Der Auftritt war ein Dokument der Ratlosigkeit. Sieben Minuten lang rang Ulrike Königsberger-Ludwig im Ö1-"Morgenjournal" um Erklärungen, warum ein schärferer Lockdown nicht nötig sei. Auf die Frage nach den Alternativen erzählte Niederösterreichs Gesundheitslandesrätin etwas von einem Frühwarnsystem. Ab einer gewissen Infektionsrate müssten die Bezirkshauptleute in "intensiven Austausch" mit den Bürgermeistern treten, die dann das Volk über die brenzlige Lage informieren sollen. Na dann: Da wird sich das Virus bestimmt schlagartig verflüchtigen.

Die Landespolitikerin liegt voll im Trend. Von allen Seiten erschallt der Ruf nach originelleren Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung als die ewigen Lockdowns. Doch welches Wundermittel das sein soll, bleibt dabei im Dunkeln.

Kann sich Österreich nicht aus der Misere heraustesten? Schon jetzt lässt sich kaum ein anderes Volk derart exzessiv in der Nase herumbohren, den Anstieg der Infektionszahlen verhindert dies nicht. Es ist zu befürchten, dass viele Menschen die Momentaufnahme eines ohnehin schon unsicheren Schnelltests als Freibrief begreifen und so den positiven Effekt der Testerei untergraben.

Hätte in den letzten Monaten alles offen gehabt, wären die Infektionszahlen nun wohl noch dramatischer.
Foto: imago images/Sven Simon

Hilft besseres Contact-Tracing? Sicher – doch die Kapazitäten lassen sich nicht schlagartig nach Belieben hochfahren. Explodieren die Fallzahlen, kommt auch eine top aufgestellte Kontaktverfolgung beim Aufspüren nicht mehr nach.

"Sensibilisierung" der Bevölkerung

Und die "Sensibilisierung" der Bevölkerung, die nun ebenfalls beschworen wird? Gerade diverse Landespolitiker betreiben das Gegenteil, indem sie ständig die Behauptung wiederkäuen, dass Lockdowns nicht mehr wirkten, weil sich niemand mehr dran halte. Je öfter die Leute das hören, desto eher werden sich denken: Eh schon alles wurscht.

Doch das ist es eben nicht. Trotz aller Unlust halten sich immer noch genügend Menschen an die Regeln, sodass es einen Unterschied macht, ob private Treffen freigegeben oder beschränkt sind, ob Wirte, Hotels und Geschäfte sperren müssen oder nicht. Bei allerorts offenen Türen hätte die aggressivere Virusmutation die Infektionen – wie im Herbst – wohl bereits in viel dramatischere Höhen getrieben.

Damit ist nicht gesagt, dass Österreich zuletzt, bei der Öffnung des Handels, unverantwortlich vorgegangen ist. Noch sind die Spitäler – das entscheidende Kriterium – ja nicht überlastet, und der Vergleich mit Deutschland zeigt: Seit Jahresbeginn sind hierzulande im Verhältnis weniger Menschen an Covid gestorben als im Nachbarland.

Nun aber sprechen die Prognosen für jenen Weg, den die deutsche Regierung einschlagen wollte, aber wieder abgeblasen hat: Verschärfungen rund um Ostern, zumindest in den besonders gebeutelten Regionen – samt angemessen ernster Botschaft. So trostlos das gerade zum Fest der Auferstehung klingt: Die Politik soll einen Willen zur Kontrolle und notfalls zur Strafe demonstrieren. Niemand darf schikaniert werden, jeder hat ein Recht auf unbeschwerte Zeit außer Haus. Doch sitzen die Leute am Wiener Donaukanal praktisch übereinander, müssen zur Mahnung eben Streifenwagen vorbeifahren. Steigt in irgendeinem Stadl ein Fest, darf kein Dorfpolizist wegschauen.

Man kann jeden verstehen, der das als unerhörte Beschneidung der Grundrechte empfindet. Aber auch dem Kranken, der in einer überfüllten Intensivstation keine adäquate Behandlung mehr erhält, wird ein Bedürfnis verweigert – und dabei geht es um Leben oder Tod. (Gerald John, 23.3.2021)

Die Passage zu Deutschland wurde nach der jüngsten Entwicklung rund um die "Osterruhe" aktualisiert.