Christoph Maria Herbst (l.) als Markus Braun in "Der große Fake – Die Wirecard-Story". Franz Hartwig (rechts) spielt Jan Marsalek.

Foto: TVNow, Gordon Muehle

Aschheim – Zu Jahresbeginn schlüpfte Christoph Maria Herbst in eine anstrengende Rolle. In dem Ufa-Doku-Thriller "Der große Fake – Die Wirecard-Story" spielte er Markus Braun, den Ex-Chef des Zahlungsdienstleisters, der im Mittelpunkt des mutmaßlich größten Bilanzskandals der Nachkriegsgeschichte steht. "Ich habe mich da richtig reingefuchst", sagte Herbst im Interview der dpa in München. Und er verriet, was die Figur des in Untersuchungshaft sitzenden Ex-Managers so aufreibend machte.

Der Streamingdienst TV Now zeigt die Mischung aus Dokumentarfilm und Fiktion ab 31. März. Mit dabei sind auch Franz Hartwig als untergetauchter Wirecard-Manager Jan Marsalek und Nina Kunzendorf als Journalistin.

Sie spielen einen ehemaligen Wirtschaftsboss, der unter anderem wegen des Verdachts der Marktmanipulation in Untersuchungshaft sitzt. Wie hat sich das angefühlt?

Herbst: Ich habe mich da richtig reingefuchst. Ich habe auch sehr kurze Nächte gehabt, das hat mein Unterbewusstsein ganz schön belastet. Wie ein Manager der obersten Hierarchie bin ich mit fünf Stunden Schlaf pro Nacht ausgekommen, das ist ganz merkwürdig.

Was hat Ihnen die schlaflosen Nächte bereitet?

Herbst: Ich habe mich intensiv mit der Person Markus Braun beschäftigt. Das landet dann in deinem Bewusstsein, auf deiner Festplatte. Da muss sich dein System damit befassen. Bei mir war es tatsächlich so, dass ich kurze Nächte gehabt habe, weil sich das alles so unschön und nicht zu mir gehörig anfühlte. Die Dreharbeiten hatten schon ihre ganz eigene Anstrengung und Faszination. Sogar ich selbst war wenig entertaining (unterhaltend) am Set.

Ist das sonst anders?

Herbst: Normalerweise bin ich ein guter Chemiker, der für gute Stimmung sorgt und das eine oder andere mal ein bisschen auflockert. Aber ich habe mich bei diesen Dreharbeiten sehr zurückgezogen. Um mich der Figur zu nähern, habe ich mein Herz ein paar Grad kälter gestellt.

TVNOW

Wie haben Sie sich darauf vorbereitet, diese schwierige Rolle zu spielen?

Herbst: Ich habe gelesen, was Menschen über ihn geschrieben haben und über die Zeit der Wirecard, auch kritische Sachen. Videos sind auch immer spannend. Da gibt es das eine oder andere, das man sehen konnte. Aber man muss vorsichtig sein, nicht eins zu eins eine lebende Figur zu imitieren. Die Grenze zur Parodie wäre dann fließend.

War das nicht ein seltsames Gefühl, jemanden zu spielen, der gerade in Untersuchungshaft sitzt und dem noch gar nicht der Prozess gemacht wurde?

Herbst: Das ist ein schwebendes Verfahren, das stimmt. Wir hatten die Rechtsabteilung immer im Nacken. Wenn wir Schauspieler improvisiert haben, mussten wir darauf achten, dass wir unsere Worte besonnen wählen. Sonst hagelt es am Ende irgendwelche einstweiligen Verfügungen und der Film kann nicht rauskommen. Das Eisen ist sehr heiß.

Sie können die Geschichte natürlich auch nur zum Teil erzählen – vieles ist angesichts der laufenden Ermittlungen ja noch offen.

Herbst: In ein paar Jahren kann man Wirecard noch mal ganz neu erzählen. Der Stoff bietet ja einiges. Ich könnte mir auch vorstellen, wie Helmut Dietl bei "Schtonk!" eine große Satire zu machen. Das hat der deutschen Gesellschaft damals gut getan, als man die Unglaublichkeit der gefälschten Hitlertagebücher in dieser Form erzählt hat. Bei der Wirecard-Thematik würde es einem auch noch mal auf sehr unterhaltsame und gute Weise vor Augen führen, was da abgegangen ist, wenn man das im Genre der Satire ansiedeln würde.

Wie haben Sie ihre Figur des Markus Braun angelegt?

Herbst: Ich habe versucht, ihn so selbstbezogen und empathielos zu spielen, wie es mir möglich war. Als ein solcher Mensch wurde er von einigen seiner engeren Mitarbeiter und Weggefährten ja wohl auch beschrieben. Ich habe versucht, dieser papierenen Figur rote Lippen und ein schlagendes Herz zu verleihen. Ich wollte den Menschen erzählen und habe mich nicht bemüht, einen Fiesling zu spielen.

Vieles, was bei Wirecard geschehen ist, ist noch unklar. Die Ermittler suchen nach der Wahrheit, ebenso der Untersuchungsausschuss des Bundestages. Wie sind Sie mit diesen Lücken umgegangen?

Herbst: Es war sehr fragmentarisch, aber die reale Figur besteht für uns auch nur aus Puzzlesteinen. Im Untersuchungsausschuss beißen sie sich an dem auch gerade die Zähne aus. Da werden seine Anwälte auch beteiligt sein und ihm vermutlich raten, gar nichts zu sagen. Oder sie werden zu dem einen oder anderen Schachzug greifen. Das wird den Steuerzahler noch viele Millionen kosten, fürchte ich. Bei diesem Skandal hat es wieder mal den kleinen Mann am meisten getroffen, der da investiert hat. Die sehen ihr Geld alle nicht wieder.

Welche Erkenntnisse haben sie dabei gewonnen?

Herbst: In einer Aktiengesellschaft ist der Aufsichtsrat eine ganz wichtige Institution, um den CEOs, CCOs und anderen Chefs auf die Finger zu gucken. Aber die Art und Weise, wie anscheinend gegenüber dem Aufsichtsrat gemauert wurde, das ist schon beispiellos. Das macht diesen Skandal auch zu einem großen Skandal, bei dem anscheinend alle versagt haben inklusive der Finanzaufsichtsbehörde Bafin. Da ist schon was faul im System. Ich hoffe doch sehr, dass unser Finanzminister an den entsprechenden Stellschrauben nachbessert.

Der Film ist mittlerweile abgedreht – konnten Sie danach wieder besser schlafen?

Herbst: Auf jeden Fall. Ich schlafe wieder durch. Ich habe die Geschichte schnell von der Festplatte wieder runter gekriegt. Es darf nie so sein, dass eine Rolle einen selber in der Hand hat. Aber das war schon eine Erfahrung, wie weit das in der Zeit der Aufnahmen bei mir hineingereicht hat. Das schüttelt man abends nicht einfach so ab, das ist schon echt krass. (APA, dpa, 26.3.2021)