"Warat i a Clown / hätt i ka Vertrauen / in die Wöd / vor mein Zöt": Der Nino aus Wien (links) und sein Kompagnon Ernst Molden (rechts).

Stephan Mussil

Wer Zirkus und Austropop sagt, der muss natürlich auch André Heller sagen. Als oberster Verehrer der Artistenkunst sowie späterer Impresario von Weltzirkus-Shows wie Afrika! Afrika! hat dieser das Genre für die heimische Unterhaltungslandschaft nach dessen schleichendem Nachkriegsniedergang überhaupt erst wieder interessant gemacht.

1976 gründete Heller zusammen mit Bernhard Paul den Circus Roncalli. Schon bald gingen die exzentrischen Querdenker, wie man damals noch sagen durfte, zwar im Streit wieder auseinander. Der nunmehr 73-jährige Zirkusdirektor Bernhard Paul konnte seine Manege im nicht gerade konkurrenzärmer gewordenen Unterhaltungsgeschäft aber bis heute behaupten.

Die Filmdokumentation Ein Clown, ein Leben von Regisseur Harald Aue soll die Geschichte des Roncalli-Gründers nun, sobald die Pandemie es zulässt, auch auf der großen Leinwand abbilden. Und natürlich brauchte man einen authentischen Soundtrack. Für die singende Wiederkehr von André Heller selbst reichte es trotz zwischenzeitlich erfolgter Aussöhnung mit Bernhard Paul zwar nicht. Aber man fand würdige Nachfolger.

DER STANDARD

Der Nino aus Wien, selbst ein Freund der Heller’schen Sangeskunst, und Ernst Molden. Die Wiener Liedermacher zweier Generationen, eigentlich mehrheitlich solo unterwegs, taten sich erstmals 2015 zusammen. Mit dem Album Unser Österreich legten sie damals ein musikalisches Bekenntnis zu Klassikern des Austropop ab und interpretierten Lieder von Falco, Ambros, Ludwig Hirsch, Sigi Maron oder eben: André Heller. Bernhard Paul gefiel’s.

Und so erging der Auftrag an Nino und Molden, sich des Projekts anzunehmen. Auch wenn sie zunächst keine bestimmte Vorstellung von dem Metier hatten, "irgendeine Beziehung zum Zirkus hat jedes Kind", sagen Ernst Molden und Nino aus Wien im Gespräch mit dem STANDARD. Anfangs sei noch im Raum gestanden, den Soundtrack erneut mit Coverversionen zu bestreiten, aber schon bald habe man beschlossen, selbst Lieder zu schreiben und die auch als eigenständiges Album zu veröffentlichen.

Wenn die Spannung abfällt

Herausgekommen ist das Werk Zirkus. Zwölf Nummern über "das Leben in der Manege", wie der Beipacktext sagt. Dabei sind es eher Lieder über das Leben hinter der Manege, das große Nach-der-Show, wenn die Vorhänge zu und die Lichter ausgehen, wenn die bis in die letzten Muskelfasern, Haarspitzen und Lachmuskeln angespannte Professionalität einer langsam aufsteigenden Melancholie weicht. Zirkuskapelle braucht es dazu keine: Es reichen lässig gezupfte Gitarren, ein müdes Akkordeon, ein paar lustige Orgeln, hin und wieder ein Schlag mit der großen Trommel.

Nicht alle Nummern bleiben hängen, das ist klar und auch im Zirkus nicht anders. Aber allein das Eröffnungslied lohnt allemal, reinzuhören: "Warat i a Clown / hätt’ i ka Vertrauen / in de Wöd / vor mein Zöt", singen Nino und Molden da – ein Bild, das sie auch fürs Promotion-Foto gerne inszeniert haben.

"Clowns und in irgendeiner Form jeder Performing Artist müssen so sehr in ihrer eigenen Manege leben, dass sie nie ganz Teil der Welt des Publikums werden", sagt Ernst Molden. Und die beiden Wiener Liedermacher hören es gar nicht gerne, wenn verhaltensoriginelle Politiker wie Donald Trump als Clown bezeichnet werden und damit ein Berufsstand in den Dreck gezogen wird, vor dem die beiden jederzeit ihre Hüte ziehen.

Traurige Clowns

Warum aber fasziniert gerade der traurige Clown so sehr? "Ich glaube, man kann nicht lustig sein, wenn man nicht über die ganz große Tragik Bescheid weiß", sagt Molden. "Das Album hat auch lustige Momente, aber ich mag generell melancholische Lieder mehr", sagt Nino aus Wien, der seinen Clown im Text auch gleich zum "Bauen" (einer Spaßzigarette) hinters Zelt schickt.

Entsprechend angenehm entspannt ist auch, wie Molden/Nino das Reizthema Zirkus und Tierschutz auf dem Album anschneiden: "Mia gengan d viecha o / is ned korrekt / des was i scho", heißt es da mit unverstellter Wehmut.

Das schönste und der aktuellen Situation angemessenste Lied aber heißt Café der Artisten, wofür Der Nino aus Wien sein am passiven Widerstand geschultes Protestlied-Pathos auspackt: "Bis zum Ende wollen wir’s wissen / und warten auf Zugaben / Im Café der Artisten". (Stefan Weiss, 26.3.2021)