Mit fünf Tonnen Salz wurde die Maschado-Lacke bei Apetlon nachgesalzen.

Foto: WWF / Marion Schwienbacher

Die Burgenländer nannten, auch als sie noch Ungarn waren, die Gegend seit jeher Waasen. Die Magyaren Hanság. Und beide erzählten sie die schöne Geschichte von einem kleinen Buben. Der ist im Jahr 1791 Fischern ins Netz gegangen. Schlammverkrustet war er, schuppig. Ein Wassermanderl. Verständlich reden konnte er nicht. Die Fischer brachten diesen Mogli aus dem Schilfdschungel aufs nahe Schloss Kapuvár.

Dort wurde er dann geputzt, geschniegelt, zu den Akten genommen und zu nutzbringender Arbeit angehalten; die Rede wurde ihn gelehrt, die Widerrede ihm ausgetrieben. Nach zwei Jahren verschwand er wieder in den weiten, undurchdringlichen Sümpfen, die sich bis zur Wasserfläche des Fertö tó, des Neusiedler Sees, hinzogen, dessen Hochwässer sich in den Waasen-oder den Hanság ergossen. Waasen-Steffel nennen ihn die Burgenländer, Hany Istók die Ungarn. Waasen: Das ist ein altdeutsches Wort für Sumpfland, Hany das altungarische Pendant.

Heute hätte es der Steffel schwer im Waasen zwischen dem burgenländischen Pamhagen und dem ungarischen Fertöd, zwischen der Mekszikópuszta und eben Kapuvár. Es wäre ihm viel zu trocken.

Vor mehr als 100 Jahren wurde damit begonnen, den Sumpf – auf alten Karten war er zuweilen als Teil des Sees gezeichnet – trockenzulegen. Viele große und kleine Kanäle leiten das Wasser aus dem Waasen und dem nördlich davon gelegenen Seewinkel. Mit dem Einserkanal wurde gar dem eigentlich abflusslosen Steppensee ein Abfluss gegraben. Der Grundwasserspiegel sank.

Nachsalzen

Das hatte gravierende Folgen. Der See und die Lacken sind ja Salzgewässer, europaweit einzigartige Lebensräume. Der Salzhaushalt ist durch die Absenkung des Grundwasserspiegels durch Ent-, aber auch die immer intensivere landwirtschaftliche Bewässerung und künstliche Süßwasserzufuhr massiv gestört worden. Der Klimawandel doppelt den Schaden noch auf.

Der Mensch – wenn man das so abstrahierend pathetisch sagen will – fängt an, das nun reparieren zu wollen. Patschert, natürlich, aber immerhin. Vor ein paar Wochen hat etwa eine Initiative des World Wildlife Fund und des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel ein Forschungsprojekt begonnen: In die Moschado-Lacke bei Apetlon wurden fünf Tonnen einer besonderen Salzmischung eingebracht.

Vier Tonnen Soda, eine Tonne Glaubersalz und 325 Kilogramm Kochsalz – so ungefähr setzt sich das Salz zusammen, das eigentlich durchs Grundwasser hochgespült werden sollte. Wenn, was immer wieder vorkommt, die Lacke trockenfällt, blüht das Salz aus zu "Zick". Beim touristisch genutzten Zicksee weiß man schon, dass zum Beispiel Süßwasserzufuhr keine besonders gute Idee war. Der Zick dichtet nämlich auch den Lackenboden.

Raffinierte Zuleitung

Projektleiter Thomas Zechmeister von der Biologischen Station Illmitz hat weitere Forschungspläne: "Wir wollen jetzt klären, wie sich die lokale Grundwasserentnahme auf den Wasser- und Salzhaushalt von sechs Lacken im Gemeindegebiet von Apetlon ausgewirkt hat. Und welche Alternativen zur künstlichen Wasserzufuhr bestehen."

Eine solche Alternative ist gerade aus anderem Grund in Arbeit. Als im Vorjahr der große, für den Tourismus so fundamentale See die Tendenz zeigte, wieder einmal auszutrocknen, hat Bauten-Landesrat Heinrich Dorner (SPÖ) eine Taskforce zur Behebung dieser Angelegenheit eingerichtet. Die hat unlängst einen Zwischenbericht vorgelegt.

Das nun ins Auge gefasste Projekt einer See-Wasserzuleitung scheint raffinierter als vorangegangene, über Zwischenberichte nie hinausgekommene Vorhaben. Und will die zwei größten pannonischen Fliegen gleich mit einem Schlag erwischen.

Dem See soll nämlich das fehlende Wasser nicht mehr direkt zugeführt, sondern erst in den Seewinkel geleitet und damit dort der Grundwasserspiegel gehoben werden. In Ungarn gibt es bereits einen zehn Kilometer langen Kanal, der Wasser für die Landwirtschaft aus dem Donauarm der Mosoni Duna in den Hanság bringt. Der wird um zwölf Kilometer verlängert. Voraussichtlicher Baubeginn: Frühjahr 2022.

Akklimatisieren

Das Burgenland beteiligt sich und will diesen Kanal bis in den Seewinkel verlängern. Dort müsse man, erklärt Christian Sailer, der Leiter der Taskforce, "die Entwässerungsgräben und Drainagen steuer- und regelbar machen". Man versuche also, "das Wasser so lange wie möglich im Seewinkel zu halten". Um eine direkte Wasserzuleitung in den See sei es nie gegangen, sagt Heinrich Dorner, der Landesrat, "sondern um eine Gesamtbetrachtung der Zufuhr und Dotation von Wasser in den gesamten Natur- und Kulturraum Seewinkel-Neusiedler See".

Das Donauwasser kann sich als Seewinkler Grundwasser quasi akklimatisieren an den empfindlichen Salzhaushalt. Man werde – so hofft es der Landesrat als jüngster Vertreter einer langen Reihe von Machbarkeitshoffnungsträgern – "eine Lösung erarbeiten, die machbar ist und historische Eingriffe reparieren kann".

Für den Hany Istók wird das wohl zu spät sein. Aber wer weiß? Vielleicht sollte die Taskforce zumindest versuchen, auch mit einem der Steffel sich irgendwie ins Einvernehmen zu setzen. "Nutzt’s nix", so sagt man ja in solchen verwunschenen Gegenden, "schadt’s nix." (Wolfgang Weisgram, 28.3.2021)