"Meine Strategie war: Ich spiele einfach eine Frau, die sich die Lachmuskeln hat entfernen lassen."

Foto: Amazon Prime

Alles ist erlaubt, nur nicht lachen: so die Vorgabe für Anke Engelke und neun weitere Comedians in "LOL". Das ist, ganz im Ernst, ziemlich lustig.

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Achtung, diese Sendung verursacht beim Hinschauen körperliche Schmerzen. Sechs Stunden lang dürfen zehn der prominentesten deutschen Comedians auf engstem Raum nicht lachen. Das ist die Vorgabe von LOL – Last One Laughing, ab 1. April auf Amazon Prime und so ziemlich der lustigste Selbstversuch auf diesem Gebiet.

Schöneberger, Kebekus, Boning ...

Barbara Schöneberger, Carolin Kebekus, Wigald Boning, Kurt Krömer, Max Giermann, Mirco Nontschew, Rick Kavanian, Teddy Teclebrhan, Torsten Sträger und Anke Engelke haben die Challenge angenommen und versuchen, einander mit Stand-up-Performances zum Lachen zu bringen. Zeremonienmeister Bully Herbig wacht im Nebenraum via Kameras über die Einhaltung der Regeln. Die zehn reagieren mit verzerrten Gesichtern, verkrampften Körpern. Und dann kommt auch noch Heino.

STANDARD: Es muss die Hölle gewesen sein.

Engelke: Es war Wahnsinn! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so anstrengend sein würde, Lachen zu unterdrücken. Das fühlte sich fast ungesund an, wirklich. Denn es tut nicht nur im Körper weh, sondern auch in der Seele. Carolin sagt einmal: "Wir werden alle krank." und ich glaube, da hat sie Recht. Irgendwann haben wir aus lauter Stress angefangen zu tanzen, einfach nur um diesen Druck rauszulassen.

STANDARD: Barbara Schöneberger sagte, sie wolle angesichts der Herausforderung zur Kämpferin werden. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Engelke: Vorgabe war: Bereitet vorab Nummern vor und präsentiert sie, um die anderen zum Lachen zu bringen! Das war für mich total ungewohnt, weil ich ja keine Bühnenkünstlerin, also keine Solistin mit eigenem Programm bin. Als Schauspielerin arbeite ich mit fertigen Drehbüchern und bin dann für die Dauer eines Filmes eine bestimmte Figur. Ich kann überhaupt nicht gut allein irgendwo stehen und den Leuten etwas erzählen. Ich mag es lieber, wenn etwas im Austausch entsteht. Also habe ich eher auf Situationen reagiert, mehr improvisiert.

STANDARD: Kann man Nichtlachen üben?

Engelke: Vermutlich haben wir alle im Vorfeld gedacht: "Ich lache einfach nicht, ich denke an etwas ganz ganz Schreckliches. Ich bin Komiker*in, ich bin Schauspieler*in, ich mache das hier schon ein paar Jahre und will und werde gewinnen. Peng!" Schon nach zwei Minuten haben wir leider alle gemerkt: Vergiss es ! Totaler Quatsch, das klappt nicht. Wir haben zum Beispiel die psychologische Ebene unterschätzt: Man hat es mit Menschen zu tun, deren Arbeit man schätzt, und die Währung, mit der wir als Publikum bezahlen, ist das Lachen. Genau das dürfen wir aber nicht: lachen! Wir dürfen die von uns geschätzten Künstler*innen nicht bezahlen, und man fühlt sich ganz schrecklich dabei. Hinterher waren wir alle richtig im Eimer.

STANDARD: Dafür wurde in Pausen extrem viel gelacht. Auch, um Druck abzulassen?

Engelke: Absolut. Völlig bescheuert, oder? Als ob man auf Vorrat lachen könnte.

STANDARD: Sich eine Rolle auszudenken und wie in Ihren Sketches den Spagat zwischen Alltagssituation und Humor auszuloten, half nicht?

Engelke: Naja, eine meiner Strategien war zum Beispiel: ich spiele einfach eine Frau die sich die Lachmuskeln hat entfernen lassen – Das wird doch möglich sein! Nach vierzig Jahren Berufserfahrung! Jetzt reiß‘ dich zusammen, Engelke!

STANDARD: Stichwort Caroline Kebekus‘ Flatulenzsynchronisation. Wo war es für Sie am schwierigsten?

Engelke: Ich hatte vor Mirco Nontschew die meiste Angst, den seine Körperlichkeit finde ich extrem lustig. Aber ich war noch nie in einem Raum mit Teddy Teclebrhan. Teddys Komik und Timing sind ist nicht zu ertragen. Ich finde das unfassbar lustig, wenn er improvisiert. Er muss sich nur einen Antoine-Schnauzer anpappen, und dann ist er dieser Mensch. Körperlich, sprachlich, inhaltlich. Wahnsinnig lustig. Damit hatte ich nicht gerechnet.

STANDARD: Was war das Lustigste, das Sie jemals in Ihrem Leben gemacht haben?

Engelke: Ich liebe es, mit Bastian Pastewka zu arbeiten. Nicht nur, weil wir sehr gute Freunde sind, sondern auch, weil er irre lustig ist. Als wir zum Beispiel als Schlagerpaar Wolfgang und Anneliese bei "Wetten, dass…" auf der Couch saßen – das war kaum auszuhalten. Wenn er umschaltet und mein stoffeliger bräsiger Gatte Wolfgang ist, da kann man nicht gut ernst bleiben Wenn man Komödiantisches dreht, entsteht die Komik daraus, dass man ernst bleibt. Das sind die schönsten Momente.

STANDARD: Wie ist das am Set bei einem Dreh – dauernde Unterbrechungen, weil permanent jemand lacht?

Engelke: Gute und berechtigte Frage! So schrecklich ist mein Leben. Man würde glauben, dass wir bei einer Komödie oder bei einer Sketch-Reihe pro Tag 30 Minuten Material drehen, oder? Leider falsch: wir drehen netto 3 bis 4 Minuten. Und das nicht nur, weil ständig umgebaut werden muss, sondern auch, weil wir Schauspieler*innen zu dämlich sind, beim Spielen ernst zu bleiben. Wenn die Situationen und Dialoge lustig sind, dürfen ja alle hinter der Kamera grinsen und lachen, nur wir Dödel vor der Kamera müssen ernst bleiben! Es ist hart, aber herrlich.

STANDARD: Viele sagen, Humor sei die schwierigste aller Künste. Bei Ihnen klingt das überhaupt nicht so, sondern eher als sei es ein Riesenspaß.

Engelke: Ich habe im letzten Sommer einen Kinofilm in Wien gedreht, "Der Onkel", von und mit Michael Ostrowski. Da gibt es eine Szene, in der Michi auf dem Sofa neben mir kurz wegnickt, während ich ihm etwas ganz Spannendes erzähle. Ich rede und rede und irgendwann bemerke ich, dass er schläft und tippe ihn an. Daraufhin wacht er auf und reflexartig knallt er mir eine. Und ich muss ihm – auch reflexartig – auch eine knallen. Machen Sie das bitte mit Michael Ostrowski und ernstem Gesicht – das geht nicht. Beim ersten Mal bin ich vor lauter Lachen mit dem Gesicht nach unten vom Sofa gefallen, und ich hätte mir fast in die Hose gemacht! Wir haben die Szene fünf oder sechsmal gedreht, was schwierig war, weil unsere Wangen natürlich irgendwann glühten.

STANDARD: Sie haben sich tatsächlich abgewatscht?

Engelke: Natürlich. Wenn man sieht, dass falsch gehauen wurde, da gehen die Leute aus dem Kino raus und wollen ihr Geld zurückhaben. Wangen, Kieferknochen, einmal richtig druff. Sonst kann man es auch gleich lassen. Sieht doch jeder, wenn nur so getan wird als ob!

STANDARD: Und was war das Unlustigste in Ihrer Laufbahn?

Engelke: Ich kann mir zum Beispiel ganz schlecht die Moderationen, die ich als junges Mädchen gemacht habe, ansehen. Also technisch war das unterste Kanone, denn ich war altklug und meine Moderationen waren null strukturiert. Man darf natürlich nicht vergessen, dass ich da pubertiert habe. Da ist man so dermaßen neben sich und weiß überhaupt nicht, was mit einem passiert, also weder seelisch noch körperlich. Insofern kann ich mir ein wenig verzeihen. Aber das zu sehen, tut schon weh.

STANDARD: Kann man an der Pandemie irgendetwas lustig finden?

Engelke: Ich bin ein ziemlicher Glückspilz, denn ich kann drehen, im Synchronisationsstudio bin ich ohnehin immer alleine. Ich komme ganz gut durch die Zeit, aber die Frage ist: Wem ist zum Heulen zumute und wer braucht das Lachen genau jetzt? Ich stelle fest, dass es nicht das Lachen per se ist, das uns fehlt. Dafür sind schon zu viele Menschen gestorben, zu viele haben ihren Job verloren. Was wir brauchen, ist Gemeinschaft. Das fehlt uns, gemeinsam im Kino zu sitzen und zu lachen und weinen, gemeinsam durch ein Museum zu gehen. Wir müssen richtig gut aufpassen, dass uns die Gemeinsamkeit nicht abhandenkommt und dass wir miteinander gut sind.

STANDARD: Ist es jetzt wichtiger, Menschen zum Lachen zu bringen?

Engelke: Ich kann mir vorstellen, dass es Komiker:innen gibt, die sagen, jetzt muss ich nach vorne, um den Leuten Ablenkung zu geben. Ich versuche, meine Arbeit zu machen und liebe das sehr, aber man ist als Künstler:in keine moralischen Instanz, die über das Glücklichsein anderer Menschen entscheidet.

STANDARD: Zuletzt haben Sie erzählt, wenn sie mit dem Rad durch Köln fahren, singen Sie "Der Herr ist mein Hirt"– zur Beruhigung wegen der vielen Autofahrern. Was singen Sie in Zeiten von Corona?

Engelke: Im Moment summe ich gerne den Anfang der Peer-Gynt-Suite , die beruhigt. Und wenn ich Energie brauche, höre ich in meinem Kopf Anderson Paak. Das Gute an Corona ist, dass jetzt viel mehr Menschen mit Fahrrädern unterwegs sind. (Doris Priesching, 27.3.2021)