Julian Reichelt darf "Bild"-Chef bleiben, Alexandra Würzbach wird ihm gleichberechtigt zur Seite gestellt.

Foto: APA/dpa/Roland Weihrauch

Berlin – "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt kehrt an seinen Arbeitsplatz zurück. Wie berichtet wurde gegen ihn nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs und der Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen ein Compliance-Verfahren eingeleitet, das dem Axel Springer-Vorstand jetzt vorliegt. "Auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse hat der Vorstand der Axel Springer SE beschlossen, dass Julian Reichelt seine Arbeit fortsetzt und die am 12. März 2021 auf Wunsch von Julian Reichelt erfolgte Freistellung mit sofortiger Wirkung aufgehoben wird, heißt es aus dem Unternehmen.

Doppelspitze

Die Redaktionsleitung werde als Doppelspitze neu aufgestellt. Alexandra Würzbach, 52, derzeit Chefredakteurin der "Bild am Sonntag" und Mitglied der Chefredaktion der Bild-Gruppe, wird gleichberechtigte Vorsitzende der "Bild"-Chefredaktionen. Reichelt soll sich künftig auf die Schwerpunkte "Bild"-Print und digital sowie "Bild"-Live konzentrieren. Würzbach kümmert sich um die "Bild am Sonntag" und das übergreifende Personal- und Redaktionsmanagement. Für die inhaltliche Ausrichtung aller Produkte der Bild-Gruppe sind Alexandra Würzbach und Julian Reichelt gemeinsam verantwortlich.

Vorwürfe des Machtmissbrauchs

"Untersucht wurden Vorwürfe des Machtmissbrauchs im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen sowie Drogenkonsum am Arbeitsplatz. Entgegen von einigen Medien kolportierten Darstellung gab es keine Vorwürfe und auch im Untersuchungsverfahren keine Anhaltspunkte für sexuelle Belästigung oder Nötigung. Julian Reichelt hat die Vermischung von beruflichen und privaten Beziehungen eingeräumt, die oben genannten Vorwürfe jedoch bestritten und dies auch eidesstattlich versichert", beschreibt der Springer-Verlag die Vorwürfe und Reichelts Reaktion.

Der Vorstand sei jetzt zu dem Ergebnis gekommen, "dass es nicht gerechtfertigt wäre, Julian Reichelt aufgrund der in der Untersuchung festgestellten Fehler in der Amts- und Personalführung – die nicht strafrechtlicher Natur sind – von seinem Posten als Chefredakteur abzuberufen". In die Gesamtbewertung seien auch "die enormen strategischen und strukturellen Veränderungsprozesse und die journalistische Leistung unter der Führung von Julian Reichelt eingegangen".

Döpfner: Trennung unangemessen, aber Änderungsbedarf bei Führungsstruktur

"Wir sind nach gründlicher Abwägung zur Überzeugung gelangt, dass es richtig ist, dass Julian Reichelt nun in einer Doppelspitze mit Alexandra Würzbach seine Arbeit fortsetzen kann", sagt Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender bei Axel Springer. "Er hat Fehler gemacht. Nach allem, was im Zuge der Untersuchungen zum heutigen Tage bekannt geworden ist, halten wir eine Trennung aber für unangemessen. Danken möchten wir ausdrücklich denjenigen, die uns mit ihren Hinweisen geholfen haben."

Mathias Döpfner weiter: "Uns ist klar: Auch wenn es keinen rechtlichen Handlungsbedarf gibt, besteht Änderungsbedarf bei der Führungskultur in der "Bild"-Redaktion. Wir wollen und müssen aus dieser Erfahrung lernen und besser werden. Der Vorstand ist überzeugt, dass ein moderner unangepasster Boulevardjournalismus und eine zeitgemäße Führungskultur kein Widerspruch sind. Wir sind sehr froh, dass wir Alexandra Würzbach gewinnen konnten, um künftig gleichberechtigt neben Julian Reichelt die 'Bild'-Chefredaktionen zu leiten."

Reichelt "will das nicht schönreden"

Und was sagt Julian Reichelt? "Ich bin erleichtert und froh, jetzt wieder in die Redaktion zurückzukehren. Die Solidarität und der Zuspruch, die ich in den letzten Wochen erfahren habe, haben mich berührt und machen mich dankbar. Ich weiß, ich habe im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen Fehler gemacht und kann und will das nicht schönreden. Was ich mir vor allem vorwerfe ist, dass ich Menschen, für die ich verantwortlich bin, verletzt habe. Das tut mir sehr leid", so Reichelt, "rückwirkend kann ich das nicht mehr ändern, aber ich werde meine Chance jetzt nutzen und mich dafür einsetzen, gleichberechtigt mit Alexandra Würzbach und gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als ein Team eine neue Unternehmenskultur für 'Bild' zu schaffen und vorzuleben." (red, 25.3.2021)