Am Donnerstag benötigten rund 450 Corona-Fälle österreichweit eine intensivmedizinische Betreuung.

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Wien – Gegner der strengen Corona-Maßnahmen führen die öffentlich zur Verfügung stehenden Zahlen dieses Dashboards gerne als Beweis dafür an, dass alles eigentlich nicht so schlimm ist – und die aktuelle Covid-Auslastung bei den Intensivbetten nicht einmal 50 Prozent beträgt. Auf der anderen Seite warnen Experten im Gesundheitsbereich vor bereits überlasteten Intensivstationen vor allem im Osten Österreichs – und fühlen sich bei der Angabe dieser Zahlen "regelrecht verarscht", wie es ein Mediziner hinter vorgehaltener Hand formuliert.

Die Rede ist vom offiziellen Corona-Dashboard der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages). Hier sind seit Beginn der Pandemie in Österreich wichtige Zahlen rund um Corona für alle Interessierten abrufbar. Angesichts der Meldungen von immer voller werdenden Intensivstationen rücken die Zahlen unter dem Begriff "Hospitalisierungen" in den Mittelpunkt: Hier werden die Meldungen der neun Landessanitätsdirektionen zusammengeführt, aufbereitet sowie einmal täglich aktualisiert.

Covid-Auslastung bei Intensivbetten laut Ages nicht einmal 50 Prozent

So benötigen aktuell 450 aktive Corona-Fälle eine intensivmedizinische Betreuung. Gleichzeitig führt das Ages-Dashboard aber auch aus, dass österreichweit 481 Intensivbetten "zusätzlich verfügbar" sind. Die Covid-Auslastung bei den Intensivbetten beträgt – ebenfalls für alle Interessierten als Zahl ersichtlich – nur 48,3 Prozent. Demnach macht die Covid-Auslastung bei den Intensivbetten nicht einmal 50 Prozent aus. Wie sieht es in der laut Experten besonders betroffenen Ostregion aus? In Wien und Niederösterreich sind es rund 55 Prozent, im Burgenland als Spitzenreiter in dieser Statistik sind es 72 Prozent.

Was in diesen Zahlen der Ages des so wichtigen Corona-Dashboards freilich nicht ausgeführt ist: Sie sagen nichts darüber aus, wie viele Intensivbetten aktuell leerstehen und somit direkt für Covid-Notfälle verfügbar sind. Laut Herwig Ostermann von der Gesundheit Österreich (GÖG) werden auf dem Dashboard auch jene Betten als "verfügbar" gelistet, die binnen einer Woche für Corona-Erkrankte mobilisiert werden können.

In Wien OP-Verschiebungen bald "in großem Ausmaß"

Nina Brenner-Küng vom Wiener Gesundheitsverbund (WiGev) führt das im Gespräch mit dem STANDARD drastischer aus. Schon jetzt würde praktisch kaum ein Intensivbett in der Bundeshauptstadt leerstehen. Zusätzliche Intensivbetten-Kapazitäten für Corona-Fälle könnten nur dadurch "erkauft" werden, wenn planbare, nicht lebensnotwendige Operationen – die auch direkt mit geplant belegten Intensivbetten zu tun haben – verschoben oder abgesagt werden. "Wir zahlen also einen Preis dafür, dass uns dann mehr Corona-Intensivbetten zur Verfügung stehen", sagte Brenner-Küng. Schon aktuell müssten OPs verschoben werden, bald dürfte das "in großem Ausmaß" passieren.

In Wien benötigten am Donnerstag 167 Corona-Erkrankte eine intensivmedizinische Betreuung, tags zuvor waren es 176 – so viele wie noch nie. Die Experten des Covid-Prognosekonsortiums rechnen bis zum 7. April, also bis knapp nach Ostern, damit, dass 260 Corona-Erkrankte ein Intensivbett brauchen. Laut Brenner-Küng verfügt der Gesundheitsverbund insgesamt über 550 Intensivbetten – für alle Patientinnen und Patienten.

Walter Hasibeder, neuer Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), kritisierte die Hospitalisierungsangaben am Ages-Dashboard heftig: Diese "stimmen hinten und vorn nicht", sagte er der "Presse". Ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach auf STANDARD-Anfrage von einer "Verwirrung in der Information".

Spitäler in einigen Bundesländern verschieben Eingriffe

Auch in anderen Bundesländern werden bereits Operationen verschoben – wenn auch noch nicht in dem Ausmaß wie in der ersten Welle vor einem Jahr. In Niederösterreich stellt sich die Lage laut Landesgesundheitsagentur "angespannt" dar. Einzelne nicht dringliche Operationen werden bereits verschoben. Im Burgenland werden bereits zahlreiche Operationen, die nicht dringend erforderlich sind, verschoben, um Kapazitäten für schwere Covid-19-Fälle sowie Notfälle und akute OPs freizuhalten. Die Krages gab laut APA an, schon in Kontakt mit anderen Bundesländern zu sein, um die Möglichkeiten einer Überstellung von Patienten auszuloten.

In Kärnten müssten aktuell "vereinzelt" Operationen verschoben werden, um genügend Intensivbetten für Akutfälle zu haben, sagte Intensivkoordinator Rudolf Likar. Auch in Salzburg wurden und werden Operationen abgesagt oder teilweise von den Landeskliniken per Kooperation in Privatkliniken ausgelagert. In der Steiermark gab die Landes-Krankenanstaltengesellschaft KAGes am Mittwoch bekannt, dass nicht unbedingt notwendige Operationen verschoben werden, um Intensivbetten für Corona-Patienten freizuhalten. In Oberösterreich werden ab Montag die Bettenkapazitäten für Covid-19-Patienten aufgestockt, im Gegenzug kann es wieder zu Verschiebungen von Operationen kommen. In Tirol war die Lage in den Spitälern vorerst stabil. "Derzeit reichen die Kapazitäten", heißt es von den tirol kliniken. Und in Vorarlberg war am Donnerstag überhaupt nur ein einziges Intensivbett mit einem Corona-Erkrankten belegt. Am Donnerstag standen 27 Intensivbetten für alle Patientengruppen frei.

Vor allem in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland sind die Intensivstationen aktuell gefordert.

(David Krutzler, 26.3.2021)