Das Konzept der "Shared Trails" – hier ein Bild aus dem Wienerwald – funktioniert in der Regel sehr gut, wenn alle aufeinander Rücksicht nehmen.

Foto: APA/Roland Schlager

Bellingham – Der "Stewart Mountain Mountain Trail" nahe Bellington im US-Bundesstaat Washington gilt als beliebtes Ausflugsziel für Wanderer und Mountainbiker. Am 6. März kam es jedoch zu einem bizarren Zwischenfall auf dem 7,2 Kilometer langen Rundweg, der als sogenannter Shared Trail Radfahrern und Fußgängern gleichermaßen offensteht. Ein 69-jähriger Wanderer soll auf einen 66-jährigen Mountainbiker eingestochen und ihn dabei schwer verletzt haben.

Grund für die Auseinandersetzung war offenbar ein Disput über den Vorrang auf dem Rundweg. Wie die örtliche Polizei in einer Presseerklärung mitteilt, war der Wanderer mit einer Gruppe talwärts unterwegs, als sie auf den bergwärts fahrenden Biker trafen. Beide Streitparteien schildern den Tathergang naturgemäß unterschiedlich. Fest steht bislang, dass der Radler die Wanderer offenbar gebeten hat, auszustellen, damit er die vor ihm liegende, technisch anspruchsvollere Stelle mit Wurzeln meistern kann. Der Wanderer weigerte sich aber unter Verweis auf die Trail-Netiquette, die Fußgängern grundsätzlich Vorrang einräumt.

Ein Vorfall, zwei Versionen

Glaubt man dem Wanderer, so reagierte der Radler unwirsch und attackierte ihn mit seinem Mountainbike, wodurch sie beide zu Boden gefallen seien. In Notwehr und um sich aus der misslichen Lage zu befreien, habe er sein Taschenmesser gezogen und versucht, den Angriff damit abzuwehren.

Der Radfahrer wiederum sagte aus, dass er versucht habe, den Wanderer zu überzeugen, ihn passieren zu lassen. Dieser verweigerte jedoch, zu Seite zu gehen, und griff ihm stattdessen in den Lenker. Weil der Radler mit seinen Schuhen noch in den Clip-Pedalen fixiert war, sei er dadurch zu Sturz gekommen und mitsamt seinem Bike auf dem Wanderer gelandet. Dieser habe ihn – so dachte er zuerst – mit Schlägen abzuwehren versucht. Der Rest der Gruppe habe währenddessen auf ihn eingeschrien.

Wanderer benutzte illegale Waffe

Daher habe er erst nach einiger Zeit bemerkt, dass es nicht nur Schläge, sondern Messerstiche waren, die der Wanderer austeilte. In Panik sei er trotz mehrerer stark blutender Wunden geflohen, als er es geschafft hatte, wieder aufzustehen. Er fuhr offenbar im Schock nach Hause, wo er dann die Rettung alarmierte. Die Verletzungen und der Blutverlust waren derart ernst, dass der 66-Jährige nach der Erstversorgung im örtlichen Spital per Hubschrauber in eine Klinik nach Seattle überstellt wurde.

Wie die polizeilichen Ermittlungen ergaben, war es kein einfaches Taschenmesser, sondern ein im Bundesstaat Washington verbotenes Springmesser, mit dem der Wanderer den Biker attackiert hatte. Der 69-jährige mutmaßliche Täter wurde wegen versuchten Totschlages und Besitz einer verbotenen Waffe am 23. März verhaftet. (Steffen Arora, 27.3.2021)