Israels Premier Benjamin Netanjahu bei der Stimmabgabe.

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Oppositionsführer Lapid darf noch darauf hoffen, dass Netanjahu bei der Regierungsbildung stolpert.

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Am Nachmittag der Wahl, die Israels vierte binnen zwei Jahren war, kam das große Nervenzucken. "Los, geht wählen, sonst gibt es noch eine Wahl", warnte Benjamin Netanjahus Likud-Partei per Twitter. "Die Ultraorthodoxen laufen in Scharen in die Wahllokale!", warnte Anti-Religiösen-Politiker Avigdor Liberman. Und Bezalel Smotrich von der Partei Religiöse Zionisten klagte, dass offenbar einige seiner Wähler lieber ihre Wohnung fürs Pessachfest reinigten, als vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. "Putzen ist wichtig, aber geht auch wählen", flehte er.

Am Dienstag um Punkt 22 Uhr Ortszeit schlossen die Wahllokale. Ein Endergebnis liegt noch nicht vor. Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen liegt Premierminister Benjamin Netanjahu mit deutlichem Vorsprung zu Oppositionsführer Yair Lapid vorne. Auf 30 Sitze kommt der Amtsinhaber, Lapids Liste steht bei 18 Sitzen. Das Bild kann sich jedoch bis Auszählung aller Stimmen, mit der nicht vor Freitag gerechnet wird, noch verschieben.

Premier Netanjahu sprach jedenfalls von einem "Riesensieg". Seine Likud-Partei führe mit einem "immensen Abstand" vor Lapids Yesh Atid (Es gibt eine Zukunft), schrieb Netanjahu bei Twitter. Er dankte den Bürgern Israels. "Ihr habt der Rechten und dem Likud unter meiner Führung einen Riesensieg beschert." Es sei deutlich geworden, dass eine Mehrheit der Israelis eine "starke und stabile Rechtsregierung" wollte.

Macht das Netanjahu zum Wahlgewinner? Nein. "In Israel sind es nicht Parteien, die eine Wahl gewinnen, sondern Blöcke", bringt es Politanalyst Eytan Gilboa von der Bar-Ilan-Universität auf den Punkt. Eine Partei kann noch so stark sein – wenn sie keine Partner findet, bringt ihr das gar nichts. Netanjahus Langzeitbeziehung mit den ultraorthodoxen Parteien hat dank seiner Toleranz für Lockdown-renitente Rabbis die Corona-Zeit unbeschadet überstanden. Sie und die Religiösen Zionisten bringen Netanjahu auf 59 Sitze – die Parlamentsmehrheit liegt bei 61 Sitzen. Das Anti-Netanjahu-Lager kommt zwar mit 56 Sitzen auf mehr Mandate als erwartet, es reicht aber ebenfalls nicht für eine Regierungsmehrheit. Die arabische Partei Raam schaffte die 3,25-Prozent-Hürde und ist nun Zünglein an der Waage.

Pro oder kontra Bibi?

Hier beginnt das "Wer mit wem"-Spiel, in dem es viele Verlierer und kaum Gewinner gibt. So erklärt sich auch, warum es Israel trotz dreier Wahlgänge nicht geschafft hat, eine tragfähige Regierung zu bekommen. Um Inhalte geht es kaum mehr. Israels politische Landschaft teilt sich entlang einer schnöden Achse in zwei Lager: pro Bibi und kontra Bibi – so lautet der Spitzname Netanjahus. Von einer sicheren Mehrheit können beide Lager nur träumen.

Was passiert, wenn sich ein Politiker vor der Wahl als erbitterter Gegner Netanjahus präsentiert, dann aber doch mit ihm paktiert, illustriert Benny Gantz: Der frühere Oppositionsführer und jetzige Vizepremier kam vor einem Jahr auf 33 Mandate, jetzt sehen ihn die Exit Polls bei sieben Parlamentssitzen. Seine Blau-Weiß-Partei ist zerbröselt, trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, anzutreten – diesmal aber garantiert kontra Bibi, versprach er.

Das Anti-Netanjahu-Lager ist zerklüftet. Abgesehen vom Konsens, dass nach elf Jahren Netanjahu ein Machtwechsel nötig sei, hat es nichts gemeinsam. Es vereint Linke, Rechte, Anti-Araber-Hetzer und Araber. Selbst wenn der Block im Wahlergebnis stark genug ist, um es auf eine Mehrheit im Parlament zu bringen – eine stabile Regierung sieht anders aus.

Schlaue Positionierungen

Naftali Bennett von der rechten Partei Yamina war schlau genug, sich nicht festzulegen. Er machte sich rar, um in Koalitionsverhandlungen viel herausschlagen zu können. Schlau war auch Netanjahu, als er den nationalreligiösen Bezalel Smotrich dazu bewegte, ein Bündnis mit Hardliner Itamar Ben-Gvir einzugehen. Separat hätten beide den Einzug nicht geschafft. Nun scheint es ihnen zu gelingen – und Netanjahu ist sich der Unterstützung der Rechtsaußen-Liste sicher. Dass Ben-Gvirs Rechtsaußen-Linie vielen Likudniks zu extrem ist, nimmt er in Kauf.

Um die Wahl epidemietauglich zu machen, ließ sich die Wahlbehörde einiges einfallen. Eine Taxi-Hotline wurde eingerichtet, über die sich Covid-Infizierte und Selbstisolierte zu eigens für sie eingerichteten Wahllokalen transportieren lassen können. Die dort abgegebenen Stimmen werden dann nach Jerusalem gebracht und dort ausgezählt. Das braucht seine Zeit – ein Endergebnis könnte erst am Donnerstag vorliegen. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 23.3.2021)