Leere im Sitzungssaal in Brüssel wird es auch am Donnerstag geben. Zumindest mit Geist füllen wollen ihn nicht nur die Staats- und Regierungschefs der EU und US-Präsident Joe Biden.

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Die Sache mit dem Reisen und Einschränkungen bei Reisefreiheit trotz offener Grenzen ist in Zeiten von Corona kompliziert geworden. Das gilt nicht nur für Normalbürger, sondern auch für die höchste politische Ebene, die Staats- und Regierungschefs. Sie hätten sich eigentlich am Donnerstag zum EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel treffen, zwei Tage lang ausführlich über Pandemie, Wirtschaftskrise, globale Themen, Digitalisierung reden sollen, von Angesicht zu Angesicht.

Weil die Infektionslage "in einigen Mitgliedsländern" ein physisches Treffen nicht empfehlenswert mache, sagte der Ständige Ratspräsident Charles Michel das kurzfristig ab. Er setzte stattdessen nur eine Videokonferenz an.

Eine solche hat zwar den Nachteil, dass "die Chefs" streng formal keine Beschlüsse fassen können. Da gibt es rechtliche Bedenken. Vereinbarungen werden dann in der Regel im Rundlauf durch die Hauptstädte nachgeholt. Dafür kann man virtuelle Treffen hervorragend dazu nützen, um kurzfristig auch Gäste aus aller Welt dazuzuschalten.

Neustart ohne Abendessen

So wird es am Donnerstagabend um 20.45 Uhr, wenn die EU-Chefs traditionell das Arbeitsabendessen haben und über globale Politik reden, dazu kommen, dass US-Präsident Joe Biden dazustößt. Michel hat ihn eingeladen, damit er den seit seiner Wahl vielfach angesagten "Neustart" der transatlantischen Beziehungen persönlich mit den 27 Kollegen in Europa erörtert, mit Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Es ist Zeit, das transatlantische Bündnis neu aufzubauen", schrieb der Ratspräsident in seinem Einladungsbrief.

Diese Woche hat US-Außenminister Antony Blinken bereits den Anfang gemacht, auch an einem Nato-Treffen im Hauptquartier in Brüssel teilgenommen.

Allein dass ein US-Präsident an einer Sitzung des Europäischen Rates teilnimmt, ist schon ein deutliches Zeichen der Veränderung. Bidens Vorgänger Donald Trump hat die EU-Hauptstadt als "Drecksloch" bezeichnet. Abgesehen von zwei ruppigen Auftritten bei der Nato hat er keinen besonders guten Eindruck bei den EU-Europäern hinterlassen.

Es ist zwölf Jahre her, dass Barack Obama als letzter US-Präsident bei einem EU-Gipfel gesichtet wurde. Vor ihm war das George W. Bush im Jahr 2001, dem Jahr der Terroranschläge von 9/11.

Impfstoffembargo

Diplomaten gingen nicht davon aus, dass der US-Präsident besondere Neuigkeiten einbringen wird. Auf der Tagesordnung des Gipfels steht die Erörterung der schlechten Beziehungen zu Russland, zu China und zur Türkei, samt Sanktionen.

Möglicherweise werden Regierungschefs auch die Behinderungen beim Ausliefern von Corona-Impfstoff durch einen US-Exportstopp ansprechen, den noch Trump im Herbst 2020 verhängt hat. Von der Leyen hat bereits vor Wochen angekündigt, mit den Amerikanern über eine bessere Kooperation bei der Impfstoffversorgung reden zu wollen. Umgekehrt hat Biden erklärt, dass die USA sehr aktiv daran mitarbeiten wollen, den Rest der Welt mit Impfstoff zu versorgen. (Thomas Mayer, 25.3.2021)