Es ist ein erhabenes Gefühl, wenn man auf der obersten Dachterrasse der Villa Rezek steht. Egal was man in Wien sehen will, von hier aus kann man das. Cobenzl, Kahlenberg, Wienerberg, Donaucity. Alles liegt einem zu Füßen, und wenn nicht, dann fast auf Augenhöhe.

Doch die Erhabenheit kommt nicht durch den geografischen Punkt. Sondern vor allem durch die Geschichte, der man sich bewusst werden muss.

Foto: Stefan Oláh, 2019

Die Villa Rezek ist ein 1932/33 von Architekt Hans Glas erbautes Haus im Cottageviertel des 18. Wiener Gemeindebezirks. Auftraggeber war das jüdische Ärzteehepaar Philipp und Anna Rezek, gebürtige Bunzl und Teilhaberin der Firma Bunzl & Biach. 1938 belegten die Nazis das Paar mit einem Berufsverbot, ehe sie ein Jahr später das gesamte Vermögen der Familie beschlagnahmten – und das Haus arisierten. Die Rezeks flohen nach Miami. In der Folge wechselte das Haus oft den Besitzer, direkt nach der Arisierung wurde es einem Vorstandsvorsitzenden der Creditanstalt übergeben, einem NSDAP-Mitglied aus Hamburg.

Die Villa Rezek nach 1933: Foto von Franz Mayer, abgedruckt in: The Studio, 11. Jg. 1936, S. 43 ff.
Foto: Franz Mayer

Nun, über 80 Jahre später und im Besitz eines Grazer Unternehmens, soll das mittlerweile baufällige Haus so nah an das Original wie möglich kommen. Zuständig dafür ist Architekt Maximilian Eisenköck, der auf den Erhalt von Bauwerken aus dem 20. Jahrhundert spezialisiert ist. "Man muss sich der Geschichte und damit auch der Verantwortung bewusst sein, wenn man dieses Gebäude wieder in das Original verwandeln will", sagt er.

Anpassbarer Wohnraum

Glas, der sichtlich von unter anderem Adolf Loos und Josef Frank inspiriert wurde, ist zwar nicht allzu bekannt, aber auch kein unbeschriebenes Blatt. In Wien gibt es von ihm noch eine Gemeindebausiedlung am Handelskai aus dem Jahre 1928. Glas reagierte mit dem Entwurf der Villa Rezek auf die damalige Bewegung des Internationalen Stils: funktionelle Räume, asymmetrische Bauweise und anpassbarer Wohnraum.

Foto: Stefan Oláh, 2019

Bezeichnend dafür waren und werden die Fenster sein. Ungewöhnlich viele und vor allem große waren es, die fast jeden Raum durch ihr Öffnen in eine Loggia verwandeln konnten. Ein Highlight befand sich im neben dem Wohnzimmer gelegenen Wintergarten: Die beiden großen Scheiben zum Garten konnten per Knopfdruck in den Boden eingelassen werden und nahtlos verschwinden. Zu dem Zeitpunkt nicht nur eine technische Raffinesse, sondern auch ein Hingucker. "Mir war es wichtig, besonders solche Alleinstellungsmerkmale wiederherzustellen", sagt Eisenköck. Deswegen wird es diese einfahrbaren Fenster wieder geben.

Foto: Stefan Oláh, 2019

Von außen ist die kaskadenartige Nutzung des Grundstücks zu erkennen. Fünf verschiedene Terrassenebenen gibt es, die nicht nur wie das Grundstück Richtung Süden, sondern auch Richtung Osten fallen und sich überlappen.

Das Team um Architekt Eisenköck hat aus allerlei Quellen Fotos, Pläne und anderweitige Aufzeichnungen gesammelt, um dem Original so nah wie möglich zu kommen. Änderungen, die beispielsweise bei einer Renovierung im Jahre 1995 gemacht wurden, werden wieder rückgängig gemacht. Das Haus hatte keine weiße Fassadenfarbe – sondern einen eher gelblichen Ton.

Foto: Stefan Oláh, 2019

Wohnhaus statt Museum

Im März 2022 soll das Haus fertig sein und nicht, wie zu erwarten wäre, in ein Museum verwandelt, sondern vermietet werden. Unter der Leitung der Kunst- und Kulturwissenschafterin Ulrike Matzer wird auch ein Bildband erscheinen. Und auch Führungen für einen ausgewählten Kreis soll es geben. Damit der atemberaubende Ausblick nicht nur einem Mieter zuteilwird. (Thorben Pollerhof, 01.04.2021)