Will man sich künftig in Russland auf sozialen Medien registrieren, könnte man dafür auch eine russische Meldeadresse brauchen.

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Wer in Russland einen Account in einem sozialen Netzwerk anlegen will oder sich bei einem Messenger neu registriert, könnte dafür in Zukunft seinen Pass brauchen. Die Medien- und Telekomaufsichtsbehörde Roskomnadsor hat eine solche Gesetzesinitiative eingebracht. Der Text wurde auf der staatlichen Webseite für Gesetzesprojekte veröffentlicht.

Demnach wird unter Kontrolle von Roskomnadsor ein "Einheitliches Informationssystem" (EIS) geschaffen, mit dem sich Internetnutzer in sozialen Netzwerken anmelden und autorisieren können. Dafür müssen die Nutzer allerdings ein paar Daten hinterlegen: Punkt 6, Paragraf A sieht bei russischen Staatsbürgern die Angaben von "Vor –und Nachname, Vatersname (wenn vorhanden), Geburtsdatum, die Requisiten des Ausweispapiers (Serie, Nummer, ausstellende Behörde, Ausstelldatum, Behördenkennziffer) Wohnadresse (Registrierung), Telefonnummer und E-Mail-Adresse" vor.

Unklarheit über Wohnadresse

Ausländer müssen zusätzlich noch angeben, in welchem Land ihr Pass ausgestellt wurde. Interessant ist, dass die Behörde dabei nach der Wohnadresse in Russland fragt. Unklar ist, ob der den Gesetzestext verfassende Beamte einfach nur unbewusst davon ausgegangen ist, dass nur Personen, die sich in Russland aufhalten, auch in russischen Netzwerken surfen oder ob so bewusst eine Abschottung des Ru-Nets erfolgen soll.

In jedem Fall warnt Roskomnadsor vor, dass die Angaben von staatlicher Seite überprüft werden und dabei auch an andere Stellen weitergegeben werden können. Sind die Angaben falsch, wird die Registrierung abgewiesen. Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet, es handelt sich derzeit lediglich um einen Vorschlag der Behörde.

Angst vor Missbrauch

Datenschützer warnen allerdings bereits vor einer weiteren Beschränkung des Internets. Nach Ansicht von Michail Tretjak, Experte der NGO Roskomswoboda, bergen die neuen Registrierungsregeln das Risiko eines Datenmissbrauchs durch die Sicherheitsorgane, die "zu viele Daten" abfordert. Der stellvertretende Leiter der Kommission für Digitalisierung beim Moskauer Juristenverband Boris Jedidin wiederum sieht die Gefahr, dass die Datenbank zur Zielscheibe für Hacker wird.

Der Duma-Abgeordnete Anton Gorelkin, einer der Mitinitiatoren des Gesetzes, nennt die Befürchtungen lächerlich. Im russischen Darknet kursierten bereits jetzt Datenbanken mit viel brisanteren Personendaten als dem, was im EIS abgespeichert werde, sagte er.

Außerdem müsse bereits jetzt jeder Internetnutzer in Russland bei der Registrierung eines Netzwerkanschlusses oder einer Mobilfunkkarte seine Personendaten angeben. Anonym im Internet seien also nur Personen unterwegs, die sich eine "linke" (also nicht registrierte) SIM-Karte besorgt hätten, sagte der Abgeordnete. Zudem sei das EIS nur eine von mehreren Möglichkeiten zur Registrierung. "Niemand verbietet den sozialen Netzwerken und anderen Webseiten, ihre eigenen Verifikationsmethoden zu nutzen, z. B. über das Telefon", erklärte Gorelkin.

Kampf gegen Twitter

Aus der Gesetzesinitiative geht die Wahlmöglichkeit allerdings nicht eindeutig hervor, Vielmehr liest sich der Entwurf so, als gehe es um eine weitere Verschärfung der Kontrolle.

Zuletzt hatte Roskomnadsor bereits ausländischen Netzwerken wie Twitter den Kampf angesagt: Der Kurznachrichtendienst wird derzeit von der Behörde buchstäblich ausgebremst. Roskomnadsor hat den Traffic von Twitter begrenzt, so dass das Laden von Tweets ewig dauert. Die Behörde begründet die Maßnahme mit Verfehlungen. So seien anstößige und pornographische Inhalte trotz mehrfacher Aufforderungen nicht gelöscht worden. Der Konzern weist diese Vorwürfe scharf zurück.

Klar ist, dass die russische Opposition soziale Netzwerke dazu genutzt hatte, im Jänner und Februar die Proteste zu organisieren. Gegen eine Reihe von Aktivisten haben die russischen Behörden inzwischen auch wegen Aufrufs zu Massenunruhen Strafverfahren eingeleitet. Daneben hat die Duma jüngst die Strafen für Beleidigungen und Verleumdung von Amtspersonen im Internet deutlich verschärft. (André Ballin aus Moskau, 25.3.2021)