Abrüstung für die Berge: "Climatic Dances".

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Für viele südamerikanische Indigene sind bestimmte Berge Schutzgottheiten. Die Industrie aber erkennt in ihnen nur Lagerstätten von Bodenschätzen. "Alle diese Berge haben Herzen aus wertvollen Materialien" wie Gold, Kupfer oder Lithium, erläutert Amanda Piña, Wiener Choreografin mit chilenisch-mexikanischen Wurzeln, den Glauben: "Wenn man einem Berg sein Herz nimmt, stirbt er."

Genau darum geht es in ihrem jüngsten Stück. Noch bis Sonntag zeigt das Tanzquartier Wien Climatic Dances als Video auf seiner Website. Es ist ein roher Mitschnitt der Premiere in Antwerpen vergangenen September. In Wien sollte es eine Neuverfilmung geben, doch wegen einer Erkrankung der Choreografin war das nicht möglich. Die Entscheidung, das Video trotzdem zu zeigen, lässt sich mit der Dringlichkeit des Themas einigermaßen rechtfertigen. Immerhin macht Piña auf den Raubbau der globalisierten Industrien an unseren Lebensräumen aufmerksam. Heute gilt zudem die Prognose, der wirtschaftliche Wiederaufbau nach der Pandemie werde als Ausrede dafür herhalten, den politischen Druck auf umweltzerstörende Unternehmen nicht weiter zu erhöhen.

Gleiten durch die Zeit

Zur richtigen Zeit also verstärken Piñas Climatic Dances die bisherigen Warnungen vor einer ruinösen Wachstumsideologie. Dass es sich hier um ein auch künstlerisch starkes Stück handelt, lässt sogar der Mitschnitt erkennen: Auf ein hartes Einleitungsstatement folgt eine mitreißende Solo- und Trio-Passage, in der sich die Tänzerinnen auf einem ins Gleiten geratenen Grund bewegen. Den Eindruck des Gleitens vermittelt ein auf den Boden projizierter Film. Sand und Steine ziehen darauf dahin. Es ist wie das Fließen einer Zeit, der die drei Wesen nicht unterworfen zu sein scheinen.

Im Verlauf ihres Tanzes erhebt sich ein Abbild des Berges Apu Wamani aus dem virtuellen Boden. Sobald die Bodenprojektion – und damit die Illusion – verschwindet, ist der Berg nur noch eine Installation im Theater. Der Wechsel wirkt wie eine Schockwelle, in deren Ausläufer sich ein großer Gruppentanz um den Berg mischt. Mit dieser Arbeit gesellt sich Amanda Piña zu der wachsenden Gruppe aus Kritikern, die im exzessiven Bergbau eine Rüstungsindustrie im Wirtschaftskrieg gegen unseren Planeten erkennen. Die Climatic Dances sind ein Plädoyer für sofortige Abrüstung.

Online bis 28. 3.

(Helmut Ploebst, 27.3.2021)