Minister Anschober hat bei den Landeshauptleuten doch noch durchgesetzt, dass es einen Lockdown gibt. Doch reicht dieser aus?

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Es war eine spektakuläre Kehrtwende: Am Wochenende riefen die Landespolitiker nach offenen Wirtshäusern und Thermen, noch am Montag stemmten sie sich bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung gegen einen Lockdown. Zwei Tage später war alles anders. Nun tragen Wien, Niederösterreich und das Burgenland die Osterruhe im Osten mit.

Prompt machte eine Erklärung die Runde, die den Grund nicht bei den Politikern selbst sucht. Die geladenen Experten, so wurde ventiliert, hätten die Situation beim Gipfel am Montag weniger gefährlich dargestellt als hinterher.

Dorothee von Laer widerspricht. "Ich finde, wir haben die Lage ausreichend dramatisch geschildert", sagt die Virologin von der Universität Innsbruck, die am Montag dabei war: "Wir hatten eher das Gefühl, die Fakten sind nicht angekommen." Vielleicht habe es daran gelegen, dass die Landeshauptleute in einem anderen Raum saßen und man nur per Video verbunden war, meint sie, aber "man hatte den Eindruck, die haben es nicht gehört".

Ein anderer Experte, der namentlich aber nicht genannt werden will, sagt gar: "Sie wollten es nicht hören. Das war Realitätsverweigerung."

Warnung seit Anfang März

Dabei waren die Informationen im Prinzip längst bekannt. Am 2. März hat das am Gesundheitsministerium angesiedelte Prognose-Konsortium erstmals davor gewarnt, dass in den Spitälern im Osten die kritische Auslastungsgrenze – 33 Prozent der Intensivbetten sind mit Covid-Patienten belegt – zur Monatsmitte erreicht werden könnte. Wem Expertenpapiere zu kompliziert sind: Medien wie DER STANDARD haben seither laufend über die heikle Situation berichtet.

Wird nun zumindest der nach zweitägiger Schrecksekunde verhängte Kurzzeit-Lockdown dem Ernst der Lage gerecht? Gerald Gartlehner meldet große Zweifel an. Die "Osterruhe" sei nötig, greife aber zu spät und zu kurz, urteilt der Epidemiologe von der Donau-Uni Krems: "Warum alles erst in einer Woche in Kraft tritt, erschließt sich mir nicht. Und mit sechs Tagen wird es nicht getan sein, das müsste jedem klar sein, der auch nur mit einem halben Ohr auf die Experten hört."

Die Regierung solle besser "mit offenen Karten spielen", wünscht sich Gartlehner: "Es wird einen längeren Lockdown brauchen."

Diesen Verdacht hegt auch von Laer. "Wahrscheinlich reicht es nicht aus", sagt sie, hat aber zumindest einen Funken Hoffnung, dass es "mit Glück" doch anders kommen könnte – nämlich dann, wenn die anderen neuen Maßnahmen wie die ausgeweitete FFP2-Masken-Pflicht strikt eingehalten werden.

Entwarnung erst Ende Mai

Zu befürchten sei aber, dass nach Ende des Lockdowns die Infektionszahlen wieder nach oben schnellten – und mit Zeitverzögerung auch die Belagszahlen in den Spitälern. Von Laer setzt die schwierige Phase noch bis Ende Mai an: bis das warme Wetter Ansteckungen reduzieren dürfte und genügend Menschen durchgeimpft sein sollten.

Es ergebe schon Sinn, gerade zu Ostern Kontakte zu unterbinden, sagt Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS): Schließlich gelte es zu verhindern, dass Kinder aus den offenen Schulen Infektionen nun zu den vielfach immer noch nicht geimpften Großeltern tragen. Doch weil die Überlastung der Intensivstationen eben schon seit zweieinhalb Wochen absehbar ist, fällt auch sein Fazit einschlägig aus: "Zu spät, zu wenig."

Alle drei Experten weisen überdies darauf hin, dass nicht nur der Osten ein Problem hat: Salzburg hat ähnlich hohe Infektionszahlen wie Wien, Niederösterreich und das Burgenland.

Was trotzdem Hoffnung macht

Optimistischer ist Christoph Steininger – allerdings auch, wie er selbst einräumt, etwas voreingenommen: Nähmen in Wien genügend Menschen an der PCR-Test-Aktion "allesgurgelt" teil, in die er als Virologe selbst involviert ist, dann könne sich die Hauptstadt eine Verlängerung des Lockdowns sparen.

Der Lockdown sei "sehr kurz bemessen", sagt hingegen der Simulationsforscher Niki Popper. Ob zu kurz, hänge von der Reaktion der Bevölkerung ab: Die Dynamik lasse sich nur dann stark genug bremsen, wenn viele Menschen wie vor einem Jahr den Lockdown quasi vorwegnehmen und bereits jetzt ihre Kontakte massiv einschränkten.

Positiver Aspekt inmitten der Misere: Dank der bisherigen Maßnahmen – von den Tests bis zur FFP2-Maske – steige die Infektionsrate langsamer an als im Herbst, analysiert Popper und vergleicht die Lage mit einem Autofahrer, der auf einen Pfosten zufährt: "Er muss nicht viel lenken, um fünf Zentimeter vorbeizufahren. Aber er muss lenken." (Gerald John, Gabriele Scherndl, 26.3.2021)