Vom Schwein oder aus dem Labor? Bald sollten Fleischersatzprodukte kaum mehr vom Original unterscheidbar sein.

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Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat drei: Ersatzprodukte aus Pflanzen, Mikroorganismen und aus dem Labor machen echtem Fleisch zunehmend Konkurrenz. Der Konsum von klassischem Tierfleisch wird in Europa und Nordamerika 2025 seinen Höhepunkt erreichen und danach sinken – auch aufgrund der immer besser werdenden Alternativen. Das zeigt ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht der Boston Consulting Group (BCG) und der Schweizer Firma Blue Horizon, die in zahlreiche Lebensmittel-Start-ups investiert.

Nicht nur dort wird immer eifriger und aufwendiger an Ersatz für Fleisch, Fisch, Milch und Eier getüftelt, auch große Lebensmittel- und Fleischkonzerne buttern mittlerweile Millionen in neue, pflanzliche Produktlinien. Der Markt für Ersatzprodukte für tierische Lebensmittel könnte bis 2035 von 40 Milliarden auf 290 Milliarden US-Dollar anwachsen, so die Autoren des Branchenberichts. Damit wäre die Branche einer der 50 größten Wirtschaftszweige weltweit.

Je komplexer das Original, desto schwieriger das Imitat

Für Konsumenten heißt das: Jede zehnte Mahlzeit ursprünglich tierischen Ursprungs könnte dann durch eine Alternative ersetzt sein – mindestens. Sollte die technologische Entwicklung schneller als erwartet voranschreiten und Staaten mit Maßnahmen wie der Umschichtung von Agrarsubventionen und der CO2-Bepreisung nachhelfen, könnte es sogar jede fünfte Portion sein.

Aber nicht jede Mahlzeit lässt sich gleich gut substituieren. Faschiertes oder die Füllung für Bratwürste, also homogene Fleischmasse, die vor allem mit ihrer Würze steht und fällt, lässt sich schon heute relativ gut aus Erbsen- oder Sojaprotein nachbauen. Auch pflanzliche Milch hat inzwischen einen festen Platz in jedem Supermarkt.

Je tierischer und komplexer der Geschmack und das Aussehen sind, desto schwieriger ist es auch, ein Lebensmittel zu imitieren. Pflanzliche Hühnerfilets, Käsescheiben und Eier von heute haben geschmacklich noch kaum etwas mit dem Original zu tun und begeistern wohl nur eingefleischte Veganer.

Erst Bakterien, dann Labor

Auch für die eigene Gesundheit ist das, was aktuell erhältlich ist, nicht immer ideal: Der Verein für Konsumenteninformation stellte einigen Produkten kürzlich schlechte Noten aus und warnte etwa vor Mineralölrückständen und schlechten Nährwerten. Von schlachtfreien T-Bone-Steaks und anderen traditionellen Gustostücken kann man derzeit nur träumen.

Das soll sich mit der nächsten Generation von Ersatzprodukten ändern. Dann sollen nämlich Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen, einzellige Algen oder Pilze dabei helfen, Fleisch, Milch und Eier noch besser und günstiger zu imitieren. Nachdem sich die Industrie lange auf die Nachahmung von Rind und Geflügel konzentrierte, verschiebt sich der Fokus zunehmend Richtung Fisch, Meeresfrüchte und Käse.

Auch die nächste Stufe des professionellen Fleischfälschens wurde bereits betreten: In Petrischalen wachsen schon versuchsweise erste Fetzen Laborfleisch. Im Gegensatz zu den Alternativen aus Pflanzen oder Mikroorganismen ist dieses kultivierte Fleisch nicht mehr vom Original zu unterscheiden.

Ersparnis von einer Milliarde Tonnen CO2

Dabei werden Stammzellen aus lebenden Tieren entnommen und im Labor zu Muskelgewebe gezüchtet. In Zukunft könnte also die Kuh, in deren Fleisch man gerade beißt, noch auf der Weide grasen. Spätestens im Jahr 2032 erwarten die Autoren des Berichts hier einen Durchbruch.

"Alternative Proteine werden tierischen Proteinen schon bald in Geschmack, Textur und Preis um nichts mehr nachstehen", sagt Benjamin Morach, BCG-Partner und Co-Autor der Studie. Neun von zehn der weltweit beliebtesten Speisen würden 2035 eine fleisch-, milch- und eifreie Alternative haben – vom Cheeseburger bis zu Dim-Sum.

Das soll auch dem Klima helfen. Eine Portion Spaghetti bolognese auf pflanzlicher Basis könnte so viel Treibhausgasemissionen einsparen, wie eine zehn Kilometer lange Autofahrt verursacht.

Global könnten nur durch das eine ersetzte Zehntel jährlich mehr als eine Milliarde Tonnen CO2 verhindert werden – so viel wie die heutigen Emissionen von Japan. Auch auf den Wasserverbrauch würde sich der Trend positiv auswirken.

Weil der Anbau von Futtermitteln und Weideflächen wegfiele, würden zusätzlich rund 240.000 Quadratkilometer – eine Fläche in der Größte des Vereinigten Königreichs – an landwirtschaftlicher Nutzfläche, die ohnehin rarer wird, freiwerden. (Philip Pramer, 26.3.2021)