Passende Lehrlinge für technische Berufe zu finden war schon vor der Corona-Pandemie schwierig. Nun habe sich die Situation noch weiter verschärft, sagt Markus Tomaschitz, Chief Human Resources Officer beim Hightech-Autozulieferer AVL List. In Krisenzeiten würden junge Menschen länger überlegen, ob sie ins Berufsleben einsteigen wollen. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Pandemie die Berufsorientierung nur sehr eingeschränkt möglich ist. Zudem hat Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) Mitte März angekündigt, dass es auch in diesem Schuljahr bei negativen Leistungsbeurteilungen in einzelnen Fächern die Möglichkeit zum Klassenaufstieg geben wird, sofern das betroffene Schulfach im Vorjahr positiv beurteilt wurde.

Der Mint-Bereich bietet ganz unterschiedliche Berufsausbildungen. Viele Lehrstellen können jedoch nicht besetzt werden.
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Offene Stellen

Die Initiative "Zukunft.Lehre.Österreich" ließ im Jänner vom Market-Institut ein Stimmungsbild unter Lehrbetrieben, Schülern und Eltern dazu erheben. Und vier von zehn Unternehmen gaben dabei an, dass sie im Vergleich zum Vorjahr aktuell spürbar weniger Lehrstellenbewerbungen hätten, ein Drittel der Betriebe beurteilte auch die Qualität der Bewerber schlechter als in den Jahren davor. Dabei sind laut der Erhebung die Einstellpläne der Unternehmen, was Lehrlinge betrifft, wieder auf Vor-Corona-Niveau.

Um rund ein Viertel sind die Bewerbungen für einen Ausbildungsplatz bei AVL zurückgegangen, bestätigt auch Tomaschitz. Durchschnittlich beginnen 35 Lehrlinge ihre Berufsausbildung im Unternehmen. In insgesamt neun Berufen werden junge Menschen bei AVL ausgebildet, mit Ausnahme des Berufs Bürokaufmann/-frau und Betriebslogistikkaufmann/-frau sind alle anderen technischer Natur. Gerade für den Beruf Metalltechniker/in Zerspanungstechnik gebe es, so Tomaschitz, aber nur wenige Bewerbungen.

Fachkräftemangel

"Wenn Corona vorbei ist, wird die größte Herausforderung sein, den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen", ergänzt er. Die Weichen dafür müssen schon jetzt gestellt werden. Berufswelten außerhalb jener der eigenen Eltern und der Lehrer jungen Menschen näherzubringen sei dafür ein wichtiger Hebel, der noch Verbesserungspotenzial hätte. Generell sei der Bewerbungsprozess aufwendiger geworden. "Viele Jugendliche wissen zwar, worin sie schlecht sind, ihre Talente kennen sie oft weniger gut." Um das handwerkliche Geschick erkennen zu können, dürfe der Werkunterricht nicht vernachlässigt werden. "Die Bewerbungsunterlagen müssen nicht perfekt sein, es muss aber ein ausgeprägtes Grundinteresse bei der Bewerbung erkennbar sein", ergänzt Tomaschitz.

Generell sei die Branche im Moment noch mit einem blauen Auge durch die Krise gekommen, sagt Marion Mitsch, seit Jänner Geschäftsführerin des Fachverbands für Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI). Die Auslastung habe sich in vielen Betrieben nur wenig verringert. Rund 1330 Lehrlinge werden in den Mitgliedsbetrieben aktuell ausgebildet. Durch die Pandemie sind in der Branche die Bewerbungen auf Lehrstellen um rund 20 Prozent zurückgegangen. Wobei in den westlichen Bundesländern die Situation dramatischer sei als im Osten, ergänzt Mitsch.

Abwechslungsreich

"Dabei liegt der Wettbewerbsvorteil für den Standort Österreich gerade in der guten Ausbildung. Firmen können nur gehalten werden, wenn sie auch genügend gut ausgebildete Mitarbeiter finden." Hier wären auch ohne Corona-Pandemie weiterhin Maßnahmen zur Stärkung der dualen Ausbildung wünschenswert. Als Beispiel nennt sie die Lehre nach der Matura, ein Ausbildungsweg, der in Deutschland schon lange und von vielen beschritten werde. Durch die Digitalisierung würden neue Berufe entstehen. Für Mitsch ein guter Ansatzpunkt, um die duale Ausbildung nach der Matura attraktiver zu machen. Die Elektro- und Elektronikindustrie sei eine innovative und forschungsintensive Branche, die sich laufend weiterentwickelt. Auch die Berufe dahinter verändern sich kontinuierlich. Das noch besser zu kommunizieren sei schon jetzt eine wichtige Aufgabe. (Gudrun Ostermann, 30.3.2021)