Wenn eine Wahl der Urteilsspruch der Wählerinnen und Wähler ist, dann war der Souverän heiser. Israels vierte Wahl in Folge bringt immer noch keine klare Botschaft, wer dieses Land regieren soll oder wer es auf keinen Fall tun soll. Wirklich überraschend ist das nicht: Wenn man auf eine zweite Wahl einfach eine dritte und eine vierte draufsetzt, darf man sich nicht erwarten, dass die Wählerschaft plötzlich ganz anders stimmt als zuvor. Selbst dann nicht, wenn dazwischen so etwas Einschneidendes passiert ist wie eine Pandemie.

Vor und nach der Wahl: Alle sprechen nur von "Bibi".
Foto: EMMANUEL DUNAND / AFP

In der Welt wird Israel für seine rasante Durchimpfungspolitik bewundert. Premierminister Benjamin Netanjahu ließ im Wahlkampf keine Gelegenheit aus, um sich selbst dafür zu loben. Abgesehen davon, dass der Pfizer-Konzern und das ausgezeichnete israelische Gesundheitssystem auch etwas beigetragen haben: So richtig für sich nutzen konnte Netajahu den Impferfolg bei dieser Wahl nicht. Seine Likud-Partei kam unter dem Ergebnis von März 2020 zu liegen – zumindest laut Hochrechnung.

Zugleich ist es doch bemerkenswert, dass mitten in Rekordarbeitslosigkeit und steigender Armut ausgerechnet ein Politiker, dessen Nähe zu den Reichen und Superreichen sogar ein Strafgericht beschäftigt, den größten Zuspruch bekommt.

Radikale Personalisierung

Netanjahu hat es geschafft, die israelische Politik auf seine Person zu reduzieren. Alle – seine Fans und seine Feinde – sprechen nur über ihn. Da gerät es leicht aus dem Blickfeld, dass das Land einige drängende Probleme hätte, die auf Lösungen warten. Ganz abgesehen von den ganz großen Fragen wie einer Friedenslösung mit den Palästinensern, warten sie auch im Israel diesseits der Grünen Linie: Wie das Gewaltproblem in manchen israelisch-arabischen Gemeinden angehen, das auf die Allgemeinheit überzuschwappen droht? Wie verhindern, dass gut Ausgebildete das Land verlassen, weil sie sich die Lebenskosten nicht mehr leisten können? Wie die Landesverteidigung sichern, wenn der Anteil der Israelis, die vom Wehrdienst ausgenommen sind, stetig steigt?

Richtet man den Fokus einmal kurz weg von jenem Mann, der das Land seit elf Jahren mit wechselnden Partnern regiert, dann ist dieser Wahlserie doch ein klarer Wunsch zu entnehmen: Israel soll mehr von Rechts, weniger von Links bestimmt werden.

Stark wie nie

Die Rechten sind so stark wie nie: Laut Hochrechnung stehen sie bei 72 von 120 Mandaten – inkludiert man die islamistische Ram-Partei, sind es sogar 77 Mandate. Man übersieht das leicht, wenn man alles auf die Frage "Pro oder anti Bibi?" reduziert. Denn immerhin zählen zum Anti-Netanjahu-Lager auch Rechtspolitiker wie Gideon Saar und Avigdor Lieberman.

Was der Rechtsruck für das Land bedeutet: mehr Nationalismus, weniger Egalitarismus. Es sind schlechtere Zeiten für Säkulare, Liberale, für Palästinenser in und außerhalb Israels; für Frauen, ganz generell für Menschen außerhalb einer eng definierten Norm.

Und auch für die Justiz. Wenn Netanjahu in die Unabhängigkeit der Justiz eingreifen will, tut er es aus ganz egoistischen Gründen: Er will sich vor der Strafverfolgung retten. Die Rechtsparteien abseits des Likud hingegen tun es aus Überzeugung. (Maria Sterkl, 24.3.2021)