Cannabisplantagen in Wohnungen (hier in Wien-Penzing im Jahr 2019) sind für die Ermittler nichts Ungewöhnliches. Zwei Männer sollen aber daran beteiligt gewesen sein, eine lukrative Zucht in einer hunderte Quadratmeter großen Lagerhalle aufzubauen.

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Wien – "Sehr geheimnisvoll", sagt Richterin Caroline Csarmann im Prozess gegen Andreas S. und Christian K. bei einer Gelegenheit. Die beiden Männer sitzen wegen des selten angeklagten Deliktes "Verbrecherisches Komplott" vor ihr – sie sollen am Versuch beteiligt sein, eine großangelegte Cannabisplantage in einer Lagerhalle in Wien-Liesing zu errichten. S. als "Mastermind" der Operation, K. als Arbeiter. Die beiden Unbescholtenen bestreiten das entschieden.

Die Angeklagten könnten kaum ungleicher sein. Erstangeklagter S. ist 36 Jahre alt, wortgewandter Akademiker, Selbstständiger und unter anderem Immobilienentwickler, der in der Vergangenheit nach seiner Darstellung auch mit namhaften Großbetrieben zu tun hatte. Der 40-jährige K. ist dagegen ein arbeitsloser Kärntner mit einem Alkoholproblem, wie er selbst zugibt.

20.000-Volt-Leitung angezapft

Gegenstand des Prozesses sind zwei Lagerhallen, mit denen der Erstangeklagte beruflich verbunden war. Die erste liegt in Wien, dort fand die Polizei alles vorbereitet für den Einbau der Plantage. Wie die Ermittler auf die Spur kamen? Am 10. September 2019 ging eine Störungsmeldung über einen Stromausfall in Liesing bei den Wiener Netzen ein. Man machte sich auf die Suche nach der Ursache – und entdeckte, dass jemand die 20.000-Volt-Reserveleitung für die Shopping City Süd angezapft hatte.

Durchaus professionell: Die Täter hatten vom Grundstück der Lagerhalle aus einen Tunnel gegraben und eine Leitung in die Halle gelegt. Der dort aufgestellte Transformator hatte eine Fehlfunktion, brannte durch und verursachte so den Kurzschluss. Der Tunneleinstieg war als Grillplatz getarnt, der Aushub in Containern versteckt. Der Hohlraum war so groß, dass bei der Fehlersuche sogar der Gehsteig einsackte.

DNA auf Bierdose und Jägermeister

Im vergangenen Frühjahr fand man im Zuge der Ermittlungen in einer niederösterreichischen Lagerhalle das gesamte Equipment, das man für den Betrieb einer Plantage braucht. Unter den dort sichergestellten Beweismitteln fanden sich auch DNA-Spuren des Zweitangeklagten: auf einer zerdrückten Bierdose, einem Jägermeisterflascherl sowie einem Erdbohrer.

Erstangeklagter S. beteuert, selbst ein Opfer zu sein. Er habe die Halle in Wien an einen Mann untervermietet, der als Bevollmächtigter eines Automobilzulieferers auftrat. Er hatte bei der Schlüsselübergabe auch eine Kopie des Reisepasses des Unbekannten bekommen und dessen Pass gesehen – das Dokument war aber offensichtlich gefälscht. S. sagt, der Unbekannte habe ihm bei der Schlüsselübergabe Kaution und Mietvorauszahlung in Höhe von über 60.000 Euro in bar übergeben, da er angeblich noch kein Konto in Österreich hatte.

Das letzte Mal sah S. nach seiner Darstellung im Juli 2019 – wieder bekam er zwei Monatsmieten in bar. Der letzte Kontakt habe im August stattgefunden: Der Unbekannte habe ihn zu einer Grillerei auf dem neu errichteten Grillplatz bei der Halle eingeladen, er habe aber keine Zeit gehabt.

Sportliche Vergangenheit

Bezüglich der Halle in Niederösterreich habe ihn ein flüchtiger Bekannter kontaktiert. Den habe er vor fast 20 Jahren kennen gelernt. S. spielte in der Kampfmannschaft eines Wiener Fußballklubs, der Bekannte soll in der Reserve des Vereins gekickt haben. Der Sportkamerad habe die Halle von Jänner bis März 2020 gemietet, behauptet der Erstangeklagte. Es gibt im Ermittlungsakt allerdings nur ein Mietanbot ohne Unterschrift des Bekannten – einen Mietvertrag oder eine Bestätigung der Schlüsselübergabe kann der von Verteidiger Harald Schuster vertretene Erstangeklagte nicht vorlegen.

Auffindbar ist der kickende Bekannte für die Behörden ebenso wenig wie der Untermieter der Wiener Halle – auch da S. sich weigert, die Passwörter für seine Mobiltelefone und Computer herauszugeben, auf denen zumindest die damaligen Telefonnummern der mysteriösen Geschäftspartner zu finden sein müssten.

An Tankstelle engagiert

Zweitangeklagter K. verantwortet sich fast noch unglaublicher. Der von Josef Phillip Bischof Vertretene sagt, er sei im späten Frühjahr 2019 an einer Wiener Tankstelle von einem Unbekannten in ein Gespräch verwickelt worden. Dieser Mann trat zwar mit demselben Namen wie der Untermieter der Wiener Halle auf, laut Zweitangeklagtem ist es aber nicht der Mann auf dem Passfoto.

Dieser Unbekannte zahlte ihm 30 Euro pro Stunde für das Zusammenbauen von Möbeln und Bodenverlegung – in der Wiener Halle. Gefunden wurden die Gegenstände mit der DNA von K. allerdings im niederösterreichischen Gebäude. Warum, kann der Zweitangeklagte sich nicht erklären. Er habe damals fünf Tage in einer zur Wiener Halle gehörenden Wohnung gelebt und auch Bier und Jägermeister getrunken, in Niederösterreich sei er aber nie gewesen, sagt er.

Für weitere Erhebungen und Zeugeneinvernahmen vertagt Richterin Csarmann schließlich auf den 23. April. (Michael Möseneder, 24.3.2021)