Machtfaktor "Krone": Das Handelsgericht Wien will nun doch von der Funke-Gruppe mehr über das Schiedsverfahren pro Dichands wissen.

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Auch nach Donnerstag, wenn die Media-Analyse die neuesten Reichweiten von Österreichs Blättern veröffentlicht, wird sie die weitaus größte Tageszeitung sein. Mit fast zwei Millionen Leserinnen und Lesern wohl weiter größer als Nummer zwei und drei zusammen, die Gratiszeitung Heute und die regionale Kleine Zeitung.

Ein Machtfaktor ist diese Kronen Zeitung, umworben wie gefürchtet von schon vielen Bundeskanzlern. Und ein Wirtschaftsfaktor mit gewaltigen Werbeumsätzen, den größten der öffentlichen Hand zudem, und mehr als 560.000 Abonnements. Und dieser Krone gehört mit dem Kurier die Mediaprint, der größte traditionelle Verlagskonzern, mit gut 400 Millionen Euro Einnahmen Nummer zwei nach dem ORF.

Machtkampf um "Krone"

Um diese Macht streiten die Eigentümer seit zumindest zwei Jahrzehnten – hier Gründerfamilie Dichand, dort deutsche Funke-Mediengruppe, seit 2019 mit dem Immobilienmilliardär René Benko (Signa Holding) an der Seite. Benko will die 50 Funke-Prozent an der Krone komplett.

Aber dafür müssen Regeln aus den Krone-Verträgen fallen – vor allem das Vorkaufsrecht der Dichands mit ihren 50 Prozent. Aber auch den Dichands garantierte jährliche Gewinne in hoher einstelliger Millionenhöhe. Und die Dichands bestimmen in der Redaktion. Verhandlungen mit Benko über neue Regeln unter den Gesellschaftern blieben 2020 ohne Ergebnis. Von so praktischen Vorrechten trennt man sich nur ungern.

Parallel bekämpft die Funke-Gruppe die Rahmenverträge vor vielen Gerichten – und inzwischen auch die Dichands sehr direkt.

Abfuhr beim Schiedsgericht – und neue Kündigung

Vielfach hat die Funke-Gruppe die Kündigung der Verträge erklärt. Erst im Mai 2020 aber hat ein dafür zuständiges Schiedsgericht nach Schweizer Recht sie abgelehnt: Bis 2019 keine Kündigung, ohne damit die Krone-Gesellschaft aufzukündigen. Wer das tut, muss seine Anteile zum sehr günstigen Buchwert dem Mitgesellschafter verkaufen.

Die Funke-Gruppe hat die Verträge wieder gekündigt, weder sie noch die Dichands haben damit bisher ein Schiedsgericht befasst. Die Abfuhr von 2020 brachten die Funkes vor das Schweizer Höchstgericht.

Ordentliche Gerichte statt Schweizer Schiedsrichter

Die deutsche Mediengruppe versucht nun, vor ordentlichen Gerichten gegen die Verträge (und die Dichands) vorzugehen.

Kartellfrage: OGH winkt ab

Zum Beispiel über Wettbewerbsbehörden und Kartellgerichte: Die Funke-Gruppe meldete 2020 die Beherrschung der "Krone" bei der Wettbewerbsbehörde an; durch die Aufteilung der 50 Prozent auf Hans Dichands vier Erben – dessen Witwe Helga und die Kinder Michael, Johanna und Christoph Dichand – hätten sie Stimmrechte eingebüßt. Stimmrechte gibt es laut Verträgen – grob gesprochen – nur für volle Anteilsprozente. Aber, so die Rechtsmeinung der Funke-Gruppe nicht für die jeweils 0,5 Prozent der 12,5-Prozent-Anteile von Helga, Michael, Johanna und Christoph. Der Oberste Gerichtshof entschied im Jänner: Gesellschaftsrechtliche – und zudem gerade noch ungeklärte, also hypothetische – Fragen wie diese Stimmrechte seien nicht im Kartellverfahren zu klären.

Handelsgericht: Klage auf Ausschluss der Dichands

Beim Handelsgericht Wien hat die Funke-Gruppe auf Ausschluss der Familie Dichand aus der Krone-Gesellschaft geklagt. Auch da geht es um die Stimmrechtsfrage: Im Frühjahr 2019 beantragte die Funke-Gruppe in der Gesellschafterversammlung der "Krone", Christoph Dichand als Herausgeber und Chefredakteur abzuberufen beziehungsweise zu entlassen. Begründung: Spesenvorwürfe. Bei Stimmrechtsstand 50:50 bekam der Antrag keine Mehrheit – bei 48 Prozent für die Dichands und 50 für Funke hätte das anders ausgesehen.

Vor dem Handelsgericht klagte die Funke-Gruppe auf Ausschluss der Dichands aus der Krone – Verlag Gesellschaft m.b.H. & Co. Vermögensverwaltung KG. Hier fallen laut Jahresabschlüssen Gewinne in der wirtschaftlich doch wesentlichen Größenordnung von 17 bis 20 Millionen Euro an. Die Kommanditanteile halten einerseits die vier Dichands, einzeln eingetragen, und andererseits die NKZ Austria-Beteiligungs GmbH der Funke-Gruppe.

Das Gericht könnte – so verlangt es jedenfalls die Klage der Funke-Gruppe – alternativ auch feststellen, dass die Kommanditanteile bei der Übertragung und Aufteilung auf die Dichand-Erben schon auf die NKZ übergegangen sei.

Richterin sah Handelsgericht eher nicht zuständig

In einer Verhandlung im August 2020 am Handelsgericht Wien machte Richterin Kerstin Just recht deutlich, dass sie nach den Rahmenvereinbarungen der "Krone"-Eigentümer Schiedsgerichte und nicht ordentliche Gerichte für diese Gesellschafterfrage zuständig sieht. Sie kündigte schriftliche Ausfertigung des Urteils an – wenn sich ihr dabei nicht doch noch wesentliche, im Verfahren zu klärende Fragen stellen.

Nun aber lädt die Richterin für Ende April* doch zu einer weiteren Verhandlung. Das kann zur formellen Absicherung geschehen, einen Beweisantrag nicht ausgelassen zu haben. Oder auch, weil sie bei der Ausfertigung des Urteils darin doch wesentliche Aspekte erkannte.

  • * Update: Die Verhandlung wurde, offenbar wegen der Corona-Situation in Ostösterreich, auf Anfang Juni verschoben.

Was passiert in der neuerlichen Verhandlung? Geschäftsführer der Funke-Firma NKZ sollen auf Antrag der Funke-Gruppe befragt werden. NKZ-Geschäftsführer ist insbesondere Funke-Geschäftsführer Michael Wüller, in der Führung der großen deutschen Mediengruppe für die österreichischen Beteiligungen.

Mehrfachvertretung der Funke-Gruppe 2003

In der Befragung soll es darum gehen, ob die Funke-Vertreter 2003 rechtlich korrekt die Schiedsvereinbarung mit den Dichands unterzeichnet haben. Nach deutschem Recht – Paragraf 181 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs über Mehrfachvertretung – eher nein, nach österreichischem eher ja, sagen sachkundige Juristen. Also, wenn man so will, eine Art Selbstanzeige der Funke-Gruppe – wohl um die alte Schiedsvereinbarung loszuwerden.

Treffen mit Schiedsrichter

Und es geht in der Befragung um den Vorwurf der Funke-Gruppe, Dichand-Anwältin Huberta Gheneff hätte während des Schiedsverfahrens Kontakte mit einem der Schiedsrichter, Paul Oberhammer, gehabt.

Oberhammer erklärte, so hieß es in der ersten Verhandlung, die Treffen fielen in seine Privatsphäre. Gheneff bestreitet einige der Angaben der Funke-Anwälte über Treffen (die vor Gericht stark nach Telefonprotokollen und Überwachung klangen). Oberhammer verließ das Schiedsgericht Monate vor der Entscheidung vom Mai 2020, wonach die Rahmenverträge nicht so einfach kündbar waren (jedenfalls bis 2019).

Gewinne vor Schiedsgericht

Das nächste Schiedsgericht tagt unterdessen schon: Die Funke-Gruppe blockiert wie berichtet die Gewinnausschüttung an die Dichands. Und die sollen beim jüngsten Schiedsgericht die von der Funke-Gruppe verweigerte Gewinnausschüttung für 2018/19 eingeklagt haben.

Das bietet wohl Stoff für das eine oder andere weitere Jahr im jahrzehntelangen Streit um das Sagen und das Geld bei Österreichs wohl noch eine Weile weitaus größter und politisch gewichtigster Tageszeitung. (Harald Fidler, 25.3.2021)