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Saad Hariri versucht weiter, eine Regierung zu bilden.

Foto: AP / Bilal Hussein

Der libanesische Ministerpräsident Hassan Diab konnte vor einigen Tagen ein seltsames – und für sein Land bitteres – Jubiläum begehen: Wenige Tage nach der Explosionskatastrophe in Beirut am 4. August 2020 war er zurückgetreten; nun ist er als Übergangspremier länger im Amt, als er es zuvor, ab 21. Jänner, regulär war. Und am Montag ist erneut die Hoffnung zerbrochen, dass das politische Vakuum durch die Bildung einer neuen Regierung beendet wird.

Als designierter Premier fungiert einmal mehr Saad Hariri, nachdem ein Politikneuling, der Diplomat Mustapha Adib, im September das Mandat nach nur gut drei Wochen zurückgelegt hatte. Zum 18. Mal trafen sich am Montag Präsident Michel Aoun und Hariri zu Verhandlungen. Danach ging Hariri in die Öffentlichkeit, um Aoun zu beschuldigen: Der Präsident habe seinem, Hariris, Wunsch, eine parteilose Technokratenregierung mit 18 Ministern zu bilden, nicht stattgegeben und ihm stattdessen eine Liste mit bis zu 22 Kabinettsmitgliedern vorgelegt, die er nach Religions- und Parteizugehörigkeit "füllen" sollte.

Aoun habe dabei seinen Verbündeten ein Veto-Drittel im Ministerrat gesichert. Der Präsident bestritt diese Darstellung, es habe sich nur um einen Vorschlag für die "Methodologie" der Regierungsbildung gehandelt.

"Warten auf Godot"

Aoun ist seit 2016 im Amt, auch seiner Wahl war ein präsidentielles Vakuum von fast zwei Jahren vorangegangen. Politisch ist der maronitische Christ beziehungsweise seine Partei Freie Patriotische Bewegung mit der schiitischen Hisbollah verbündet. Deren Chef, Hassan Nasrallah, sprach sich vorige Woche gegen eine Technokratenregierung aus: Sie werde nicht lange halten. Die Hisbollah gilt als vom Iran gesteuert – und die libanesische Innenpolitik als Faustpfand in der Auseinandersetzung zwischen Teheran und Saudi-Arabien beziehungsweise den USA. Hoffte man zuvor auf eine neue Dynamik durch den Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden, so starrt man jetzt gebannt auf den Iran, wo im Juni Präsidentschaftswahlen stattfinden. Das ist wie "Warten auf Godot", zitiert France 24 den libanesischen Politologen Karim Émile Bitar.

Hariri wird von seinen Gegnern vorgeworfen, selbst der Prototyp des konfessionellen Parteipolitikers und als Chef einer Technokratenregierung unglaubwürdig zu sein. Der – wie sein 2005 ermordeter Vater Rafiq Hariri – frühere Mehrfachpremier musste 2019 nach einer Protestwelle, die sich gegen das erstarrte konfessionelle Quotensystem richtete, zurücktreten. Obwohl er einen Konflikt mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman hatte, gilt er weiter als Mann der Saudis.

Konfessionelle Vorgaben

Im Libanon bestimmt die Verfassung, dass der Premier ein sunnitischer Muslim zu sein hat, der Staatspräsident ein maronitischer Christ und der Parlamentspräsident ein Schiit. Das ist seit Jahren Nabih Berri von der Schiitenpartei Amal, die sich zuletzt von der Hisbollah distanzierte und die Bildung einer Technokratenregierung unterstützt.

Dass der Libanon eine andere als eine in die üblichen Streitereien der Sekten und Parteien verstrickte Regierung bekommt, ist Voraussetzung dafür, dass dem Land, das am Rande des wirtschaftlichen Kollapses steht, von außen geholfen werden kann. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist federführend bei einer nach der Beirut-Katastrophe entstandenen internationalen Rettungsinitiative. Schon zuvor führte der Libanon ergebnislos Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds.

Absturz des libanesischen Pfunds

Nach dem Scheitern der Gespräche am Montag stürzte das libanesische Pfund einmal mehr ab, bis auf 15.000 Pfund für einen US-Dollar. Die Inflation führt dazu, dass in den Geschäften teilweise mehrmals täglich die Preise erhöht werden – von Oktober 2019 bis November 2020 errechnete das World Food Program eine Preiserhöhung bei Lebensmitteln um 423 Prozent, und das war nur ein Zwischenstand. Die Zahl der Armen hat sich bereits 2020 auf 55 Prozent verdoppelt.

Der Libanon hat die höchste Flüchtlingsrate pro Kopf auf der Welt. Im Land leben unter anderen 1,5 Millionen Menschen aus Syrien, davon hat die Mehrheit keinen legalen Status. Auch die Folgen der Explosionskatastrophe vom August 2020 wirken weiter nach, dazu kommt die Corona-Pandemie, die den Libanon hart getroffen hat. (ANALYSE: Gudrun Harrer, 24.3.2021)