuen Rekordwert. Mit Stand Dienstag benötigten 168 Corona-Infizierte eine intensivmedizinische Betreuung. Das sind um 16 belegte Intensivbetten mehr als noch am Sonntag – das geht aus Zahlen des Krisenstabs hervor. Bis Ende März, so die aktuelle Prognose der Corona-Kommission, wird in Wien die Zahl von 200 belegten Intensivbetten durch Corona-Erkrankte erreicht sein. Doch wie sieht die Lage an vorderster Front, direkt auf den Stationen, aus?

Hinweis: Für Wien sind in der ersten Aprilwoche 2020 je 30 bis 44 belegte und stets 0 freie Betten in den offiziellen Daten erfasst. Dadurch ergeben sich die 100-Prozent-Balken. In Salzburg wurden für drei Wochen im Juli weder belegte noch freie Betten gemeldet.

Frage: Wie angespannt ist die derzeitige Lage auf den Stationen?

Antwort: Laut dem Wiener Koordinator für Intensivbetten, Stephan Kettner, befinden sich derzeit 397 Covid-Patienten in stationärer Behandlung in den Kliniken des Wiener Gesundheitsverbundes. Davon benötigen 159 eine intensivere Unterstützung der Atmung, die auf Intensiv-, Intermediate-Care- oder Hochflusssauerstoff-Therapie-Stationen stattfindet. "Die Lage ist angespannt, die Situation ernst", sagt Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf. Betreut werden hier derzeit 103 Covid-Patienten, 32 davon in Intensiveinheiten. Auch am AKH Wien spitzt sich die Lage zu. 26 Covid-Patienten liegen derzeit auf der Intensivstation des Krankenhauses. "Damit sind alle Kapazitäten komplett ausgelastet", sagt Thomas Staudinger, Leiter der Intensivmedizin am AKH. "Im Moment können wir keine neuen Covid-Patienten mehr aufnehmen."

Normalerweise übernimmt das AKH auch Patienten von anderen Krankenhäusern, die spezielle Lungenersatztherapien, sogenannte ECMO-Behandlungen, benötigen. Durch die vielen jungen Covid-Patienten ist diese Therapie im Moment häufig nötig, so Staudinger. Von den 20 speziellen Maschinen, die für die Behandlung von Covid-Patienten bereitstehen, sind derzeit 16 in Verwendung – ohne freies Intensivbett kann die Behandlung aber nicht durchgeführt werden.

Frage: Müssen geplante Operationen bereits verschoben werden?

Antwort: Am AKH werden planbare Operationen bereits seit zwei Wochen verschoben. "Es geht hier um große Tumoroperationen und komplexe Herzoperationen", sagt Staudinger. Die Entscheidung würde im Einzelfall getroffen werden – "derzeit ist es aber immer auch eine Frage der Intensivbettenkapazität". Alle lebensnotwendigen, akuten Operationen werden – wie bisher auch – weiterhin sofort durchgeführt, heißt es seitens der Klinik Floridsdorf.

Frage: Kommt es bereits zu Triagen?

Antwort: Bisher, sagt Stephan Kettner, seien Triagen nicht notwendig gewesen. Auch am AKH müssten Ärzte nicht entscheiden, wen sie im lebensbedrohlichen Notfall behandeln und wen nicht. "Wenn aber wichtige Bypass-Operationen verschoben werden, ist das meiner Meinung nach auch eine gewisse Form der Triage", sagt Staudinger.

Frage: Könnten weitere Kapazitäten geschaffen werden?

Antwort: Im AKH sei man gerade dabei, zwischen verschiedenen Stationen umzustrukturieren. "Das wird aber zulasten anderer Patienten gehen", sagt Thomas Staudinger. Auch in den Krankenhäusern des Wiener Gesundheitsverbundes werden zusätzliche Intensivbetten bereitgestellt. "Klar ist aber, dass das durch eine Reduktion des Leistungsangebotes, zum Beispiel bei geplanten Operationen, erkauft wird", sagt der Wiener Koordinator für Intensivbetten, Stephan Kettner.

Frage: Wie hat sich die Situation im Vergleich zum Herbst verändert?

Antwort: Die Patienten werden nicht nur jünger, es gibt auch schwerere und raschere Verläufe. In der Klinik Floridsdorf liegt das derzeitige Durchschnittsalter bei 40 bis 45 Jahren. "Wir vermuten, dass das mit den Mutationen zusammenhängt", sagt auch Staudinger, der am AKH nun ebenfalls jüngere Covid-Patienten als noch im Herbst betreut. Der Großteil der Betroffenen wird mit der britischen Mutation eingeliefert. "Während im Herbst einer von zehn Patienten auf die Intensivstation musste, ist es nun einer von drei oder vier Patienten", sagt Staudinger. Aufgrund ihres Alters hätten die Patienten bessere Überlebenschancen – sie würden aber auch länger auf der Intensivstation liegen als noch im Herbst, wo viele ältere Patienten schneller am Virus verstorben sind. Das führe auf Dauer dazu, dass Intensivstationen stärker belastet werden.

Frage: Ab wann wird es wirklich kritisch mit der Versorgung?

Antwort: Die Situation, sagt Kettner, sei jetzt schon kritisch, da wichtige Operationen verschoben werden müssen. Am AKH sei es laut Staudinger "eng, aber gerade noch managebar". Setzen sich die Prognosen bis Ostern allerdings fort, drohe ein Ausnahmezustand: "Ich weiß nicht, wie wir das dann hinkriegen sollen." (Eja Kapeller, Julia Palmai, 23.3.2021)