Die "Wächter der Zeit" des oberösterreichischen Künstlers Manfred Kielenhofer.

APA/dpa/Paul Zinken

Linz – Nein, der 23. Oktober des Vorjahres war nicht der beste Tag im Leben von Roman S.. "Aggressiv" sei die Stimmung am Arbeitsplatz gewesen – "wegen der Maskenpflicht und den Corona-Maßnahmen", führt der 46- Jährige am Mittwoch im Verhandlungssaal 114 am Landesgericht Linz aus. Der dreifache Vater musste auf der Anklagebank Platz nehmen, da ihm die Anklage vorwirft, teure Kunstobjekte in die Donau geworfen zu haben.

Feuchttrauriger Nachmittag

Am Nachmittag des späten Oktobertages habe er sich zunächst daheim etwas gekocht, "aber ich war an diesem Tag so aufgeregt und tieftraurig", erinnert sich Roman S. Das Mittagsmahl geht dann nahtlos in ein nachmittägliches Trinkgelage über: "Mindestens zehn Bier weiß ich noch – aber es waren sicher mehr."

Problematisch wird es aber erst mit dem abendlichen Entschluss, dem schweren Rausch abendliche Frischluft entgegensetzen zu wollen. Beim Spaziergang an der Donaulände trifft Roman S. nämlich nahe einer Schiffsanlegestelle auf zwei "Wächter der Zeit".

Konkret handelt es sich dabei um gesichtslose Tuch-Skulpturen aus Polyesterharz des oberösterreichischen Künstlers Manfred Kielnhofer. Doch die nächtliche Begegnung mit den Kunstwerken fährt Roman S. "ein wie ein Blitz". Er habe sich von den rund 80 Kilogramm schweren Figuren "bedroht gefühlt". Nachsatz: "Herr Richter, mir ist alles mit den Masken untergekommen. Die Figuren haben auch kein Gesicht."

Feuchter Abgang des Wächters

Roman S. schreitet dann zur Tat – und rollt beide Figuren in die Donau. Eine davon kann die Feuerwehr später wieder bergen, für den anderen Wächter war hingegen die Zeit gekommen. Die Skulptur liegt bis heute noch irgendwo am Grund der Donau.

Der Angeklagte wird von Zeugen beobachtet – und wenig später von der Polizei gestellt. "Erst da habe ich realisiert, was passiert ist." Ob er die Skulpturen gekannt habe? Roman S.: "Nein. Ich habe mir gedacht, dass ist eine Protestaktion. Vielleicht von den Querdenkern oder einer Anarchisten-Truppe."

Keinesfalls habe er aber dem Künstler bewusst schaden wollen: "Ich habe mich gefürchtet. Eigentlich war es Selbstverteidigung." Einigermaßen schwierig gestaltetet sich dann der Versuch, im Gerichtssaal den Materialwert der Skulpturen mit einem Galeriepreis von rund 10.000 Euro zu bestimmen. Künstler Kielnhofer, der sich als Privatbeteiligter dem Strafverfahren angeschlossen hatte, setzte den Materialpreis dann bei rund 5.000 Euro fest.

Letztlich fasste Roman S. drei Monate bedingt aus, und er muss dem Künstler 5.000 Euro zahlen. Der Angeklagte nahm das Urteil umgehend an. Auch die Staatsanwältin verzichtete auf weitere Rechtsmittel. Vor dem Verhandlungssaal kam es dann noch zu einer kurzen Aussprache. Künstler: "Na, da hast einen ordentlichen Blödsinn gemacht." Angeklagter: "Ich weiß. War aber nicht persönlich was gegen Sie." (Markus Rohrhofer; 24.3.2021)