Früher war nicht alles besser. Man darf es zum Beispiel als Fortschritt bewerten, dass Herbert Kickl heutzutage, um den Identitären-Capo Martin Sellner zu unterstützen, auf eine Demo gehen kann und nicht, so wie einst, eine Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung veranlassen muss.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang erscheint auch, dass der Ex-Innenminister seinen oft befremdlich anmutenden Humor wieder gefunden hat. So meint er über den ebenfalls mitdemonstrierenden Gottfried Küssel: "Ich würde den Herrn nicht einmal erkennen", und dass ihm der Name Küssel überhaupt nur geläufig sei, weil dieser medial so häufig erwähnt werde. Das ist ähnlich, als würde Andi Ogris behaupten, er kenne Herbert Prohaska nur aus den Medien und hätte keine Ahnung, wie der ausschaut.

Ex-Innenminister Herbert Kickl hat seinen oft befremdlich anmutenden Humor wieder gefunden.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Als weniger spaßig wurde vielerorts Kickls Demo-Ansprache empfunden: "Wir alle haben ein intaktes Immunsystem, und ein intaktes Immunsystem macht den Menschen stark gegen jede Art von Virus und all die Mutationen, die jetzt von irgendwoher neu entdeckt worden sind." War das spontaner Umnachtung geschuldet, oder steckt da ein Plan dahinter? Womöglich ein geschmackloser Untergriff gegen Kickls parteiinterne Widersacher Norbert Hofer und Manfred Haimbuchner? Das käme nicht überraschend, denn in den vergangenen Wochen ist Kickl diesbezüglich hochaktiv gewesen.

Sauberkeitsregeln für den Mistkübel

"Die strengsten Compliance-Regeln aller Parteien" sollten nach den Worten von Hofer künftig ausgerechnet für die FPÖ gelten. Das klingt zunächst einmal so, als würde das Münchner Oktoberfest die strengsten Alkohol-Beschränkungen aller Gastronomie-Events ankündigen. Zumindest Haimbuchner dürfte die Sache aber ernst genommen haben: "Ich rechne mit einer breiten Zustimmung in der Partei für die von mir erarbeiteten Regeln", erklärte er vor einer Bundesparteisitzung Ende Jänner in Linz. Doch da hatte er die um saubere Korrektheit bemühte Rechnung ohne den Wirt Kickl gemacht.

Klubobmann Herbert Kickl war erst gar nicht nach Linz gefahren und hatte in einer E-Mail zuvor die Kollegen des Bundesvorstandes gewarnt, sie sollten nachdenken, was sie da tun", weiß der Kurier zu berichten und schildert die Konsequenzen dieses "Nachdenkens". Die neuen Sauberkeitsregeln für Freiheitliche wurden von den Parteispitzen glatt abgelehnt, "Parteikenner erzählen, dass es auch als ausgeschlossen gilt, dass die Regeln im Bundesvorstand eine Mehrheit finden könnten, sie dürften im Mistkübel landen".

Über die Motive von Kickls Sabotageaktion gibt es zwei Theorien: Zum einen könnte Kickl die prinzipielle Notwendigkeit derartiger Regeln infrage stellen, zumal er in der Causa seiner Werbeagentur Ideenschmiede vorgezeigt hat, dass Kick(l)back-Geschäfte und verdeckte Parteispenden nicht zwingend zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Zum anderen könnte ihn auch die Sorge um die Identität der FPÖ umtreiben. Nachdem ihr von der ÖVP schon das Ausländer-Thema weggenommen wurde, müssen die Freiheitlichen jetzt aufpassen, damit Ähnliches nicht auch mit ihrem bisherigen Alleinstellungsmerkmal als Partei mit der höchsten Korruptionskompetenz passiert. (Florian Scheuba, 25.3.2021)