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In Vietnam herrscht bereits seit zwei Wochen die Sommerzeit. Europa zieht am Sonntag nach und gönnt sich noch einmal eine Stunde mehr Tageslicht am Abend.

Foto: AP Photo/Elise Amendola

Wenn am Sonntag die Uhren um zwei Uhr auf drei Uhr gedreht werden, dann sollte das eigentlich heuer zum letzten Mal in der Europäischen Union passieren. Denn das EU-Parlament hat sich für eine Abschaffung der Zeitumstellung mit Ende 2021 ausgesprochen. Trotzdem ist ihre Zeit noch immer nicht abgelaufen.

Frage: Man liest seit Jahren, dass die Zeitumstellung in der Europäischen Union abgeschafft werden soll, und noch immer müssen wir an den Uhren drehen. Was dauert so lange?

Antwort: Tatsächlich hat das EU-Parlament im März 2019 dafür gestimmt, dass die Bürger nicht mehr halbjährlich die Uhren umstellen müssen. Danach war der Rat der Europäischen Union am Zug, doch der verlangt von der Kommission noch eine Folgenabschätzung. Die Kommission wiederum verweist zurück an den Rat, der sich zuerst einmal auf eine gemeinsame Position einigen müsse – ein Patt.

Frage: Aber welche gemeinsame Position muss im Rat noch festgelegt werden?

Antwort: Die EU-Mitgliedsstaaten können selbst entscheiden, welche Zeit sie beibehalten wollen. Einige fürchten, dass im schlimmsten Fall ein Flickenteppich aus Zeitzonen auf dem Kontinent entstehen könnte. Von abweichenden Uhrzeiten negativ betroffen wäre etwa der Gütertransport, aber auch der Bahn- und Flugverkehr. Deshalb sollen sich die Staaten zumindest innerhalb von Regionen auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen. Österreich hat sich in Person des damaligen Verkehrsministers Norbert Hofer (FPÖ) ursprünglich für die Beibehaltung der Sommerzeit ausgesprochen.

Frage: Apropos unterschiedliche Regelungen: Hat der Brexit Auswirkungen auf die (noch nicht) Abschaffung der Zeitumstellung?

Antwort: In der Tat dürfte neben dem alles bestimmenden Thema Corona-Pandemie auch die lang andauernden Brexit-Verhandlungen eine Rolle gespielt haben, dass die Zeitumstellung ins Hintertreffen geraten ist. Mit dem Ausstieg Großbritanniens aus der EU hat sich aber noch ein Problem eröffnet: Die Briten haben nun keine Eile mehr, nur noch eine Zeit einzuführen. Deshalb könnte es dazu kommen, dass die Iren mit dem Rest der Union die Umstellung abschaffen und in Nordirland aber noch an der Uhr gedreht wird. Würde man eine irische Zeit einführen, könnte das die nordirischen Unionisten erzürnen.

Frage: Wie kam die Debatte in der Europäischen Union überhaupt ins Rollen?

Antwort: Die Union ließ ihre Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2018 zu dem Thema abstimmen. Bei der Onlinebefragung sprachen sich 84 Prozent für die Abschaffung der zwei Zeiten aus. Insgesamt haben 4,6 Millionen Menschen an der Abstimmung teilgenommen, ein Rekord. Doch ist das insgesamt nicht einmal ein Prozent aller EU-Bürger. Und die, die abgestimmt haben, stammen vor allem aus Deutschland und Österreich. Die wenigsten Stimmen kamen aus Großbritannien.

Frage: Warum gibt es die Zeitumstellung überhaupt?

Antwort: Ihren Weg nach Europa fand die Sommerzeit im Jahr 1973 und war eine Reaktion auf die Ölkrise. Dadurch, dass man die Uhrzeit an die Jahreszeit anpasst, sollte Energie gespart werden, indem man eine Stunde Tageslicht gewinnt. Österreich zog schließlich im Jahr 1979 nach. Doch mittlerweile ist klar, dass fast keine Energie gespart wurde. Für viele überwiegen sogar die negativen Auswirkungen – etwa auf die Psyche. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin plädiert etwa für die Beibehaltung der Normalzeit, weil die besser zum optimalen Schlafrhythmus passe.

Frage: Aber warum sollte man dann überhaupt die Sommerzeit beibehalten wollen?

Antwort: Es gibt auch Studien, die vom positiven Effekt einer durchgängigen Sommerzeit sprechen. So sind Menschen prinzipiell eher am Nachmittag und Abend unterwegs – auch Kinder. Eine extra Tageslichtstunde zu dieser Zeit könnte Unfälle zwischen Autofahrern und Fußgängern reduzieren. Eine US-Studie aus dem Jahr 2004 kommt zu dem Schluss, dass so jährlich mehr als 170 Menschen allein in den USA gerettet werden könnten.

Frage: Und wann drehen wir dann wirklich zum letzten Mal an der Uhr?

Antwort: Das ist ungewiss. So wie es jetzt aussieht, wohl zumindest noch einmal im Oktober, wenn wir wieder zur Normalzeit wechseln. (Bianca Blei, 27.3.2021)